gms | German Medical Science

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Prozessevaluation der Implementierung einer Arbeitshilfe für die Versorgung von Menschen mit schwerer Demenz in der Altenhilfe

Meeting Abstract

  • Yvonne Eisenmann - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Holger Schmidt - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Raymond Voltz - Universitätsklinikum Köln, Köln, Germany
  • Klaus Maria Perrar - Uniklinik Köln, Köln, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP163

doi: 10.3205/17dkvf396, urn:nbn:de:0183-17dkvf3962

Published: September 26, 2017

© 2017 Eisenmann et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund: Menschen mit schwerer Demenz am Lebensende sind von vielfältigen physischen und psychischen Einschränkungen betroffen. Durch ihre eingeschränkten verbalen Kommunikationsmöglichkeiten können sie sich kaum oder nicht mehr zu ihren Bedürfnissen und Wünschen äußern. Dies führt zu einem erschwerten Zugang zu ihrer Bedürfniswelt und zur Notwendigkeit einer sensiblen Begleitung. Ausgehend davon wurde eine Arbeitshilfe für die Altenhilfe entwickelt. Diese soll Versorgende unterstützen, die Bedürfnisse von Menschen mit schwerer Demenz in der letzten Lebensphase zu erkennen und diesen zu begegnen.

Fragestellung: Ziel der Studie ist die Implementierung der Arbeitshilfe in die Versorgungpraxis der ambulanten und stationären Altenhilfe und die Entwicklung einer entsprechenden Verfahrensanleitung. Folgenden Fragestellungen soll mit einer formativen Evaluation nachgegangen werden:

  • Welche Voraussetzungen und welche Begleitung des Prozesses zur Implementierung der Arbeitshilfe sind notwendig?
  • Was sind förderliche und hemmende Faktoren für die Implementierung?

Methode:

Studiendesign: Die formative Evaluation der Implementierung folgte überwiegend einem qualitativen Ansatz mit quantitativen Anteilen. Im Rahmen einer Einführungsveranstaltung wurde die Arbeitshilfe den Versorgenden vorgestellt. Im Anschluss wendeten sie die Arbeitshilfe für ca. 8 Wochen an und führten dabei Bedürfnisanalysen von Menschen mit schwerer Demenz durch.

Datenerhebung: Mittels Fragebögen wurden zur Einführung der Arbeitshilfe Items zum Belastungserleben, Skalen zum Handlungsspielraum und zur Veränderungsmüdigkeit der Versorgenden (Fragebogen 1), sowie eine Bewertung nach Anwendung der Arbeitshilfe (Fragebogen 2) erhoben. Der begleitende telefonische Austausch und weitere Kontakte mit den Einrichtungen wurden dokumentiert. Des Weiteren wurden Fokusgruppen mit Versorgenden zu ihren Anwendungserfahrungen durchgeführt. Mögliche Wirkungen auf die Menschen mit schwerer Demenz wurden mittels der Bedürfnisanalysen erhoben. Zur Anpassung der Verfahrensanleitung an die Praxisanforderungen diente ein Evaluations-Workshop mit den teilnehmenden Einrichtungen.

Auswertung: Die qualitativen Daten wurden inhaltsanalytisch ausgewertet, weiterhin erfolgte eine überwiegend deskriptive Analyse der quantitativen Daten.

Ergebnisse: Aktuell konnte die Arbeitshilfe in 6 stationären und 5 ambulanten Einrichtungen der Altenhilfe eingeführt werden. 7 Fokusgruppen wurden geführt mit insgesamt 48 Versorgenden. 53 Mitarbeitende beantworteten Fragebogen 1 und 14 Mitarbeitende Fragebogen 2. Das Belastungserleben der Versorgenden war gering ausgeprägt, sie hatten einen mittleren bis hohen Handlungsspielraum und eine geringe Veränderungsmüdigkeit. Die Bewertung der Arbeitshilfe fiel positiv aus. 18 Bedürfnisanalysen von Menschen mit schwerer Demenz wurden erstellt. Dabei wurde die Erfüllung zuvor unerfüllter Bedürfnisse der Betroffenen sichtbar.

Positiv für den Implementierungsprozess wirkten sich u.a. das Vorhandensein einer Schlüsselperson, zur Moderation des Prozesses innerhalb der Einrichtung, und die Möglichkeit zur Auseinandersetzung mit der Arbeitshilfe während der Arbeitszeit aus. Die Erstanwendung erforderte zeitliche und personale Ressourcen.

Die Versorgenden berichteten eine Sensibilisierung für die Bedürfnisse von Menschen mit schwerer Demenz und die Vorteile der individuellen Betrachtung dieser. Der vermehrte Austausch im Team ermöglichte eine umfassendere Kenntnis des einzelnen Betroffenen.

Diskussion: Die Arbeitshilfe unterstützt die Versorgenden im Prozess der Bedürfniserkennung und der Gestaltung einer personenzentrierten Versorgung. Versorgende erhalten Unterstützung zur bedürfnisorientieren Versorgung, dem Erkennen und Erfüllen von Bedürfnissen von Menschen mit schwerer Demenz. Die Arbeitshilfe kann so zur Steigerung der Lebensqualität von Menschen mit schwerer Demenz und zur Verringerung von Unsicherheiten der Versorgenden beitragen.

Praktische Implikationen: Die Arbeitshilfe unterstützt die personenzentrierte Versorgung für Menschen mit schwerer Demenz. In einem nächsten Schritt können die Wirkungen auf die Betroffenen und die Versorgenden in der breiten Anwendung erfasst werden. Zur Verbreitung und Etablierung der Arbeitshilfe erscheint die Entwicklung eines Multiplikatoren-Konzeptes zur Implementierung sinnvoll.