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EbM – ein Gewinn für die Arzt-Patient-Beziehung?
Forum Medizin 21
11. EbM-Jahrestagung

Paracelsus Medizinische Privatuniversität, Deutsches Netzwerk Evidenzbasierte Medizin e. V.

25.02. - 27.02.2010, Salzburg, Österreich

Zunahme von Polypharmazie und Abnahme von inappropriater Verschreibungen bei älteren internistischen Patienten während eines Krankenhausaufenthaltes

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Erika Prinz - PMU, Universitätsklinik für Innere Medizin II, Kardiologie und Internistische Intensivmedizin, Salzburg, Österreich
  • Christina Hofer-Dückelmann - Landesapotheke Salzburg, Österreich
  • Wolfgang Beindl - Landesapotheke Salzburg, Österreich
  • Max Pichler - PMU, Universitätsklinik für Innere Medizin II, Kardiologie und Internistische Intensivmedizin, Salzburg, Österreich
  • Jochen Schuler - PMU, Universitätsklinik für Innere Medizin II, Kardiologie und Internistische Intensivmedizin, Salzburg, Österreich

EbM – ein Gewinn für die Arzt-Patient-Beziehung?. Forum Medizin 21 der Paracelsus Medizinischen Privatuniversität & 11. EbM-Jahrestagung des Deutschen Netzwerks Evidenzbasierte Medizin. Salzburg, 25.-27.02.2010. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2010. Doc10ebm009

doi: 10.3205/10ebm009, urn:nbn:de:0183-10ebm0097

Published: February 22, 2010

© 2010 Prinz et al.
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Text

Hintergrund: Polypharmazie ist insbesondere bei älteren internistischen Patienten bedeutsam. Ein häufiger Grund für die Verordnung vieler Arzneimittel ist die Polymorbidität älterer Patienten. Mit steigendem Arzneimittelkonsum steigt auch das Risiko „inappropriater“ Verordnungen (Dosisverletzungen, Doppelverordnungen, Verordnung fraglich wirksamer oder überflüssiger Medikamente) sowie die Anzahl potentieller Wechselwirkungen, wodurch es zu einem häufigeren Auftreten von unerwünschten Arzneimittelwirkungen (UAW) kommen kann. Im Landeskrankenhaus Salzburg ist seit 4 Jahren eine AG Pharmakovigilanz tätig (klinische Pharmazeuten, Internisten), die sich intensiv mit dem Thema Vielverschreibung und Arzneimittelsicherheit beschäftigt und versucht, die Problematik verstärkt ins ärztliche Bewusstsein zu bringen.

In einer Vorgängerstudie wurde bei der stationären Aufnahme eine durchschnittliche Medikamentenanzahl von 7,5 pro Patient und eine hohe Prävalenz inappropriater Verordnungen sowie unerwünschter Arzneimittelwirkungen gefunden [1]. Diese Befunde spiegeln das ambulante Verordnungsverhalten wieder. Ziel der vorliegenden Analyse war es festzustellen, ob sich Quantität und Qualität der verordneten Medikamente im Laufe eines stationären Aufenthalts durch ein verbessertes Bewusstsein dieser Problematik gegenüber verändern.

Methodik: Monozentrische Kohortenstudie: Bei allen an der I. und II. Medizin stationär aufgenommenen Patienten ≥75 Jahre in einem Zeitraum von insgesamt 6 Monaten wurden die klinischen Daten aus der Krankengeschichte sowie die Aufnahme- und Entlassungsmedikamente (Interview bzw. aus der Krankengeschichte) erhoben und analysiert. Die Beurteilung der Medikation erfolgte wie vorbeschrieben [1] im Konsens (Klinischer Apotheker/in, Internist/in) auf der Grundlage einschlägiger Datenquellen [2], [3] (Medis™. PR-data Datenverarbeitungs- und Unternehmensberatungs GmbH, A-1190 Wien, Huschkagasse 10/9; http://www.wuv-gmbh.de/de/pages/abdata/db_interaktion.php ).

Ergebnisse: Insgesamt wurden 999 Patienten analysiert (Tabelle 1 [Tab. 1]). Die mittlere Medikamentenanzahl bei Aufnahme betrug 7,3 (m 6,8; f 7,7), bei Entlassung 8,0 Medikamente (m 7,9, f 8,1), was einem mittleren Zuwachs von 0,7 Medikamenten pro Patient und stationärem Aufenthalt entspricht. Die Veränderungen der wichtigsten Medikamentengruppen sind in Tabelle 2 [Tab. 2] dargestellt.

Die Medikamentenqualität nahm während des stationären Aufenthaltes insgesamt zu. Bedingt durch die grössere Anzahl an Medikamenten gab es mehr potentielle Wechselwirkungen. Dem steht gegenüber eine nennenswerte Reduktion von überflüssiger Medikamenten, inadäquaten Medikamenten, Dosisverletzungen und Doppelverordnungen Abbildung 1 [Abb. 1].

Schlussfolgerungen: In dieser Untersuchung konnte gezeigt werden, dass es bei multimorbiden internistischen Patienten während eines stationären Aufenthaltes zu einer weiteren Zunahme der verordneten Medikamentenanzahl und der Anzahl von potentiellen Wechselwirkungen kommt. Der Grund für die Zunahme an Verordnungen dürfte in erster Linie in der akuten Erkrankung bzw. einer Verschlechterung vorbestehender Erkrankungen zu finden sein, was zu einer Therapieeskalation führt.

Weiters zeigte sich aber auch eine Abnahme der Verordnungen inadäquater und überflüssiger Arzneimittel, eine Reduktion von Dosisverletzungen und Doppelverordnungen sowie von Medikamenten, die mit einem hohen UAW-Risiko assoziiert sind (NSAID, Psychopharmaka).

Wir werten diese Beobachtung als Indiz dafür, daß allein ein vermehrtes Problembewusstsein bei den behandelnden Ärzten die Verschreibungsqualität erhöhen kann. Ob dies in Konsequenz auch zu einer Vermeidung von unerwünschten Arzneimittelwirkungen führt, ist zum jetzigen Zeitpunkt ungewiß und sollte Gegenstand weiterer Studien sein.


Literatur

1.
Schuler J, Dückelmann C, Beindl W, Prinz E, Michalski T, Pichler M. Polypharmacy and inappropriate prescribing in elderly internal medicine patients in austria. Wi Kli Wo. 2008;120:733-741.
2.
Schwabe U. Umstrittene Arzneimittel. In: Schwabe U, Paffrath D, editors. Arzneiverordnungsreport 2007. Heidelberg: Springer Medizin Verlag; 2008. pp 23-27.
3.
Fick DM, Cooper JW, Wade WE, Waller JL, Maclean JR, Beers MH. Updating the Beers criteria for potentially inappropriate medication use in older adults. Arch Int Med. 2003;163:2716-2724.
4.
Stockley I, editor. Drug Interactions, 5th edn. London: Pharmaceutical Press; 2000.