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EbM – ein Gewinn für die Arzt-Patient-Beziehung?
Forum Medizin 21
11. EbM-Jahrestagung

Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

25.02. - 27.02.2010, Salzburg, Österreich

Konformität der medikamentösen Hochdrucktherapie mit den Therapieleitlinien bei einer unselektionierten Kohorte von älteren, stationär behandelten internistischen Patienten

Meeting Abstract

  • Lukas Schmoller - Krankenhaus Gmunden, Österreich
  • Erika Prinz - Univ.-Klinik für Innere Medizin 2, Kardiologie und Internistische Intensivmedizin Salzburg, Österreich
  • Christina Hofer-Dückelmann - Landesapotheke Salzburg, Österreich
  • Wolfgang Beindl - Landesapotheke Salzburg, Österreich
  • Thomas Michalski - Krankenhaus Gmunden, Österreich
  • Peter Grüner - Krankenhaus Gmunden, Österreich
  • Jochen Schuler - Krankenhaus Gmunden, Österreich
  • Max Pichler - Krankenhaus Gmunden, Österreich

EbM – ein Gewinn für die Arzt-Patient-Beziehung?. Forum Medizin 21 der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität & 11. EbM-Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Salzburg, 25.-27.02.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10ebm010

doi: 10.3205/10ebm010, urn:nbn:de:0183-10ebm0108

Published: February 22, 2010

© 2010 Schmoller et al.
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Text

Hintergrund: Die Prävalenz der arteriellen Hypertonie (AHT) steigt von 25% bei Menschen bis 60 Jahren auf 74% bei Menschen ≥80 Jahre (Framingham Daten). Mehrere Tausend ältere Patienten mit AHT wurden in den vergangenen Jahren in randomisierten Studien untersucht und es konnte gezeigt werden, daß eine Senkung des sytolischen Blutdrucks die Mortalität und Morbidität (Schlaganfall, Herzinsuffizienz) senkt. Die JNC 7 Leitlinien empfehlen bei älteren Patienten mit AHT Thiazidartige Diuretika als Medikamente der ersten Wahl und eine Kombinationstherapie mit ≥2 Antihypertensiva. Das NICE empfiehlt entweder Kalziumkanalblocker (CCB) oder Thiaziddiuretika als Mittel der ersten Wahl bei Hypertonikern über 55 Jahren.

Generell sind sich alle Leitlinien darin einig, daß sich die Arzneimittelwahl an den Begleit- und Folgeerkrankungen zu orientieren hat:

Hemmstoffe des Renin-Angiotensin Systems (ACEI, ARBs) sind besonders günstig bei Diabetes, Herzinsuffizienz und Niereninsuffizienz. Bei koronarer Herzerkrankung und Tachyarrhythmien kommen Betablocker in die engere Wahl, obwohl sie hinsichtlich Schlaganfallprotektion weniger effektiv sind als CCB und ACEI und bei alten Menschen mehr unerwünschte Wirkungen (UAW) induzieren können. Periphere @-Blocker, zentral wirksame Wirkstoffe und Vasodilatatoren reduzieren zwar den Blutdruck effektiv, haben aber zumindest in der Monotherapie keine Reduktion von Morbidität und Letalität nachweisen können Daher sind sie nur als 3te oder 4te Substanz zulässig, zumal sie auch häufig UAWs induzieren.

Fragestellungen: Wir wollen die Qualität und die Quantität der Hochdrucktherapie bei einer Kohorte unselektionierter älterer Patienten an unserer Klinik untersuchen und auf ihre Konformität mit den genannten Empfehlungen und Leitlinien abgleichen.

Methodik: Im Zeitraum von 2/07–6/07 wurden alle neu aufgenommenen Patienten = 75 Jahre an der 1. und 2.Medizin hinsichtlich ihrer demografischen und klinischen Faktoren sowie ihrer Aufnahme- und Entlassungsmedikation analysiert. 359/543 (66,1%) Patienten hatten die Diagnose Bluthochdruck (Tabelle 1 [Tab. 1]). An Hand der Entlassungsdiagnosen wurden 3 Subgruppen definiert: Patienten mit KHK, Patienten mit NINS und Pat. mit Diabetes. Die Medikamente dieser Patienten wurden systematisch nach Wirkstoffen (ATC Code) und Dosierungen ausgewertet.

Ergebnisse:

  • Alte Patienten mit AHT haben durchschnittlich 6 weitere Diagnosen: 25,5% haben eine Kreatininclearance ≤30 ml/min, 32% einen Diabetes 46,5% eine KHK und 39,5% eine Herzinsuffizienz.
  • Neben der antihypertensiven Medikation wurden durchschnittlich 5 weitere Medikamente eingenommen.
  • Die meisten älteren AHT Patienten nahmen bei Entlassung eine antihypertensive 2er bzw. einer 3er Kombination ein (61,8%, Tabelle 2 [Tab. 2]). Eine Monotherapie war nur bei 16,1% der älteren Hypertoniker ausreichend. 19,9% der Patienten nahmen mehr als 3 verschiedene Antihypertensiva ein.
  • Die am häufigsten verordneten Antihypertensiva (bei Entlassung) waren: ACEI/ARB (73,9%), Diuretika (73,3%) und Betablocker (59,8%).
  • Die in erster Linie empfohlenen Kalziumkanalblocker kamen nur bei 34,3% der Patienten zur Anwendung (Abbildung 1 [Abb. 1]). Die Diagnose „Herzinsuffizienz“ die als mögliche Kontraindikation für einen CCB angesehen werden könnte, lag bei 39/118 mit CCB (33%) und bei 94/223 Patienten ohne CCB vor (42,1%), sodaß hierin keine alleinige Erklärung für die zurückhaltende Verordnung zu finden ist.
  • Bei 91/341 (26,7%) wurde bei Entlassung kein Diuretikum, bei 71/341 (20,8%) mehr als ein Diuretikum verordnet.
  • 43,9 % hatten bei ihrer Entlassung ein low ceiling Diuretikum: HCT (ATC C03A) oder Indapamid, Butizid, Xipamid (ATC C03B). Bei 42,1% wurde ein high ceiling Diuretikum verschrieben: Furosemid, Torasemid (ATC C03C), Kaliumsparer (ATC C03D: Amilorid) bei 4,4% und Spironolacton bei 11,2%.
  • Bei 30 Patienten wurde > 40mg Furosemid/d dosiert und bei 5 > 10mg Torasemid (10,2% aller).
  • In der Subgruppe der Diabetiker wurden ACEI oder ARBs zu 70,9% verordnet, in der Subgruppe der Niereninsuffizienten zu 52,9%. In beiden Subgruppen die bevorzugt ACEI/ARBs erhalten sollten, also seltener als in der gesamten Kohorte (73,9%).
  • In der Subgruppe der KHK Patienten wurde ein Betablocker zu 57,6% verordnet (Gesamtkohorte 59,8%).
  • Die meisten Veränderungen zwischen Aufnahme und Entlassungmedikation wurden während des stationären Aufenthaltes bei den ACEI und den Betablockern vorgenommen (Abbildung 2 [Abb. 2]).
  • Zentral wirksame Antihypertensiva (ATC C02A: Clonidin, Rilmenidin, Moxonidin) kamen bei 10,4% aller Verordnungen zur Anwendung, @ Blocker (ATC C02C: Doxazosin, Urapidil) bei 9,7%. Bei 2,05% der Patienten wurden diese Reserve-Antihypertensiva als Erst- oder Zweitmedikament angewendet.

Schlussfolgerungen: In Kongruenz mit den Leitlinien zur Behandlung älterer Hypertoniker wurden die meisten dieser Patienten mit einer antihypertensiven 2er oder einer 3er Kombination behandelt (61,8%). Die am häufigsten verwendeten Antihypertensiva sind Hemmstoffe des Renin-Angiotensinsystems (73,9%), gefolgt von Diuretika (73,3%). Die in erster Linie empfohlenen low ceiling Diuretika wurden nur bei 43,9% angewendet, die weniger günstigen high ceiling Diuretika wurden fast ebenso häufig gegeben (42,1%). Auch die in erster Linie in den Leitlinien empfohlenen CCB werden zu viel selten verordnet (34,3%), ohne daß sich hierfür eine Begründung findet. Weitere Abweichungen von den Leitlinien fanden sich bei den Subgruppen mit KHK, Diabetes oder Herzinsuffizienz. Bei diesen Patienten fanden sich die empfohlenen Medikamente nicht häufiger als in der Gesamtpopulation.

Alte Hypertoniker wurden nicht konsequent nach den Leitlinien behandelt. Die Gründe hierfür könnten sein: a) daß die Empfehlungen nicht genügend bekannt sind oder b) dass im klinischen Alltag zu wenig zwischen alten und jüngeren Hypertonikern unterschieden wird oder c) daß sie, z.B. bei den CCB, als zu nebenwirkungsreich angesehen werden.