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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Sozioökonomische Benachteiligung in der Schwangerschaft – Screening-Empfehlungen in evidenzbasierten Leitlinien

Meeting Abstract

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  • Katharina Rosian - Ludwig Boltzmann Institut für Health Technology Assessment, Wien, Austria

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP063

doi: 10.3205/17dkvf222, urn:nbn:de:0183-17dkvf2221

Published: September 26, 2017

© 2017 Rosian.
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Hintergrund: Im Jahr 2015 waren 18,3% der österreichischen Gesamtbevölkerung armuts- oder ausgrenzungsgefährdet – davon waren rund 211.000 Frauen im Alter von 20-39 Jahren betroffen (20%). Internationale Studien berichten, dass Armut zu einem erhöhten Risiko für Komplikationen und Pathologien in der Schwangerschaft führen kann und Kinder, die in Armut aufwachsen häufig langfristig schlechtere Gesundheits-Outcomes aufweisen.

Fragestellung: Welche Screening-Empfehlungen lassen sich hinsichtlich sozioökonomischer Benachteiligung aus internationalen evidenzbasierten Leitlinien für die Schwangerschaft ableiten?

Methode: Zur Identifizierung rezenter Leitlinien (2011-2016) wurde eine umfassende Handsuche in den Guideline-Datenbanken NGC (National Guideline Clearinghouse) und GIN (Guidelines International Network) durchgeführt. Diese wurde durch eine Handsuche nach Übersichtsarbeiten und Primärstudien in PubMed ergänzt.

Ergebnisse: Zum aktuellen Zeitpunkt konnte keine evidenzbasierte Leitlinie zum Screening auf Armut in der Schwangerschaft identifiziert werden. In 2 Leitlinien, der britischen NICE (National Institute for Health and Clinical Excellence) Guideline „Pregnancy and complex social factors“, sowie der australischen AHMAC (Australian Health Ministers’ Advisory Council) Guideline „Antenatal Care“, wird die sozioökonomische Benachteiligung im Rahmen der Schwangerenbetreuung thematisiert. Die Empfehlung der AHMAC lautet, dass eine Schwangerschaftsvorsorge allen Schwangeren angeboten werden sollte. Darüber hinaus soll ein individueller Ansatz dabei helfen, spezifisch auf sozioökonomische Faktoren zu achten und diese in die Routine-Untersuchungen miteinzubeziehen. NICE empfiehlt in seiner Guideline, betroffene Frauen zu unterstützen, damit eine adäquate pränatale Versorgung gewährleistet werden kann. Des Weiteren definiert NICE Kriterien, welche zur Identifizierung Schwangerer mit von der Routine abweichendem Betreuungsbedarf dienen. Die einzige zusätzlich identifizierte Studie entwickelte und testete ein Tool zur Identifikation von Armut betroffener PatientInnen im niedergelassenen Bereich. Die AutorInnen der kanadischen Pilotstudie kamen zum Schluss, dass die definierten Fragen dabei halfen, im Rahmen der Anamnese sozioökonomisch benachteiligte Personen zu identifizieren.

Diskussion: Es konnte keine spezifische Leitlinie zum Screening auf Armut identifiziert und damit auch keine empfohlenen Screening-Instrumente benannt werden. Dass armutsgefährdete bzw. von Armut betroffene Schwangere jedoch eine wichtige Risikogruppe darstellen, wird zumindest in zwei Leitlinien zur Schwangerenbetreuung thematisiert. Laut AutorInnen der kanadischen Pilotstudie gilt die dort entwickelte Screening-Methode als einfach umsetzbar, da nur einzelne Fragen in die psychosoziale Anamnese integriert werden müssten.

Praktische Implikationen: Durch den erwiesenen Zusammenhang von Armut und Gesundheitsgefährdung ist sozioökonomisch benachteiligten Schwangeren besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Einen hohen Stellenwert hat dabei die Erforschung von nicht-stigmatisierenden Instrumenten, welche gefährdete Frauen identifizieren können. Zusätzlich ist neben gesellschaftspolitischen Maßnahmen dafür zu sorgen, dass niederschwellige Angebote für sozioökonomisch-benachteiligte Frauen und deren Kinder verfügbar sind.