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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Positiver Langzeit-Einfluss einer komplementärmedizinischen pflegebasierten Intervention auf die Lebensqualität bei Krebspatientinnen unter Chemotherapie – Ergebnisse aus der randomisiert-kontrollierten CONGO-Interventionsstudie

Meeting Abstract

  • Nadja Klafke - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Cornelia Mahler - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Lorenz Uhlmann - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Cornelia von Hagens - Universitätsfrauenklinik Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Martina Bentner - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Andreas Schneeweiss - Nationales Zentrum für Tumorerkrankungen Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Andreas Müller - Städtisches Klinikum Karlsruhe, Karlsruhe, Germany
  • Joachim Szecsenyi - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Stefanie Joos - Universitätsklinikum Tübingen, Tübingen, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP153

doi: 10.3205/17dkvf340, urn:nbn:de:0183-17dkvf3401

Published: September 26, 2017

© 2017 Klafke et al.
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Text

Hintergrund: Onkologische Behandlungen sind häufig mit starken Begleiterscheinungen verbunden, unter denen Patienten sowohl während als auch nach Abschluss der Therapie leiden. Möglichkeiten zur Symptomlinderung und Steigerung der Lebensqualität versprechen sich Patienten durch Methoden aus dem Bereich der Komplementärmedizin (KM), wobei es für einige dieser Maßnahmen auch positive Evidenz gibt (z.B. Akupressur, Aromatherapie). Für die systematische Implementierung dieser Maßnahmen in onkologische Tageskliniken fehlen bislang Ergebnisse aus randomisiert-kontrollierten Studien im entsprechenden Versorgungssetting. Vor diesem Hintergrund wurde die CONGO (Complementary Nursing in Gynecologic Oncology)-Studie mit einer begleitenden Prozessevaluation durchgeführt.

Fragestellung: Auf Basis der verfügbaren Literatur und den Erfahrungen der teilnehmenden Pflegekräfte wurde eine komplexe komplementärmedizinische pflegebasierte Intervention entwickelt, bestehend aus 3 Komponenten: 1) KM-Pflegemaßnahmen, 2) ressourcenorientierte Beratung 3) KM-Informationsmaterial. Diese wurde in zwei unterschiedlichen onkologischen Versorgungssettings (Nationales Centrum für Tumorerkrankungen Heidelberg, Städtisches Klinikum Karlsruhe) implementiert. Primäres Ziel war es, den Nutzen dieser Intervention bei Patientinnen mit gynäkologischen Tumoren unter Chemotherapie (CHT) hinsichtlich ihrer Lebensqualität (QoL) im Vergleich zur Routineversorgung zu untersuchen.

Methode: Insgesamt 251 Patientinnen mit den Diagnosen Brustkrebs und anderen gynäkologischen Tumoren (z.B. Ovarial-Ca) wurden vor Beginn ihrer CHT randomisiert in die Studie eingeschlossen.

Patientinnen der Interventionsgruppe (IG) erhielten die o.g. Intervention durch speziell geschulte Pflegefachkräfte. An der Routineversorgung der Patientinnen aus der Kontrollgruppe (KG) wurde nichts verändert. Die gesundheitsbezogene QoL wurde mit dem EORTC-QLQ-C30 wöchentlich während der gesamten CHT (max. 24 Wochen) im Patiententagebuch erhoben. Zusätzlich fand eine Erhebung von anderen patientenrelevanten Outcomes (PROs) wie z.B. Fatigue, Übelkeit, Schmerz, Ängstlichkeit/Depression, Selbstwirksamkeit, Patientenkompetenz zu den Messzeitpunkten T1 (Beginn der CHT), T2 (Mitte der CHT), T3 (Ende der CHT) und zum follow-up T4 (6 Monate nach der CHT) mit validierten Instrumenten statt. Ergänzend wurden gesundheitsökonomische und prozessanalytische Daten erhoben, letztere um Barrieren und/oder förderliche Faktoren für die Implementierung zu identifizieren und die quantitativen Ergebnisse ggf. besser interpretieren zu können. Die quantitativen Daten wurden mithilfe gemischter linearer Modelle über den Zeitverlauf untersucht.

Ergebnisse: Insgesamt konnten Daten von 231 Patientinnen für die ITT-Analyse verwendet werden. Die Mehrheit des Samples hatte eine positive Grundeinstellung zu KM, jedoch hatten die IG-Patientinnen mehr Vorerfahrung mit diesen Methoden. Das Gesamtsample hatte einen Altersdurchschnitt von 52.2 ± 11.9 Jahren, 84.2% wurde wegen Brustkrebs und 15.8% wurde aufgrund anderer gynäkologischer Tumorerkrankungen behandelt. 85.9% der Patientinnen wurden kurativ versorgt.

Zum Zeitpunkt T3 (primäre Analyse) war kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden Gruppen bzgl. der Lebensqualität zu sehen. Jedoch zeigte sich ein signifikanter Gruppenunterschied zum Zeitpunkt T4 (sekundäre Analyse) mit höheren Werten in der IG (p < 0.0095). Auch bei den anderen Symptom- und Funktionsbereichen des EORTC-QLQ-C30 finden sich keine Gruppenunterschiede zum Zeitpunkt T3, jedoch zeigen sich auch hier im follow-up wieder signifikante Unterschiede. Patientinnen in der IG leiden signifikant weniger an Fatigue (p < 0.03) und Atemnot (p < 0.048) und fühlen sich insgesamt emotional besser (p < 0.011). In weiteren Analysen wurden außerdem die Zusammenhänge zwischen der QoL und den EORTC-Subskalen untersucht. Es zeigten sich teilweise starke Abhängigkeiten. Weitere quantitative wie auch prozessanalytischen Analysen werden derzeit durchgeführt.

Diskussion: Die getestete supportivtherapeutische Intervention besitzt das Potential, die Lebensqualität nach einer Tumorbehandlung bei Krebspatientinnen auf längere Sicht signifikant zu verbessern. Überraschend ist, dass sich der Effekt erst im follow-up nachweisen lässt. Der zeitweise Rückgang der QoL zu T3 könnte darauf zurückzuführen sein, dass die Patientinnen über den langen Zeitraum der CHT zu oft mit der QoL-Thematik konfrontiert wurden und sich dieses in einer Veränderung des Bewertungshintergrundes (response shift) niederschlug.

Praktische Implikationen: Komplementärmedizinische Beratung und Anwendungen können die Supportivtherapie bei onkologischen Patienten unterstützen und wirken langfristig positiv bei den Patienten nach. Um eine qualitativ hochwertige und umfassende Versorgung in onkologischen Zentren zu gewährleisten, sollten onkologische Pflegekräfte komplementärmedizinische Therapieansätze kennen und diese bedarfsgerecht in den Versorgungsalltag integrieren.