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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Versorgungsforschungsanalyse Oberfranken – Verordnung von Arzneimitteln in der Netzwerkstruktur am Beispiel des fortgeschrittenen Prostata-CA

Meeting Abstract

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  • Matthias J. Kaiser - Universität Bayreuth, Bayreuth, Germany
  • Jana Heinrich - Universität Bayreuth, Bayreuth, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP005

doi: 10.3205/17dkvf268, urn:nbn:de:0183-17dkvf2682

Published: September 26, 2017

© 2017 Kaiser et al.
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Hintergrund: Kerngegenstand dieser Forschungsarbeit ist es, Community-Einflüsse eines Therapienetzwerks in der Urologie / Onkologie zu erfassen. Besonders die Wahl von Arzneimitteltherapien bzw. die Prozessanalyse von Entscheidungsfindung und Verordnungskriterien in der Netzwerkstruktur steht dabei im Fokus dieser Arbeit. In diesem Zusammenhang wurde das Anwendungsbeispiel des metastasierenden, kastrationsresistenten Prostata-Karzinoms (ICD-Code: C61) gewählt. Zum einen kann dies durch einen vergleichsweise hohen Anteil an Fällen in Regionen von Oberfranken begründet werden. Zum anderen stehen laut S3 Leitlinie verschiedene, (gleichwertige) Therapieoptionen und deren Kombinationsmöglichkeiten zur Verfügung. Diese Heterogenität zwischen der wissenschaftlich gestützten Vorgehensweise und patientenindividuellen Bedürfnissen wirkt sich auf die Umsetzung dieser Leitlinie seitens der jeweiligen Fachärzte (Urologen, Onkologen) aus. Verschiedene (regionale) Partner aus dem Bereich der Gesundheitsinstitutionen und der Ärzteschaft haben daher ein Interesse an der Beforschung dieser Thematik und unterstützen diese Studie aktiv.

Fragestellung: Welche (Netzwerk-)Faktoren nehmen Einfluss auf die Entscheidung des Behandlers, was die beste Sequenz der Interventionen für den Patienten in der Therapie des metastasierenden, kastrationsresistenten Prostata-Karzinoms in der Netzwerkstruktur in Oberfranken ist?

Methode: Grundlage dieser explorativen Erhebung stellt eine Literaturanalyse und insbesondere die Basispublikation von A. Donabedian (1988) dar. Der Autor versteht die Qualität medizinischer Versorgung als Ringe einer Zielscheibe, in dessen Zentrum der Leistungsanbieter (der Arzt) steht. Neben der Güte der fachtechnischen Betreuung spielen vor allem interpersonale Beziehungen eine wesentliche Rolle, welche daher zentraler Gegenstand diese Forschungsarbeit sind. Um relevante Entscheider, Entscheidungskriterien bzgl. der Therapiewahl im Untersuchungsbeispiel zu identifizieren, wurde – angelehnt an die Basisquelle – ein Konzept für die qualitative Befragung von Netzwerkmitgliedern des Tumorzentrums, niedergelassenen / stationären Urologen und Onkologen in Oberfranken aufgestellt. Eine Spiegelung anhand KV- und GKV-Daten der in den Tiefeninterviews wahrgenommenen Realität ist intendiert. Auch existente Krebsregisterdaten werden dazu genutzt, um Versorgungsdefizite zu identifizieren.

Ergebnisse: Eine erste Machbarkeitsstudie hat ergeben, dass insbesondere niedergelassene Urologen in Oberfranken mit der Therapie des metastasierten, kastrationsresistenten Prostata-Karzinoms betraut sind. Stationäre Einrichtungen spielen eher eine untergeordnete Rolle. Die Netzwerkstruktur, die durch das Tumorzentrum Oberfranken vorhanden sein sollte, erweist sich als sehr komplex, so dass Key Opinion Leader und Multiplikatoren unter den Ärzten identifiziert wurden, die bei der Erforschung der Therapie ihr Netzwerk zur Unterstützung beisteuern – ebenso wie das Krebsregister mit den meldenden Ärzten. Der Einfluss des Netzwerks und die darin erfolgenden Kommunikationen erfolgen vielfältig (Qualitätszirkel, Tumorboards, persönliche Kontakte, Projektgruppen des Tumorzentrums etc.) und werden in den nächsten Monaten weiter beforscht.

Diskussion: Limitationen dieser Arbeit liegen vor allem in der starken Eingrenzung des Anwendungsbeispiels (metastasierendes, kastrationsresistentes Prostatakarzinom). Folglich ist es schwierig, Ergebnisse zu generalisieren und auf andere Regionen oder Erkrankungen zu übertragen. Da es sich um eine laufende Arbeit im Bereich der primären Versorgungsforschung handelt, sind weitere Schritte geplant. So soll ein Datenabgleich mit Routinedaten der KV Bayern erfolgen – zudem wird der Vergleich mit einer Referenzregion in Betracht gezogen. In Folgestudien könnte eine Überprüfung der Ergebnisse für andere Indikationen erfolgen.

Praktische Implikationen: Leitlinien haben die Aufgabe, den Arzt bei den Therapieentscheidungen zu unterstützen. Dennoch sind viele der Therapievorschläge nicht für alle Patienten gleichermaßen sinnvoll anwendbar oder eindeutig formuliert. Für die Herleitungen einer Behandlungsstrategie werden jedoch konkrete Informationen über eine Therapie benötigt. Implikationen dieser Evaluation sind daher, den Netzwerkeinfluss auf die Therapiewahl abzubilden, Komplexität zu reduzieren und die Verordnungssicherheit in der Entscheidungsfindung zu fördern. Weiterhin werden Entscheidungsfaktoren identifiziert, um die Therapiewahl verständlicher zu machen. Die Ergebnisse können so nicht nur prospektiv in ein breiter angelegtes Folgeprojekt einfließen, sondern auch zur Verbesserung der medizinischen Versorgung („Best-Practice“) im konkreten Anwendungsbeispiel und darüber hinaus zum Wissensaustausch innerhalb von Netzwerken genutzt werden.