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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Evaluation einer komplexen Intervention zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit bei Kindern in der ambulanten und stationären Versorgung

Meeting Abstract

  • Freia De Bock - Universitätsmedizin Mainz, Mannheim, Germany
  • Antje Neubert - Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Germany
  • Harald Binder - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany
  • Susanne Singer - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany
  • Marlene Hechtner - Universitätsmedizin Mainz, Heidelberg, Germany
  • Veronika Weyer-Elberich - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany
  • Jochem König - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany
  • Wolfgang Rascher - Universitätsklinikum Erlangen, Erlangen, Germany
  • Matthias Schwab - Institut für klinische Pharmakologie, Stuttgart, Germany
  • Michael S. Urschitz - Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP233a

doi: 10.3205/17dkvf180, urn:nbn:de:0183-17dkvf1803

Published: September 26, 2017

© 2017 De Bock et al.
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Text

Hintergrund: Internationale Studien und auch die deutsche KiGGS-Studie zeigen, dass ca. 30% der ambulant bei Kindern verschriebenen Arzneimittel außerhalb der Zulassung eingesetzt werden (sog. „off-label use“). „Off-label“ Anwendungen, fehlende altersgerechte Darreichungsformen, komplexe Dosisberechnungen und unbekannte Wechselwirkungen erhöhen bei Kindern das Risiko für Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) und Medikationsfehler (MF). Das im Rahmen des Innovationsfonds „Neue Versorgungsformen“ geförderte Projekt KidSafe zielt darauf ab, durch Einführung eines Kinderarzneimittel-Informationssystems (PaedAMIS, Modul 1) in Kombination mit Qualitätszirkeln (PaedZirk, Modul 2) und einem UAW Meldesystem (PaedReport, Modul 3) die Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit Arzneimitteln zu verbessern indem das Risiko für UAW/MF reduziert wird. Alle drei Module werden im Rahmen des Projektes in 12 regionalen Clustern bestehend aus jeweils einer Kinderklinik und umliegenden Arztpraxen implementiert.

Fragestellung: Das vorgestellte Projekt evaluiert über die Kombination von quantitativen und qualitativen Methoden, inwiefern die komplexe Intervention wie geplant implementiert werden konnte und ob sie die Inzidenz von UAW/MF in beiden Settings relevant senken kann.

Methode: Die Evaluation nutzt ein cluster-randomisiertes Cross-Over-Design mit 2 Sequenzen und gestuftem Interventionsbeginn in den regionalen Clustern (sog. Stepped-Wedge Design). Dabei werden Cluster mit früherem Interventionsbeginn mit Clustern mit späterem Interventionsbeginn verglichen. Die Phase vor Einführung der Intervention entspricht also der Kontrollphase. Der primäre Endpunkt ist die Inzidenz von UAW/MF, die eine stationäre Aufnahme nach sich ziehen (ambulantes Setting) bzw. die Inzidenz von UAW/MF während eines stationären Aufenthaltes (stationäres Setting). Sekundäre Outcomes sind u.a. Implementierungsaufwand, Handlungsrelevanz, direkte Krankenhauskosten, Nutzungsbereitschaft, Nutzungshäufigkeit, Nutzerzufriedenheit und Barrieren, die die Nutzung erschweren. Eine durch Mixed Methods gestützte Prozessevaluation wird erlauben, den Implementierungsgrad sowie Erfolgsfaktoren für die Implementierung zu identifizieren. Für die quantitative Analyse werden hierarchische statistische Modelle für Inzidenzen unter Berücksichtigung der Cluster-Struktur herangezogen. Sekundäre Analysen bestehen aus einem Vergleich mit gematchten Nicht-UAW/MF-Fällen aus Sekundärdaten sowie einer Kostenprojektion für die Implementierung. Die qualitative Analyse nutzt leitfadengestützte Interviews zur Erfassung von Akzeptanz, Barrieren und Zufriedenheit.

Ergebnisse: Das Projekt startet am 1. Mai 2017. Vorgestellt wird zum Zeitpunkt des Kongresses das Studiendesign und das Evaluationskonzept. Im Frühjahr 2018 wird die Datenerhebung in den Settings beginnen. Die ersten Ergebnisse zur Basisrate der Inzidenz von UAW/MF in den jeweiligen Settings werden frühestens Ende 2018 vorliegen. Erwartet wird, dass 1) das Interventionsinstrumentarium von den Akteuren in den Versorgungsystemen angenommen und adäquat genutzt wird und 2) durch die Intervention die Inzidenz von UAW/MF bzw. die damit assoziierten stationären Aufnahmen bei Kindern über einen Interventionszeitraum von mindestens 6 Monaten um 33% gesenkt werden kann.

Diskussion: KidSafe ist das erste große bundesweite Projekt, das die Versorgungsqualität der Arzneimitteltherapie bei Kindern und Jugendlichen durch Schulung und wissensbasierter IT-Unterstützung zu verbessern sucht.

Praktische Implikationen: Sollte ein positiver Effekt auf die festgelegten Endpunkte durch die Intervention erzielt werden können und die Kosten-Nutzen-Abwägung positiv ausfallen, ist eine flächendeckende bundesweite Implementierung der Intervention in kinderärztlichen Praxen und Kinderkliniken zu empfehlen.