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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Architektur und Methoden des Greifswalder Modells eines forschungsunterstützenden Klinischen Arbeitsplatzsystems (KAS+)

Meeting Abstract

  • Thomas Bahls - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Greifswald, Germany
  • Kai Fitzer - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Greifswald, Germany
  • Robert Gött - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Greifswald, Germany
  • Eric Harder - Universitätsmedizin Greifswald, Institut für Community Medicine, Greifswald, Germany
  • Wolfgang Hoffmann - Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP023

doi: 10.3205/17dkvf285, urn:nbn:de:0183-17dkvf2851

Published: September 26, 2017

© 2017 Bahls et al.
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Text

Hintergrund: Im Zuge der Erneuerung des Klinischen Arbeitsplatzsystems der Universitätsmedizin Greifswald (UMG) ist auf Initiative der IT-Strategiekommission und in enger Abstimmung mit dem Vorstand der UMG das KAS+ Projekt initiiert worden, welches das Ziel verfolgt, Versorgung und Forschung auf Basis einer erneuerten, integrierten Infrastruktur zu verbinden. So sollen Behandlungsdaten für Forschungszwecke erschlossen, klinische Abläufe optimiert und gleichzeitig Forschungsvorhaben wie bspw. die Durchführung Klinischer Studien vereinfacht werden. Neben der Extraktion von Daten aus einer Vielzahl klinischer Systeme und einem Transfer dieser Daten in eine einheitliche Forschungs-Patientenakte hinein sind hohe Anforderungen einer technischen Systemintegration umzusetzen.

Fragestellung: Die aktuelle Systemlandschaft im Umfeld der Krankenhaus-IT wird bestimmt durch eine Vielzahl von Systemen, die teils nicht vernetzt sind, als Insellösungen betrieben oder in verschiedener Art und Weise für die Dokumentation genutzt werden. Ein Beispiel hierfür ist die Arztbriefschreibung der einzelnen Einrichtungen des Klinikums. Durch die vorherrschende Sicht auf einen konkreten Behandlungsfall werden nicht alle Möglichkeiten zur Optimierung der Versorgung ausgeschöpft, die durch gesamtheitliche Betrachtung einer Patientenakte bestünden. Ein Beispiel hierfür sind bildgebende Doppeluntersuchungen. Das KAS+ Projekt stellt einen Infrastrukturansatz vor, der nachnutzbare Lösungen hierfür beschreibt.

Methode: Im KAS+ Projekte wird eine strategische Entwicklungspartnerschaft mit drei Industriepartnern umgesetzt, in deren Zuge die Hersteller der Teilplattformen Versorgung (TP-V; MCC, Fa. Meierhofer AG) und Forschung (TP-F; CentraXX, Kairos GmbH) eng zusammenarbeiten. Die UMG hat hierzu eine integrierende Zielarchitektur definiert. Bestandssysteme wie SAP IS-H oder Swisslab werden mit den neuen Komponenten in optimierter Weise verbunden.

Ergebnisse: Nach einjähriger Implementierungszeit konnten im Zuge einer EFRE-Prüfung erste Ergebnisse in Form von 6 Use Cases praktisch demonstriert werden. Die Durchführung von Studien ist in die klinische Routine integriert. Das anwenderseitige Wechseln von Fenstern, Programmen oder Bildschirmen wird konsequent vermieden. Es besteht zudem die Möglichkeit, Studien ausschließlich in der forschungsseitigen Plattform durchzuführen. Die Systemintegration wird maßgeblich bestimmt von (1) der automatisierten Überführung klinisch erfasster Daten in die TP-F, (2) dem Abgleich aktueller Studiendefinitionen zwischen TP-F und TP-V, (3) der transparenten Einblendung von Formularen im versorgungsseitigen System sowie (4) der Umsetzung systemübergreifender Workflows. Die Anforderungen des Datenschutzes sind durch eine technisch und organisatorisch separierte Treuhandstelle auf Basis der MOSAIC-Werkzeuge (mosaic-greifswald.de) für das Identitäts-, Einwilligungs- und Pseudonym-Management berücksichtigt. Als systemübergreifender Workflow ist ein „Fallzahlschätzer“ auf der Forschungs-Patientenakte umgesetzt, der mit der Hinterlegung von Rekrutierungsvorschlägen im versorgungsseitigen System verbunden werden kann.

Diskussion: Der Use Case „Fallzahlschätzer“/Rekrutierungsvorschlag hat sich bereits vor Produktivstart des KAS+ in Diskussionen mit klinisch tätigem Personal als hilfreich und relevant erwiesen. Die angestrebte Rückwirkungsfreiheit auf Abrechnung und Betrieb der klinischen Systeme erfordert die Trennung der Datenbestände und die möglichst automatisierte Überführung klinisch erhobener Daten in den Forschungsdatenbestand. Folgerichtig war hierzu die Erweiterung des Identitätsmanagements um die Möglichkeit, mehrere klinisch verschiedene Identitäten forschungsseitig zusammenzufassen und zwischen beiden „Welten“ wechseln zu können. Die Nutzung offener Standardformate wie XML oder Mechanismen wie REST/JSON hat sich bewährt, die Umsetzung der Gesamtarchitektur auf Basis von IHE erweist sich „aus dem Stand“ als zu großer Schritt. Der KAS+ Ansatz bildet die Basis für die Schaffung des Greifswalder Datenintegrationszentrums im share-it! Konsortium der BMBF-Förderinitiative Medizininformatik.

Praktische Implikationen: Besonders in Hinblick auf die erforderliche Anpassung am Markt etablierter Klinischer Arbeitsplatzsysteme ist die feste Verankerung tradierter Abläufe, Sicht- und Denkweisen sowohl bei Herstellern wie auch Kunden zu berücksichtigen. In enger strategischer Abstimmung der beteiligten Partner können die bestehenden Chancen dennoch zum wechselseitigen Nutzen technisch umgesetzt werden. Es ist zu erwarten, dass der Integration forschungsseitiger Bedarfe mit versorgungsseitigen Systemen zukünftig eine entscheidendere Rolle im Markt der Klinischen Arbeitsplatzsysteme zukommt.