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Prospektive Studie zum Einfluss von Polypharmazie auf die Krankenhausaufnahme – Berliner Studie zur Operationalisierung von Multimorbidität und Autonomie im Höheren Alter (OMAHA)
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Published: | September 14, 2011 |
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Hintergrund: Polypharmazie erhöht das Risiko für unerwünschte Arzneimittelwirkungen und vermeidbare Krankenhausaufnahmen. Bevölkerungsbezogene prospektive Daten zur Stärke dieses Zusammenhangs sind bislang kaum vorhanden. Auf der Grundlage einer Einwohnermeldeamtsstichprobe der Bevölkerung ab 65 Jahren in Berlin-Mitte quantifizierten wir den relativen Einfluss von Polypharmazie auf die stationäre Aufnahme innerhalb von 18 Monaten nach Eingangsuntersuchung.
Material und Methoden: Die OMAHA Studie wurde von 2008-2010 durchgeführt. An eine ausführliche Eingangsuntersuchung schlossen sich halbjährliche telefonische Follow-up-Befragungen und eine 12-Monats-Follow-up-Untersuchung an. Von insgesamt 1.481 angeschrieben Personen beteiligten sich N=299 (Response 22,9%). Insgesamt 231 Personen konnten über 18 Monate weiter beobachtet werden. Die Erstuntersuchung umfasste ein standardisiertes computer-gestütztes ärztliches Interview u. a. zu Erkrankungen und aktueller Medikation (letzte 7 Tage). Soziodemographische Parameter wie Alter, Geschlecht und Bildung wurden über einen Selbstausfüllfragebogen erhoben. Als Polypharmazie war die Anwendung von 4 und mehr ärztlich verordneten Arzneimitteln definiert. Angaben zu Krankenhausaufnahmen wurden über 18 Monate erfasst. Zur Beschreibung von Polypharmazie wurden Häufigkeiten und deren 95% Konfidenzintervalle (95% KI) sowie p-Werte herangezogen. Der Einfluss auf Hospitalisierung wurde in multipler logistischer Regressionsanalyse unter Berücksichtigung von Alter, Geschlecht, Bildung und subjektivem Gesundheitszustand mittels Odds Ratios (OR) und 95% KI quantifiziert.
Ergebnisse: Die Prävalenz von Polypharmazie betrug 58,9% (95% KI 52,0-64,6). Zwischen Frauen und Männern (61,5% vs. 55,7%, p=0,425) und in Abhängigkeit vom Bildungsstand (niedrig: 62,6%, mittel: 57,0%, hoch: 58,7%, p=0,705) unterschieden sich die Raten nicht signifikant. Über 70Jährige (65,9%) wiesen signifikant (p=0,001) höhere Häufigkeiten auf als unter 70Jährige (36,2%). Ebenso fanden sich statistisch signifikante (p<0,001) Gruppenunterschiede in Abhängigkeit vom subjektiv beurteilten Gesundheitszustand (sehr gut/gut: 45,8%, zufriedenstellend: 67,4%, schlecht/sehrschlecht: 94,4%). Insgesamt hatten 83 Personen mindestens einen Krankenhausaufenthalt. Bei Personen mit Polypharmazie betrug die Hospitalisierungsrate 45,2% (95% KI 37,1-53,6), in der Vergleichsgruppe 22,9% (95% KI 15,6-32,4). Im multivariaten Modell erwiesen sich Alter (OR: 1,05, 95%KI 1,00-1,10), schlechte subjektive Gesundheit (OR: 3, 95% KI 1,15-10,58) und Polypharmazie (OR: 2,11, 95% KI 1,13-3,94) als unabhängige Einflussgrößen für nachfolgende Hospitalisierung.
Schlussfolgerung/Implikation: Die Ergebnisse belegen den Zusammenhang zwischen ärztlich verordneter Polypharmazie und nachfolgendem Krankenhausaufenthalt. Vertiefende Analysen zum Grund der Hospitalisierung sollen klären, in welchem Ausmaß Polypharmazie als ursächlich dafür anzusehen ist.
Literatur
- 1.
- Holzhausen, et al. Operationalizing multimorbidity and autonomy for health services research in aging populations - the OMAHA study. BMC Health Services Research. 2011;11:47. DOI: 10.1186/1472-6963-11-47
- 2.
- Scheidt-Nave C, Richter S, Fuchs J, Kuhlmey A. Herausforderungen an die Gesundheitsforschung für eine alternde Gesellschaft am Beispiel „Multimorbidität“. Bundesgesundheitsbl Gesundheitsforsch Gesundheitsschutz. 2010;53:441-50.