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Einfluss soziodemographischer Charakteristika auf die Verweildauer, Erkrankungsschwere und soziale Unterstützung von Patienten einer operativen Intensivstation
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Published: | September 26, 2017 |
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Hintergrund: Ein niedriger sozioökonomischer Status (SES) ist bei kardiovaskulären Erkrankungen, malignen Tumoren und nach schweren Traumen mit einer höheren Mortalität assoziiert. Neben dem SES können weitere soziodemographische Faktoren wie Geschlecht, Versichertenstatus oder Wohnortgröße die Erkrankungsschwere und Behandlungsdauer im Rahmen einer intensivmedizinischen Behandlung beeinflussen. In der ECSSTASI-Studie wurden diese Parameter erstmalig prospektiv in Deutschland erfasst [1].
Fragestellung: Wie sind die soziodemographischen Charakteristika von Patienten einer operativen Intensivstation mit Erkrankungsschwere, Verweildauer, Beatmung und sozialer Unterstützung durch Angehörige assoziiert?
Material und Methoden: Im Rahmen der ECSSTASI-Studie wurde das Patientenkollektiv einer operativen Intensivstation über 12 Monate rekrutiert und bezüglich des SES untersucht. Eine zusätzliche Analyse befasste sich mit dem Einfluss von Geschlecht, Versichertenstatus, Haushaltsgröße, Staatsangehörigkeit und Wohnortgröße auf die Erkrankungsschwere (Sequential Organ Failure Assessment Score [SOFA-Score]), die Intensivbehandlungs-(≥5 Tage) und Beatmungsdauer (28 Ventilator-free days Score [28-VFDS]) sowie das Ausmaß sozialer Unterstützung durch Angehörige (Häufigkeit von Besuchen >0,5 pro Tag). Nach Zustimmung durch die Ethikkommission wurden 996 Intensivpatienten eingeschlossen. Die Datenerhebung erfolgte mittels Datenextraktion aus dem Patientendaten-Managementsystem (MetaVision®) sowie strukturierten Patienten- bzw. Angehörigeninterviews. Es wurden multivariate adjustierte Regressionsanalysen durchgeführt. Wir berichten Odds Ratios mit 95% Konfidenzintervallen.
Ergebnisse: Das Durchschnittsalter der untersuchten Kohorte betrug 62 Jahre, 64% der Patienten waren männlich, der mittlere Body Mass Index (BMI) war erhöht (BMI 26,2 kg/m²). Bei Aufnahme auf die Intensivstation war der Schweregrad der Erkrankung (SOFA-Score>5) bei Frauen signifikant geringer (OR: 0,62 [0,45-0,87]). Eine steigende Wohnortgröße der Patienten war mit einer signifikant kürzeren Behandlungsdauer auf der Intensivstation verknüpft (p=0,019) im Vergleich zu kleinen Wohnorten. Eine steigende Anzahl von Personen im Haushalt bedeutete ein signifikant erhöhtes Risiko, länger beatmet zu werden (28-VFDS <22: p = 0.028) im Vergleich zu 1-Personen-Haushalten. Privatversicherte Patienten (OR 1,87 [1,28-2,70]), Patienten aus Haushalten mit ≥4 Personen (OR: 1,92 [1,1-3,33]) und Patienten ohne deutsche Staatsbürgerschaft (OR: 2,56 [1,39- 4,55]) wurden signifikant häufiger besucht.
Diskussion: Neben dem SES sind soziodemographische Merkmale mit dem Behandlungsverlauf in der Intensivmedizin assoziiert. Das Ausmaß sozialer Unterstützung durch Angehörige hängt von individuellen Patientenmerkmalen ab.
Praktische Implikationen: Eine weitergehende und wertende epidemiologische Analyse dieser Befunde ist erforderlich. Weiterführende prospektive Studien zum Einfluss soziodemographischer Charakteristika auf die intensivmedizinische Behandlung sind notwendig.