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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Brieffreundschaften unter Vertragsärzten: Kann anhand von Routinedaten auf die Intensität ärztlicher Kommunikation geschlossen werden?

Meeting Abstract

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  • Frank Ng - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung, Berlin, Germany
  • Thomas Czihal - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, Germany
  • Dominik von Stillfried - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland, Berlin, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP015

doi: 10.3205/17dkvf278, urn:nbn:de:0183-17dkvf2786

Published: September 26, 2017

© 2017 Ng et al.
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Hintergrund: In der ambulanten Versorgung nehmen die meisten Patienten mehrere Ärzte in Anspruch. Durch den medizinischen Fortschritt nimmt die Arbeitsteilung zu. Der Austausch von Patienteninformationen zwischen Medizinern spielt daher eine wichtige Rolle. Allerdings bestimmen die Patienten durch ihre Arztwahl, welche Ärzte miteinander kommunizieren sollten; oftmals ist den behandelnden Ärzten aber nicht bekannt, welche weiteren Ärzte in Anspruch genommen wurden. Die Komplexität der potenziell erforderlichen Kommunikationserfordernisse kann anhand von Netzstrukturen abgebildet werden, die durch die Inanspruchnahme entstehen. Die tatsächlich stattgefundene Kommunikation kann der für die Informationsübermittlung per Post oder Telefax abgerechneten Portopauschalen (künftig Emailpauschale) approximiert werden. Umfang und Entwicklung der Abrechnung der Portopauschalen als mögliches Maß der innerärztlichen Kommunikation stellen wir in dieser Untersuchung vor.

Fragestellung: Ziel der Studie ist zu untersuchen, wie oft die Kostenpauschalen für die Versendung von Briefen bzw. Telefax (Portopauschale) im Zeitraum von 2011 bis 2015 abgerechnet wurden. Darüber hinaus wird analysiert, ob es regionale oder fachgruppenspezifische Unterschiede bei der Leistungshäufigkeit dieser Pauschalen gibt. Ein besonderes Augenmerk wird auf die Veränderung zum Jahr 2013 gelegt, da in diesem Jahr die Praxisgebühr abgeschafft wurde, die bei Erstinanspruchnahme ohne Überweisung zu zahlen war.

Methode: Datengrundlage sind die bundesweiten vertragsärztlichen Abrechnungsdaten aller gesetzlichen Krankenversicherten der Jahre 2011 bis 2015. Betrachtet werden die Leistungen 40120, 40122, 40124 und 40126 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes. Dies sind die Abrechnungsziffern der Kostenpauschalen für die Versendung von Briefen bzw. Telefax. Leistungshäufigkeiten und Leistungsentwicklung werden zunächst nach Fachgruppen und KV-Bereichen, im zweiten Schritt jeweils für virtuelle Arztnetze ermittelt. Die methodischen Grundlage zur Bildung der virtuellen Arztnetze finden sich bei von Stillfried/Czihal (2014)[1]. Es ist geplant, den Zusammenhang zwischen der Ausprägung bestimmter Indikatoren der Prozessqualität je virtuellem Arztnetz (Versorgungsgemeinschaft) und dem Umfang und der Entwicklung der Portopauschalen mittels Regressionsverfahren zu analysieren.

Ergebnisse: Kostenpauschalen wurden im Jahr 2015 rd. 137 Mio. mal abgerechnet. Bei fachgruppenspezifischer Betrachtung hat die Fachgruppe Innere Medizin mit 15,12% den höchsten Anteil. Die Fachgruppe Pathologie hat mit 0,05% den geringsten Anteil.

Bundesweit wurden im Jahr 2015 für rd. 56% aller behandelten Patienten eine Portoleistung abgerechnet. Am höchsten ist der Anteil an Patienten mit Portoleistung in Mecklenburg-Vorpommern (58,4%), in Hamburg (36,6%) am niedrigsten.

Die Häufigkeit der Portopauschalen steigt von 2011 bis 2015 bundesweit um rd. 5%; nur zwischen 2012 und 2013 ist ein Rückgang um 0,4% zu beobachten. Über den Gesamtzeitraum wurde die höchste Zunahme in Berlin (38,8%), der größte Rückgang in Baden-Württemberg (-5,6%) beobachtet. Bei fachgruppenspezifischer Betrachtung zeigte sich der stärkste Anstieg bei den Neurologen (29,3%), der stärkste Rückgang bei den Pathologen (-84,0%). In 2013 fällt der Rückgang im Saarland (-4,6%) am deutlichsten aus; in Berlin hingegen wurde ein Anstieg um 17,4% beobachtet.

Die Analyse auf Ebene der Versorgungsgemeinschaften zeigt, dass unterhalb der Regions- bzw. Fachgruppenebene große Unterschiede bestehen. Während in einigen Versorgungsgemeinschaften für nahezu alle Patienten innerhalb eines Jahres mindestens einmal eine Portopauschale abgerechnet wird, werden diese in anderen fast gar nicht abgerechnet.

Diskussion: Die Analyse zeigt den Mindestumfang schriftlicher Kommunikation innerhalb der vertragsärztlichen Versorgung, da dem Patienten mitgegebene Briefe nicht einfließen. Analysen von Portoleistungen könnten insoweit eine Diskussionsbasis zur Bedeutung der schriftlichen Kommunikation zwischen Vertragsärzten, etwa im Rahmen von Qualitätszirkeln liefern. Mit im Durchschnitt 2 Briefen pro Jahr und Patient scheint die Kommunikation hoch, weist jedoch große Unterschiede nach Regionen, Fachgruppen und Versorgungsgemeinschaften auf. Die Bedeutung dieser Kommunikation für die Prozessqualität bleibt zu zeigen; Anhaltspunkte dafür könnte die enorme Heterogenität der Kommunikationsintensität zwischen den Versorgungsgemeinschaften liefern.


Literatur

1.
Von Stillfried DG, Czihal T. Welchen Beitrag liefern funktional definierte Populationen zur Erklärung regionaler Unterschiede in der medizinischen Versorgung? Bundesgesundheitsblatt Gesundheitsforschung Gesundheitsschutz. 2014 Feb; 57(2):197-206.