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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Informations- und Hilfsangebote: Empfehlungen von Ärzten und Nutzung durch Melanom-Patienten

Meeting Abstract

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  • Julia Brütting - Medizinische Fakultät Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden, Dresden, Germany
  • Maike Bergmann - Universitätsklinikum Dresden, Dresden, Germany
  • Friedegund Meier - Universitätsklinikum Dresden, Dresden, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP151

doi: 10.3205/17dkvf338, urn:nbn:de:0183-17dkvf3383

Published: September 26, 2017

© 2017 Brütting et al.
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Hintergrund: Melanom-Patienten (MP) haben einen hohen indikationsbezogenen Informationsbedarf, dem häufig nicht adäquat entsprochen werden kann. Zumeist sind begrenzte zeitliche Ressourcen im Arzt-Patienten-Gespräch (APG) oder Diskrepanzen in der Kommunikation zwischen Arzt und Patient Gründe für Informationsdefizite. Krebspatienten nutzen deshalb, vor oder über das APG hinaus, weitere Informationsquellen. In der S3-Leitlinie Melanom wird zudem geraten, das APG durch die Nutzung von geeignetem Informationsmaterial zu unterstützen oder den Patienten geeignete Angebote für die Information in Eigeninitiative zu empfehlen.

Fragestellung: Vergleich der Empfehlungen von Informations- und Hilfsangeboten durch Ärzte und die Nutzung solcher durch MP.

Methode: In einer multizentrischen Querschnittsstudie, an 27 durch die Deutsche Krebsgesellschaft zertifizierten Hauttumorzentren, wurde zwischen Juli und Oktober 2016 eine Befragung unter MP zu ihrem Informationsbedarf und -verhalten durchgeführt. Parallel dazu wurden auch die Ärzte zertifizierter Hauttumorzentren im Rahmen eines Online-Surveys zu Empfehlungen von Informations- und Hilfsangeboten im APG befragt. Ergebnisse der deskriptiven Datenauswertung beider Befragungen werden vorgestellt.

Ergebnisse: Bei einer Rücklaufquote von 54% konnten die Angaben von insgesamt 529 MP (44% weiblich, 61% > 55 Jahre, 67% mit Metastasierung) ausgewertet werden. An der Ärztebefragung beteiligten sich 90 Ärzte und Ärztinnen (61% weiblich, 49% < 40 Jahre, 76% Facharzt). 58% der befragten MP gaben an, sich Hinweise zu verlässlichen Informations- und Hilfsangeboten durch ihren Arzt zu wünschen und 91% der Ärzte gaben an, solche im APG zu empfehlen. Mit wiederum 91% werden am häufigsten Patientenbroschüren empfohlen, gefolgt von Selbsthilfegruppen (58%) und Krebsberatungsstellen (48%). Auf das Internet wird mit 23% vergleichsweise selten verwiesen. Als konkrete Angebote wurden am häufigsten der Blaue Ratgeber Hautkrebs (40%; Deutsche Krebshilfe), Der schwarze Hautkrebs (14%; MSD) und die Patientenleitlinie Melanom (11%; AWMF) genannt. 63% der MP nannten das Internet und 58% Patientenbroschüren als ihre erst- oder zweitwichtigste mediale Informationsquelle (IQ). Unter diesen Medien ist den MP mit 43% der Blaue Ratgeber am bekanntesten, gefolgt von der Patientenleitlinie (24%) und dem Online-Angebot http://www.hautkrebs-screening.de/ (23%). Über 90% der befragten MP gaben jedoch an, die Angebote von Selbsthilfegruppen und Krebsberatungsstellen gar nicht zu nutzen.

Diskussion: Der Arzt als Vermittler von verlässlichen Informations- und Hilfsangeboten spielt für MP eine zentrale Rolle, die die überwiegende Mehrheit der befragten Mediziner auch wahrnimmt. Die Versorgung mit schriftlichen Patienteninformationen ist dabei am stärksten etabliert. Offensichtlich besteht jedoch eine Diskrepanz zwischen Empfehlungen und Nutzung anderer Angebotsformen. Während die meisten MP als mediale IQ das Internet nutzen, werden konkrete Online-Angebote eher selten durch die Ärzte empfohlen. Fraglich ist hingegen, warum die Angebote von Selbsthilfegruppen und Krebsberatungsstellen durch MP sehr selten in Anspruch genommen werden, während eine Kontaktaufnahme durch betreuende Ärzte doch recht häufig empfohlen wird.

Praktische Implikationen: Da das Internet als IQ für MP weiter an Bedeutung gewinnt, besteht auf ärztlicher Seite Optimierungsbedarf hinsichtlich der Empfehlungen verlässlicher Online-IQ. Das Informationsangebot im Internet ist jedoch schnelllebig und unübersichtlich und macht eine systematische Bestandsaufnahme sowie qualitative Evaluation erforderlich, deren Resultate für Ärzte und Patienten zugänglich sein sollten. Des Weiteren besteht Untersuchungsbedarf zur Diskrepanz zwischen den ärztlichen Empfehlungen und der Nutzung der Angebote von Selbsthilfegruppen und Krebsberatungs-stellen durch MP. Beide Institutionsformen leisten zur Unterstützung anderer Krebspatienten sowie deren Angehöriger (z.B. psychische, finanzielle und rechtliche Beratung, Erfahrungsaustausch, Krankheitsbewältigung) einen großen Beitrag und sollten auch stärker in die Versorgungsstrukturen von MP eingebunden werden.