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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Schmerztherapeutische Versorgung in Deutschland – was unterscheidet ambulante und stationäre Patienten zu Behandlungsbeginn?

Meeting Abstract

  • Michael Hüppe - Universität zu Lübeck, Lübeck, Germany
  • Sarah Kükenshöner - Universität zu Lübeck, Lübeck, Germany
  • Florian Bosse - Schmerzzentrum Kassel, Kassel, Germany
  • Hans-Raimund Casser - DRK Schmerz-Zentrum Mainz, Mainz, Germany
  • Thomas Kohlmann - Universität Greifswald, Greifswald, Germany
  • Gabriele Lindena - CLARA Klinische und Versorgungsforschung, Kleinmachnow, Germany
  • Michael Pfingsten - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Germany
  • Bernd Nagel - DRK Schmerz-Zentrum Mainz, Mainz, Germany
  • Frank Petzke - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP184

doi: 10.3205/17dkvf374, urn:nbn:de:0183-17dkvf3743

Published: September 26, 2017

© 2017 Hüppe et al.
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Text

Hintergrund: Der Vergleich ambulant und stationär versorgter Schmerzpatienten hinsichtlich schmerzbezogener und psychischer Merkmale war bislang noch nicht Gegenstand systematischer Analysen. Die KErnDOkumentation und Qualitätssicherung in der Schmerztherapie (KEDOQ-Schmerz) ist ein von der Deutschen Schmerzgesellschaft initiiertes Projekt zur einheitlichen Dokumentation der in Schmerzeinrichtungen versorgten Patienten. KEDOQ-Schmerz ermöglicht die Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Einrichtungen. Damit wird zum einen eine externe Qualitätssicherung für spezialisierte Schmerztherapie realisiert, zum zweiten bietet sich die Möglichkeit für versorgungswissenschaftliche Auswertungen. Und schließlich ist eine sektorenspezifische Charakterisierung von Patienten mit Schmerzerkrankungen möglich [1].

Fragestellung: In welchen sozialen, schmerzbezogenen und psychischen Merkmalen unterscheiden sich Patienten, die einer stationären oder ambulanten schmerztherapeutischen Behandlung zugeführt werden und wie ausgeprägt sind die Unterschiede?

Methode: KEDOQ-Schmerz-Daten aus 25 Zentren mit insgesamt 8.953 Patienten wurden 2017 ausgewertet. Die Patienten hatten den Deutschen Schmerzfragebogen zwischen Januar 2012 und März 2017 ausgefüllt und erhielten ein ambulantes (n=4.082) oder stationäres (n=3.607) schmerztherapeutisches Versorgungsangebot. Ausgewertet wurden soziodemographische, schmerzbezogene und psychometrische Daten des DSF (SF-12; DASS; MFHW) sowie Arztangaben zum Schmerzchronifizierungsstadium und zur Schmerzlokalisation. Die Auswertung erfolgte deskriptiv und gruppenvergleichend mit uni- und multivariaten Verfahren.

Ergebnisse: Stationär behandelte Patienten waren signifikant älter, hatten häufiger mehr als eine Schmerzlokalisation, berichteten stärkere Schmerzen und hatten häufiger das MPSS-Stadium III. Sie beschrieben signifikant schlechtere körperliche und psychische gesundheitsbezogene Lebensqualität (SF-12), hatten im DASS signifikant höhere Depressions-, Angst- und Stresswerte sowie schlechteres habituelles Wohlbefinden (MFHW). Die Ausprägung der signifikanten Gruppenunterschiede war sehr gering. In der multivariaten Analyse zur Vorhersage des stationären Behandlungssettings wurden die meisten klinischen Prädiktoren signifikant, durch sie wurde aber weniger als 5% Varianz aufgeklärt.

Diskussion: Die Auswertungen sprechen dafür, dass generell in schmerztherapeutischen Einrichtungen Patienten mit hoher Schmerzchronifizierung und hoher schmerzbedingter Belastung und Therapievorerfahrungen behandelt werden. Die Unterschiede der Patientenmerkmale zwischen den Behandlungssettings sind größtenteils klinisch bedeutungslos. Klinische Merkmale erklären nicht die Zuordnung zu einem ambulanten oder stationären Behandlungssetting.

Praktische Implikationen: Das sektorenübergreifende Qualitätssicherungssystem KEDOQ-Schmerz wird von der Deutschen Schmerzgesellschaft empfohlen und findet zunehmend Verbreitung. KEDOQ-Schmerz ist geeignet, um versorgungswissenschaftliche Fragestellungen zu beantworten. Unsere Auswertung einer größeren Patientengruppe zeigt einen auffällig hohen Anteil an Patienten mit höchstem Schmerzchronifizierungsstadium. Das kann ein Hinweis sein, dass die Behandlung hoch-schmerzchronifizierter Patienten zunimmt. Dies fordert eine hohe fachliche Kompetenz des multidisziplinären Behandlungsteams sowohl im ambulanten als auch im stationären Sektor.


Literatur

1.
Casser HR, Hüppe M, Kohlmann T, et al. Deutscher Schmerzfragebogen (DSF) und standardisierte Dokumentation mit KEDOQ-Schmerz. Schmerz. 2012;26:168-175.