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22nd International Congress of German Ophthalmic Surgeons

18. to 21.06.2009, Nürnberg

Lidrekonstruktion

Meeting Abstract

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  • C. Hintschich - Universitätsklinikum München, Augenklinik, München

22. Internationaler Kongress der Deutschen Ophthalmochirurgen. Nürnberg, 18.-21.06.2009. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2009. Doc09docH 2.3

doi: 10.3205/09doc010, urn:nbn:de:0183-09doc0104

Published: July 9, 2009

© 2009 Hintschich.
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Liddefekte können kongenital oder traumatisch bedingt sein, meistens jedoch treten sie in Folge von Tumorexzisionen auf. Eine Rekonstruktion von Lidstrukturen dient in erster Hinsicht der Wiederherstellung normaler Funktion, aber auch dem Komfort des Patienten und einem guten ästhetischen Erscheinungsbild.

Liddefekte können die vordere Lidlamelle (Haut und Muskelschicht), die hintere Lamelle (Konjunktiva und Tarsus) oder als durchgreifende Defekte sämtliche Schichten des Lides einschließlich der Lidkante betreffen. Bei ausgedehnten Defekten können zudem weitere Strukturen, wie die medialen und lateralen Lidwinkel, das orbitale Septum, die Lidretraktoren und orbitales Fettgewebe involviert sein.

Vor der Wahl eines adäquaten Rekonstruktionsverfahrens sollte die Analyse des Defektes stehen. Folgende Fragen sind zu klären: Wo liegt der Defekt? Welche Strukturen und Gewebe sind betroffen? Wie ist das Gewebe beschaffen? Wie ausgedehnt ist der Defekt?

Prinzipiell werden drei Möglichkeiten der Lidrekonstruktion unterschieden, die bei Bedarf auch miteinander kombiniert werden können. Es sind dies der direkte Wundverschluss, Verschiebelappenplastiken und freie Gewebetransplantate. Darüber hinaus besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Option, eine spontane Wundheilung („laissez faire“) zuzulassen.

Lidrekonstruktion

Für die Rekonstruktion eines Liddefektes stehen meist mehrere Techniken zur Auswahl, von denen die einfachste und dabei noch Erfolg versprechende gewählt werden sollte. Alter des Patienten, Beschaffenheit des Gewebes und Sehvermögen des Auges müssen berücksichtigt werden. Heute kommen Verfahren zum Einsatz, die Gewebe aus der unmittelbaren Umgebung des Defekts verwenden nach dem Leitsatz: „Lidgewebe ist der beste Lidersatz“. Hautdefekte werden soweit möglich primär, ggf. nach Unterminieren der umliegenden Haut, verschlossen. Der Verschluss sollte dabei immer möglichst vertikal erfolgen, d.h. Spannung darf nur in horizontaler Richtung entstehen, um Lidretraktion und Lagophthalmus zu vermeiden. Bei größeren Defekten (abhängig von Alter des Patienten und der Hautbeschaffenheit) werden die Defekte durch Schwenk- oder Verschiebelappen geschlossen, oder, wo dies nicht möglich ist, durch ein freies Hauttransplantat. Vorzugsweise verwenden wir Haut aus dem Oberlid, alternativ ist jedoch auch Haut von präaurikulär oder postaurikulär sehr gut geeignet. Defekte der hinteren Lidlamelle werden entsprechend durch Bindehautnaht, konjunktivale Lappenplastiken oder freie Transplantate versorgt.

Freie Transplantate

Bei Defekten der vorderen Lamelle kommen im Lidbereich vorzugsweise Vollhauttransplantate aus folgenden Entnahmegebieten zur Anwendung: 1. Oberlid, 2. Präaurikularregion, 3. Retroaurikularregion, 4. Oberarminnenseite, 5. Supraaurikulärregion. Spalthaut kommt nur in Ausnahmefällen und bei großen, nicht in unmittelbarer Nähe der Lidkanten zu versorgenden Defekten zur Anwendung.

Für die Wiederherstellung der hinteren Lamelle stehen autologe Mundschleimhauttransplantate aus dem Mundvorhof und der Wange, die relativ einfach zu entnehmen sind, zur Verfügung. Ein freies Transplantat aus dem harten Gaumen vereint eine höhere Stabilität mit einer glatten Oberfläche.

Durchgreifende Defekte

Durchgreifende Liddefekte mit Verlust beider Lidlamellen werden soweit als möglich durch eine primäre Lidkantennaht verschlossen, ggf. nach temporaler Kanthotomie. Dies gelingt bis zu einem Defekt von 1/3 der Lidkante problemlos. Am Oberlid ist die Primäradaptation auch bei sehr viel größeren Defekten von 50–60% möglich und führt nach anfänglich mechanischer Ptosis nach einigen Monaten zu sehr guten Ergebnissen.

Größere Lidkantendefekte werden durch eine „Sandwich-Technik“ wiederhergestellt. Hierbei werden vordere (Haut und Muskel) und hintere Lidlamelle (Tarsus und Bindehaut) ersetzt, wobei wenigstens eine Schicht vaskularisiert sein muss. Haut- und Haut-Muskellappen können mit frei transplantierter Mundschleimhaut, hartem Gaumen, Nasenknorpel oder freien Tarsal- und Tarsomarginaltransplantaten kombiniert werden, entsprechend auch konjunktivale oder tarsokonjunktivale Verschiebelappen mit freien Hauttransplantaten. Vor alloplastischen Materialien in den dünnen und filigranen Lidstrukturen muss gewarnt werden.

Bei zentral gelegenen Unterliddefekten mit einer Ausdehnung von 50–60% des Lides stellt die Bogenrotationsplastik nach Tenzel eine sichere und einfache Rekonstruktionmethode dar. Die Lidkantenreadaption wird ermöglicht durch Mobilisation des temporalen Lidwinkels und Präparation eines halbkreisförmigen Haut-/Muskellappens temporal und oberhalb des äußeren Lidwinkels, der in Richtung des Unterliddefektes verschoben wird. Der Bogen wird annähernd halbkreisförmig angelegt – vertikal eher höher als horizontal breit – und nicht zu knapp bemessen. Der horizontale Durchmesser sollte ungefähr das Doppelte der Defektbreite betragen. Es folgt die Mobilisation des gesamten Haut-/Muskellappens nach Durchtrennung des unteren Arms des temporalen Lidbändchens und der Tarsorbitalfaszie, teilweise auch der Bindehaut. Bei der Wiederherstellung des temporalen Lidwinkels ist auf eine Fixierung des neu gebildeten temporalen Unterlids mit den festen Strukturen des intakten oberen Lidbändchens bzw. des Periostes zu achten, da sonst ein Absinken des äußeren Unterlids droht.

Die Methode der Bogenverschiebeplastik lässt sich auch für die Rekonstruktion von Oberliddefekten einsetzen. Entsprechend wird der Bogen dann in Richtung Unterlid/Wange präpariert.

Bei größeren Defekten kommen die tarsokonjunktivale Verschiebeplastik n. Hughes, freie Tarsomarginaltransplantate n. Hübner oder auch die Brückenplastik n. Cutler-Beard zum Einsatz, sämtlich Methoden, die regionales Lidgewebe zur Rekonstruktion verwenden.

Tarsokonjunktivaler Verschiebelappen (HUGHES)

Indikation: Subtotaler, nicht zu tiefer Unterlidverlust durch alle Schichten (ca. 50–90% d. Lidkante)

Prinzip: Schichtweise Rekonstruktion des Unterlids durch einen gestielten tarsokonjunktivalen Verschiebelappen des ipsilaterelen Oberlids (bindehautgestielte oberen Hälfte des Tarsus) als hintere Lamelle und einem freien Hauttransplantat als vordere Lamelle. Nach 4–6 Wochen erfolgen die Öffnung mittels Durchtrennung des Verschiebelappens und damit die Wiederherstellung der Unterlidkante. Die Methode ist sicher, kann jedoch nicht am einzig sehenden Auge durchgeführt werden. Zu typischen Komplikationen zählen eine Bindehauthyperplasie mit gerötetem Lidrand, Stufenbildung in der Lidkante, Trichiasis, Lanugobehaarung, Unterliderschlaffung, Ektropium. Zur Vermeidung von am Oberlidretraktion und –entropium muss bei der Präparation des tarsokonjunktivalen Lappens am Oberlid wenigstens 4 mm Tarsus stehen bleiben und der Müllersche Muskel muss vollständig vom Tarsus abgelöst werden.

Laissez-faire

Liegt der Defekt in Höhe der horizontalen Lidachse mit annähernd gleich großen Anteilen ober- und unterhalb dieser Achse, kann der Defekt zur spontanen Granulation und Epithelisierung belassen werden. In Abhängigkeit der Defektgröße kann dies bis zu mehreren Wochen in Anspruch nehmen. Als Nachteil findet sich selbst bei guter Lidstellung häufig eine pergamentartig verdünnte und oberflächlich vaskularisierte Hautoberfläche. Lidkantendefekte im Lidkantenniveau können immer zur spontanen Abheilung belassen werden.

Komplikationen nach Defektrekonstruktion

Was tun? Mit dem Patienten über die aufgetreten Probleme sprechen, ihn beruhigen und in das weitere Vorgehen einbeziehen. Bei postoperativer Erosio der Hornhaut sorgfältig nach eventuell scheuernden Nähten suchen und diese entfernen. Bei Wunddehiszens lockere Fäden entfernen, eventuell antientzündliche und abschwellende konservative Behandlung vor Revision durchführen. Mit Korrekturen auf die vollständige Vernarbung, wenigstens 6 Monate warteten („Tinktur der Zeit”). Die Zeit mit intensiver Massage nutzen (kortikosteroidhaltige Salbe zu Beginn, dann einfache Hautcreme).

Was nicht tun! Überstürzte und verfrühte Revisionsoperationen durchführen, soweit nicht das Auge unmittelbar gefährdet ist. Ödematöses, eingeblutetes und infiziertes Gewebe stellt eine schlechte Voraussetzung für die erfolgreiche Revisionsoperation dar.