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Brücken bauen – von der Evidenz zum Patientenwohl: 19. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin e. V.

Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

08.03. - 10.03.2018, Graz

Gemeinsam gut entscheiden

Meeting Abstract

  • author presenting/speaker Anna Glechner - Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie, Donau-Universität Krems
  • presenting/speaker Karl Horvath - Medizinische Universität Graz
  • Thomas Semlitsch - Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung (IAMEV), Medizinische Universität Graz; Institut für Medizinische Informatik, Statistik und Dokumentation (IMI), Medizinische Universität Graz
  • Christina Kien - Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie, Donau-Universität Krems; Cochrane Österreich
  • Ludwig Grillich - Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie, Donau-Universität Krems
  • Gerald Gartlehner - Donau-Universität Krems
  • Andrea Siebenhofer-Kroitzsch - Medizinische Universität Graz

Brücken bauen – von der Evidenz zum Patientenwohl. 19. Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Graz, Österreich, 08.-10.03.2018. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2018. Doc18ebmV-09-6

doi: 10.3205/18ebm056, urn:nbn:de:0183-18ebm0564

Published: March 6, 2018

© 2018 Glechner et al.
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Text

Hintergrund: Um klinische Entscheidungen zu unterstützen, bei denen auch in anderen Industrie-Ländern nachgewiesen werden konnte, dass es häufig zu einer Über- oder Unterversorgung kommt, startet in Österreich eine Initiative unter den Namen „Gemeinsam gut entscheiden“. „Gemeinsam gut entscheiden“ ist eine Version von Choosing Wisely, eine Kampagne der ABIM Foundation die mittlerweile mit über 70 Fachgesellschaften zusammenarbeitet. „Gemeinsam gut entscheiden“ unterscheidet sich jedoch von Choosing Wisely USA durch strengere methodische Vorgaben.

Methoden: In einem Pilotprojekt wird gemeinsam mit der Österreichischen Fachgesellschaft für Geriatrie und Gerontologie eine Liste von fünf Empfehlungen zu medizinischen Maßnahmen erstellt, die wenig bis gar keinen nachweisbaren Nutzen haben bzw. zum Teil sogar ein erhöhtes Schadenspotenzial aufweisen und gegebenenfalls auch hohe Kosten verursachen. Als Grundlage für die Erstellung der österreichischen Top-5-Liste dienen die bereits verfügbaren Empfehlungen der US-„Choosing Wisely“-Initiative (US-CWI) sowie die Empfehlungen der mitteleuropäischen „Choosing Wisely“-Initiativen. Da vor allem die US-Initiative ein pragmatisches Vorgehen hinsichtlich der methodischen Vorgaben gewählt hat, um möglichst rasch möglichst viele Fachgesellschaften involvieren zu können, wurden die vorhandenen Empfehlungen von verschiedenen Seiten auch immer wieder kritisiert [1], [2]. In einem Projekt der Medizinischen Universität Graz konnten von den über 400 US-CWI-Empfehlungen nur 131 als verlässlich eingestuft werden [1]. Empfehlungen die auf den Webseiten des American Board of Internal Medicine und anderen Webseiten [3] identifiziert wurden, wurden hinsichtlich ihrer Verlässlichkeit geprüft. Es erfolgte ein Abgleich mit methodisch hochwertigen deutschen S3-Leitlinien. Bei Empfehlungen, für die es kein Leitlinien-Äquivalent gab, wurde die Qualität des Erstellungsprozesses analog zu hochwertigen Leitlinien beurteilt. Dabei wurde auch festgestellt, ob eine relevante unterstützende Metaliteratur vorhanden ist. Aus dem Pool der verlässlichen internationalen Empfehlungen werden jene identifiziert, die für die Versorgung geriatrischer Patientinnen und Patienten in Österreich die größte Bedeutung haben. Die Gruppe, die an der Auswahl der Empfehlungen beteiligt ist, setzt sich aus Mitgliedern der Österreichischen Gesellschaft für Geriatrie und Gerontologie, aus Expertinnen und Experten unterschiedlicher Berufsgruppen aus dem stationären und niedergelassenen Bereich sowie aus Betroffenen zusammen. Ob durch die Kampagne „Gemeinsam gut entscheiden“ in Österreich tatsächlich eine Bewusstseinsbildung sowie eine Einstellungs- und Verhaltensänderung bei der Verordnung von Therapien und Untersuchungen erreicht werden kann, kann am besten durch eine Begleitforschung untersucht werden. Idealerweise werden dafür zu Beginn und am Ende einer Kampagne die Wahrnehmungen und Einstellungen der Ärztinnen und Ärzte zu den Empfehlungen und Verschreibungsgewohnheiten erhoben. Auch eine gezielte Information der Behandelten könnte helfen, mehr Bewusstsein für „Choosing Wisely“-Empfehlungen zu schaffen. Daher werden im Rahmen des Projekts PatientInneninformationen anhand anerkannter Richtlinien erstellt. Als Grundlage dienen bereits verfügbare Patienteninformationen zu den Empfehlungen der Top-5-Liste. Diese Suche erfolgt auf der Website der US-Choosing Wisely Initiative (http://www.choosingwisely.org/patient-resources/) und in den Portalen der auf der Website von Cochrane Deutschland gelisteten Organisationen, die Patienteninformationen bereitstellen (http://www.cochrane.de/de/ressourcen-patienteninformationen).

Das Konzept der Empfehlungen von Fachgesellschaften an ihre Ärzte und Ärztinnen wurde von vielen Ländern aufgegriffen. Es ist sehr erfreulich, dass mit „Gemeinsam gut entscheiden“ nun auch ein österreichisches Projekt beginnt, der Fehlversorgung Behandlungsbedürftiger entgegenzusteuern.

Das Projekt wird vom Institut für Allgemeinmedizin und evidenzbasierte Versorgungsforschung der Medizinischen Universität Graz (IAMEV) geleitet und ist ein Kooperationsprojekt mit Cochrane Österreich am Department für Evidenzbasierte Medizin und Klinische Epidemiologie der Donau-Universität Krems.


Literatur

1.
Horvath K, et al. Choosing wisely: Assessment of current US top five list recommendations’ trustworthiness using a pragmatic approach. BMJ Open. 2016;6(10):e012366.
2.
Strech D, et al. When choosing wisely meets clinical practice guidelines. Z Evid Fortbild Qual Gesundhwes. 2014;108(10):601-3.
3.
Bonfill X, et al. DianaHealth.com, an on-line database containing appraisals of the clinical value and appropriateness of healthcare interventions: database development and retrospective analysis. PLoS One. 2016;11(2):e0147943.