gms | German Medical Science

49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds)
19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)
Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI)

Deutsche Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Schweizerische Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI)

26. bis 30.09.2004, Innsbruck/Tirol

Wer hat Angst vor "DocMorris"? : Über die Service-Qualität von Online-Apotheken

Meeting Abstract (gmds2004)

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  • corresponding author presenting/speaker Claus Eikemeier - Forschungsgruppe DIMSA, Fachbereich 3, Universität Bremen, Bremen, Deutschland
  • Walter Fierz - IKMI, Kantonsspital St. Gallen, St. Gallen, Schweiz

Kooperative Versorgung - Vernetzte Forschung - Ubiquitäre Information. 49. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie (gmds), 19. Jahrestagung der Schweizerischen Gesellschaft für Medizinische Informatik (SGMI) und Jahrestagung 2004 des Arbeitskreises Medizinische Informatik (ÖAKMI) der Österreichischen Computer Gesellschaft (OCG) und der Österreichischen Gesellschaft für Biomedizinische Technik (ÖGBMT). Innsbruck, 26.-30.09.2004. Düsseldorf, Köln: German Medical Science; 2004. Doc04gmds013

The electronic version of this article is the complete one and can be found online at: http://www.egms.de/en/meetings/gmds2004/04gmds013.shtml

Published: September 14, 2004

© 2004 Eikemeier et al.
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Einführung

Im Dezember 2002 wurde u.a. vor dem Europäischen Gerichtshof das Verfahren um die niederländische Internetapotheke DocMorris verhandelt. Die deutsche Bundesregierung sicherte im Laufe des Verfahrens zu, der deutsche Gesetzgeber werde einen "geregelten, kontrollierten und überwachten elektronischen Handel einschließlich Versandhandel" mit Arzneimitteln ermöglichen [1]. Die Probleme waren aus der Kollision von nationalen und europäischen Gesetzen entstanden.

Nach vielen Jahren des Internet-Handels mit Medikamenten in rechtlichen Grauzonen [2] sind Internetapotheken seit dem 1. Januar 2004 offiziell in Deutschland zugelassen [3] und es stellt sich die Frage nach den Auswirkungen der Existenz dieser "neuen" Wettbewerber um diesen Teil des Gesundheitswesens [4]. Die Internetapotheke DocMorris wird in diesem Zusammenhang häufig synonym für quasi alle neuen Internetapotheken-Angebote genannt. Aber passt dieses Beispiel? Stellen die Internetapotheken eine Bedrohung für die etablierten, traditionellen Apotheken dar? Nutzen die Patienten diese speziellen Serviceleistungen überhaupt?

Der Vortrag wird eine Studie zu diesem Thema vorstellen, die sich diesem, für alle am Gesundheitsmarkt beteiligten Mitspieler, neuen Thema, aus Sicht des Kunden nähert. Welche Apotheken-Angebote existieren im Internet überhaupt? Wie kann der Kunde herausfinden, ob eine Apotheke gut ist oder nicht? Was wären solche Gütekriterien.

Methodik

Das Internet wurde aus Sicht eines Patienten (P. ohne spezielle Krankheit) nach Online-Apothekenangeboten abgesucht. Diese Auswahl wurde betreffend der umgesetzten Serviceangebote analysiert. Eine Auswahl der vermutlich vorrangig genutzten Apotheken wurde aus differenzierter Sicht, insbesondere der subjektiven Servicequalität, beurteilt. Dazu wurden verschiedene OTC (Over-The-Counter, d.h. nicht verschreibungspflichtigen) Medikamenten und Gesundheitserzeugnissen (z.B. Nasensalbe, Reisekaugummi, Schmerzmittel) zu einem Warenkorb zusammengestellt. Diese Auswahl sollte fiktiv bei der Apotheke bestellt werden. Das Angebot der getesteten Apotheken wurde differenziert beurteilt: neben Gesamteindruck und speziellen Aspekten der Benutzerschnittstelle wurde auch der Gesamtpreis des Warenkorbes betrachtet.

Weiterhin wurden Aspekte wie Information über die Arznei und allgemeine Beratungsfunktion analysiert.

Ergebnisse

Das Ergebnis der Arbeit setzt sich aus verschiedenen Anteilen zusammen.

Aus Patientensicht lassen sich nicht alle Angebote der im Internet vertretenen Apotheken nutzen. Die Aufteilung in verschiedene Klassen zeigt, dass Grosshandels- und Krankenhausapotheken zwar Onlineangebote besitzen und bewerben, diese jedoch natürlich nicht für den Patienten als "Endkunden" gedacht sind.

Aber auch normale Apothekenauftritte im Internet sind wirklich selten als gute Angeobte einzuschätzen: zu häufig endet der Besuch bei der Online-Apotheke mit der Erkenntnis, dass die Website ausschliesslich als permanente, und häufig veraltete, Eigenwerbung genutzt wird.

Aus Sicht des Patienten stellen sich das Informationsangebot und die Möglichkeit, Arzneimittel zu erwerben wahrscheinlich als die zwei wichtigsten Qualitätsaspekte dar. Prinzipiell lässt sich aussagen, dass qualitativ-hochwertige Information [5] und Arzneimittelverkauf nur sehr selten in einer Website kombiniert sind.

Es existieren wenige Websites, die umfassend Informationen anbieten. Dabei sind auch Arzneimittel-Informationen (Information über das Medikament, Nebenwirkungen, Hinweise etc.) und Directory-Informationen (naheste Apotheke, Notdienst, etc.) zu unterscheiden - eine gute Kombination existiert nur sehr selten.

In der Vielzahl der Websites ist das Angebot der Informationen zu Produkten, die vertrieben werden, als unzureichend zu bewerten (z.B. keine Beschreibung im Internet).

Ein Hauptpunkt der Untersuchung stellt die Auswertung der Kosten für den Patienten dar. Nach der Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage und Sozialreformen ist zu untersuchen, ob sich der Einkauf von OTC-Produkten bei einer Onlineapotheke als möglicherweise persönlich kostensenkend darstellt. Dazu wurde eine Warenkorb-Untersuchung bei verschiedenen Anbietern durchgeführt. Die Untersuchung ergab, dass nur in wenigen Fällen überhaupt ein ausreichendes Angebot vorhanden war. Die Preise entsprachen denen in Präsenzapotheken oder lagen drunter, teilweise sogar deutlich. Auch die aufgrund des frühen Markteintritt wahrscheinlich bekannteste Vertreter der Online-Apotheken konnten nicht gegenüber anderen Angeboten überzeugen. Ähnlich wie diesen wird nur ein reduziertes Sortiment an Arzneien angeboten. Die Preise für diese Waren sind jedoch i.d.R. günstiger, als bei den untersuchten Standard-Apotheken (bzw. deren Onlineangebot). Patienten mit speziellen Krankheiten (z.B. Diabetes) können von den allgemeinen Ergebnissen abweichende Ergebnisse bringen. Hier ist im Einzelfall zu prüfen, ob ggf. auch nur einzelne Medikamente bzw. Hilfsmittel, vielleicht dann in grösserer Stückzahl oder von einem anderen Anbieter, bezogen werden sollten, um die maximale Kostenersparnis zu erreichen. Nur wenige umfassende Angebote mit hoher Interaktionsattraktivität und umfangreichem Sortiment wurden gefunden. Sie haben derzeit das Potenzial, ähnlich wie Amazon bei Büchern, einen Referenzstatus zu erreichen [6].

Diskussion

Seit Jahresbeginn drängen Onlineapotheken legal in den Arzneimittelmarkt. Vielfach sind gravierende inhaltliche bzw. informatorisch orientierte Fehler in den Websites vorhanden. Auch gibt es Unregelmässigkeiten bezüglich der Produktqualität. Nur wenige Online-Angebote sind insgesamt zu empfehlen. Es ergibt sich daher ein schlechter Gesamteindruck für die neuen Angebote.

Die durchgeführte Untersuchung betrachtet die subjektive Nutzung der Apotheken-angebote, gibt daher keinen Aufschluss über z.B. die Qualität der Beratung auf Fragen des Patienten. Die Kommunikation mit dem Apotheken-Personal als Berater erscheint deutlich schwerer als beim traditionellen Einkauf zu sein.

Aus Kostensicht lohnt sich jedoch die Nutzung der Onlineangebote. Obwohl sich anfangs die Preise nicht stark verändert haben, findet man nach wenigen Monaten doch schon teilweise reduzierte Preise [7]. Im Internet angebotene Produkte sind zum Teil deutlich günstiger als am Schalter der Strassenapotheken, welche die Margen scheinbar immer noch bis zu den offiziell vorgegebenen Obergrenzen nutzen. Insbesondere chronisch kranke Menschen, die ihren Medikamentenverbrauch planen, können durch Nutzung von Internetapotheken erheblich Geld sparen. Die Methoden der Kundenbindung in Form von Kundenkarte, Sonderaktionen oder Spezialrabatten werden den Wettbewerb verstärken und die Patienten finanziell weiter entlasten. Der Kunde kann hier profitieren.

Es ist deutlich zu bemerken, dass passive Webseiten für den Patienten nur einen marginalen Zusatznutzen bringen und es besteht die Gefahr, dass die wirklich guten Angebote deshalb auch nicht gefunden bzw. genutzt werden.

Abschliessend kann bemerkt werden, dass sich das Internet als Informationsmedium (vereinzelt sogar gut) anbietet (z.B. Suche nach Apotheken in [8], [9]. Die Vergleichsmöglichkeiten zwischen den Anbietern des gleichen Produktes haben sich über das WWW deutlich verbessert, sind jedoch noch sehr zeitaufwändig. Die Präsentation der Angebote ist häufig mangelhaft.

Es wird sich zeigen müssen, ob die Kunden die Online-Apotheken akzeptieren und ein welcher Form (Geschäftsmodell) die erfolgreichen Apotheken dann im Cyberspace auftreten. Derzeit sind nur wenige Apotheken für einen dauerhaften Auftritt akzeptabel aufbereitet.


Literatur

1.
Stieler, W.: Bundesregierung will Internet-Apotheken, in Heise Newsticker, 2002-12-10
2.
Welcker, A.: Medikamente vom virtuellen Wühltisch, URL: http://www.medikamente-aus-der-apotheke.de/beitraege/beitrag-2.htm, 1999-06-11, (Zugegriffen: 2004-03-27)
3.
Golem.de - IT News für Profis, Krankenkassen schliessen Verträge mit Onlineapotheken, URL: http://www.golem.de/0311/28510.html
4.
Apo-online.de - Medikamenten-Versandhandel, in Apo-online.de, Heft 04/2003 (online)
5.
Web.de - Rubrik Apotheke, URL: http://portale.web.de/FitundGesund/Apotheke/ (2004-03-27)
6.
Juniors Workstation: Das Rauschen im virtuellen Blätterwald, URL: j-ws.de, S. 1380
7.
Focus-online: Noch kein Apotheker-Preiskampf, URL: http://www.focus-online.de (vom2004-01-16)
8.
Arzneiwelt.com - Portal der deutschen Apotheken (2004-03-22)
9.
Apo-online.com - Virtuelle Wege in die Offizin, Apo-online, Heft 01/2004