gms | German Medical Science

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Ein Gesundheitszentrum im ländlichen Raum: Aufbau und Verstetigung eines wirtschaftlich tragfähigen, interdisziplinären und zivilgesellschaftlichen Wertschöpfungsnetzwerkes im Quartier

Meeting Abstract

  • Susanne Frewer-Graumann - Institut für Gerontologie an der TU Dortmund, Dortmund, Germany
  • Andrea Kuhlmann - Institut für Gerontologie an der TU Dortmund, Dortmund, Germany
  • Stephanie Lechtenfeld - Institut für Gerontologie an der TU Dortmund, Dortmund, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP129

doi: 10.3205/17dkvf377, urn:nbn:de:0183-17dkvf3773

Published: September 26, 2017

© 2017 Frewer-Graumann et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund: Die zunehmende Anzahl (hoch-)betagter Patient/innen fragt neben einer alter(n)sgerechten medizinischen Behandlung weitere Maßnahmen nach, die eine selbstständige Lebensführung unterstützen und Teilhabe, Gesundheit und Lebensqualität im Alter fördern. Die Gestaltung einer demografiesensiblen, präventiven und wohnortnahen gesundheitlichen Versorgung stellt besonders im strukturschwachen, ländlichen Raum eine Herausforderung dar. Um hier die gesundheitliche Versorgung zu gewährleisten, wird der Aufbau eines multifunktionalen Gesundheitszentrums (GZ) erprobt. Zentrale Aufgabe ist dabei die systematische Kombination folgender Bausteine, die konzeptionell ausgestaltet, in ihrem Zusammenwirken erprobt und über ein integriertes Betriebskonzept miteinander verzahnt werden.

  • Entwicklung und Erprobung eines nachhaltigen Betriebskonzeptes für einen „Filialbetrieb“ professioneller Dienstleister (unter Einbindung nichtärztlicher Praxisassistenzen) sowie für gendergerechte und altersdifferenzierte Angebote der Prävention, Gesundheitsförderung und -bildung in einem GZ im ländlichen Raum.
  • Koordination und Begleitung der Erprobung des „Filialbetriebs“ und der Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention.
  • Entwicklung eines Schulungs- und Erprobungskonzeptes für „Ehrenamtliche Gesundheitsbegleiter/innen“, die ältere Nutzer/innen bei Maßnahmen der Verhaltensprävention und einer geplanten Lebensstiländerung unterstützen.
  • Förderung gesunder Quartiersentwicklung (Verhältnisprävention) durch Unterstützung der Angebots- und Strukturentwicklung sowie der Zusammenarbeit der lokalen Akteure (gesundheitsförderndes Netzwerk).

Fragestellung: Übergeordnete Fragestellung: Wie kann die gesundheitliche Versorgung für die (ältere) Bevölkerung in ländlichen Quartieren sichergestellt werden?

  • Was sind Gelingensfaktoren und Hemmnisse bei der Verzahnung professioneller Dienstleistungsanbieter mit zivilgesellschaftlichen Ressourcen im GZ?
  • Wie können Professionelle und Ehrenamtliche für die Angebote des GZ gewonnen werden?
  • Welche Anforderungen stellen Bürger/innen an die Angebote des GZ und an ehrenamtliche Gesundheitsbegleiter?
  • Wie kann es gelingen, (ältere) Bürger/innen in die Entwicklungsarbeiten für das GZ einzubeziehen, die an „klassischen“ Partizipationsmethoden i.d.R. nicht teilnehmen?

Methode: Zur Analyse der Ausgangssituation erfolgt zunächst eine Bedarfsanalyse aus Sicht potenzieller (älterer) Nutzer/innen des GZ. Es wird eine Kombination von Desk-Research und Einsatz qualitativer und quantitativer Erhebungsmethoden gewählt, um bedarfs- und gendergerechte Angebote zu erarbeiten. Dabei wird ein Fokus auf vulnerable, gesundheitlich stark belastete Gruppen gelegt, u.a. pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz und Menschen mit niedrigen sozioökonomischen Status. Einer partizipativen Forschungsstrategie folgend werden zielgruppenspezifische Partizipationsmethoden (weiter-)entwickelt und ältere Bürger/innen sowie relevante lokale Akteure in unterschiedlichem Ausmaß beteiligt.

Ergebnisse: Erste Auswertungen der Nutzerbefragung verdeutlichen die Bedeutung der hausärztlichen Versorgung für die Bürger/innen. Allerdings zeigen sie auch, dass vulnerable Gruppen in diesem Meinungsbild eher selten vertreten sind. Die partizipative Entwicklung der Angebote des GZ erfordert daher den Einsatz zielgruppenspezifischer Methoden. Dazu werden u.a. vorhandene ländliche Strukturen (Vereine, Sportgruppen etc.) und Angebote der Gesundheitswirtschaft (Apotheken, Pflegedienste) sowie die neu zu entwickelnden ehrenamtlichen Gesundheitsbegleiter („peers“) als „gate keeper“ genutzt, um einen möglichst hohen Grad an Akzeptanz und Beteiligung für Angebote des GZ zu erreichen.

Diskussion: Die Beteiligung vulnerabler (älterer) Nutzergruppen, die am meisten von Angeboten des GZ profitieren können, an der Planung des GZ erweist sich als Herausforderung. Vulnerable Gruppen nutzen gängige Partizipationsmethoden eher selten, so dass hier methodische und methodologische Weiterentwicklungen nötig sind. Der Einbezug der gesamten Bürgerschaft ist für die Akzeptanz und die Nutzung des GZ jedoch von elementarer Bedeutung, um eine bedarfsgerechte gesundheitliche Versorgung in ländlichen Gebieten sicherzustellen.

Praktische Implikationen: Der Aufbau und die Verstetigung eines GZ im ländlichen und strukturschwachen Raum zur Sicherung der Gesundheitsförderung ist ein wichtiges Thema. Das geplante Konzept kann auf andere Regionen im Sinne des Franchise-Gedanken übernommen werden. Damit könnte es gelingen, einen nachhaltigen Beitrag zur gesundheitlichen Versorgung in ländlichen Regionen zu leisten.