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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Wissen und Prädiktoren für die Bereitschaft und die Qualität der Durchführung einer Laienreanimation (kardiopulmonalen Reanimation (CPR)) durch Jugendliche von 14 bis 18 Jahren

Meeting Abstract

  • Sibel Altin - Institut für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie (IGKE), Köln, Germany
  • Kristina Lorrek - Institut für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie (IGKE), Köln, Germany
  • Marcus Redaelli - Institut für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie (IGKE), Köln, Germany
  • Charlotte Herbold - Institut für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie (IGKE), Köln, Germany
  • Sabine Wingen - Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin Universitätsklinikum Köln (AöR), Köln, Germany
  • Bernd Böttiger - Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin Universitätsklinikum Köln (AöR), Köln, Germany
  • Stephanie Stock - Institut für Gesundheitsökonomie und klinische Epidemiologie (IGKE), Köln, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP136

doi: 10.3205/17dkvf384, urn:nbn:de:0183-17dkvf3841

Published: September 26, 2017

© 2017 Altin et al.
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Text

Hintergrund: In Deutschland versterben jährlich mindestens 80.000 Menschen am plötzlichen Herz-Kreislaufstillstand. Obwohl bei rund 47% aller Fälle Familienmitglieder oder Freunde in der Nähe sind, führen nur ca. 34% aller anwesenden Personen eine CPR durch. Eine frühzeitige CPR erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine erfolgreiche Wiederbelebung um den Faktor 2-4. Gründe für das Nichtdurchführen einer Laienreanimation sind Angst, die Herz-Lungen-Wiederbelebung nicht richtig auszuführen, den Patienten zu verletzen (z.B. durch Rippenbrüche) oder sich mit einer Erkrankung anzustecken.

Fragestellung: Ziel des Projektes war es theoretisches Wissen und praktische Fertigkeiten von Jugendlichen zur CPR zu erheben sowie Prädiktoren für die Bereitschaft eine CPR durchzuführen und die Qualität der CPR zu eruieren.

Methode: Im Rahmen einer randomisiert-kontrollierten Studie wurden zwischen Mai und September 2015 insgesamt 604 Jugendliche im Alter von 14 bis 18 Jahren an 4 weiterführenden Schulen in einer westdeutschen Großstadt rekrutiert. Die Teilnahme war freiwillig. Die Teilnehmer wurden in einer 90-minütigen Schulung durch erfahrene Fachkräfte in theoretischen und praktischen Fertigkeiten in CPR geschult. Die erlernten Fertigkeiten wurden dabei mittels OSCE (objective structured clinical examination) überprüft. Vor und 6 Monate nach der Schulung wurden eine schriftliche Befragung sowie eine praktische Übung zur Erhebung des theoretischen und praktischen Wissens der Jugendlichen durchgeführt. In der Befragung wurden zusätzlich Wissen, Zuversicht und Bereitschaft eine CPR durchzuführen erhoben. Die praktischen Schlüsselkompetenzen zur Durchführung der CPR wurden mittels OSCE erhoben. Die Bewertung erfolgte durch trainierte und erfahrene Prüfer. Die statistische Auswertung bezüglich des Wissens erfolgte mittels deskriptiver Statistik. Der Zusammenhang zwischen soziodemographischen Variablen und theoretischem Wissen wurde mittels einfaktorieller Varianzanalyse (ANOVA) geprüft. Die Berechnung des Einflusses der Prädiktoren auf die Bereitschaft eine CPR durchzuführen wurde mit einer logistischen Regression durchgeführt. Es wurden drei (additive) Modelle mit unterschiedlichen unabhängigen Variablen gerechnet. Als Bestimmtheitsmaß für die Varianz der Modelle wurde Nagelkerkes R² gewählt, die Güte der Modelle wurde mit dem Hosmer-Lemeshow-Test bestimmt. Einflussfaktoren für die Effektivität der CPR durch die Jugendlichen wurden mittels hierarchischem linearen Modell eruiert. Das statistische Signifikanzniveau wurde für alle Modelle mit α=0,05 festgelegt.

Ergebnisse: Rund ein Drittel der Jugendlichen sind 14 oder 15 Jahre alt. Es wurden etwas mehr männliche (51%) als weibliche (49%) Jugendliche eingeschlossen. Je ca. ein Drittel der Jugendlichen besuchten eine Realschule oder ein Gymnasium. Ein gutes Drittel der Jugendlichen hatte einen Migrationshintergrund. Weniger als die Hälfte (40,6%) hatten bereits einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert. Das Wissen zur CPR korrelierte signifikant mit Alter, Schulform und Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs (jeweils p<0,001). Zu beachten sind allerdings signifikante Unterschiede in der Verteilung der Altersgruppen zwischen den Schulformen. Prädiktoren für die Bereitschaft eine CPR durchzuführen sind Geschlecht, Schulform, subjektive Einschätzung der Kenntnisse und Fertigkeiten eine CPR durchzuführen. Stärkster Prädiktor ist die subjektive Zuversicht über genügend Wissen zur Durchführung einer CPR zu verfügen (OR 2,809; KI:1,551-5,086; p<0,001). Prädiktoren für die Effektivität der CPR sind Schulform, Wissen, Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs sowie die Bereitschaft eine CPR durchzuführen. Den stärksten Einfluss auf die Durchführungsqualität der CPR hat die vorhergehende Teilnahme an einem Erste-Hilfe-Kurs.

Diskussion: Diese Studie beschreibt das Wissen und die Prädiktoren für die Bereitschaft eine CPR durchzuführen sowie für die Qualität der durchgeführten CPR bei Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren. Das Wissen zur CPR ist bei den Jugendlichen über alle Schulformen und Altersklasse nicht in ausreichendem Maß vorhanden, variiert aber mit Alter, Geschlecht und Schulform. Die wichtigsten Prädiktoren für die Bereitschaft zur Durchführung einer CPR (Wissen, subjektive Zuversicht über genügend Wissen zur Durchführung einer CPR zu verfügen) können aufgrund internationaler Studienlage durch geeignete Schulungsformate positiv beeinflusst werden.

Praktische Implikationen: Die Daten dieser Studie weisen darauf hin, dass ein flächendeckendes Angebot an CPR unter Berücksichtigung der entsprechenden Prädiktoren in den Schulen geschaffen werden sollte. Ein frühzeitiges Heranführen an eine CPR baut Ängste ab und schafft Selbstvertrauen für eine erfolgreiche CPR unter Realbedingungen für Schülerinnen und Schüler aller Schulformen.