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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Optimierung der Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Psychotherapeuten: Eine Studie zur Implementierung von Videokonsultationen (PROVIDE)

Meeting Abstract

  • Markus W. Haun - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Mariell Hoffmann - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Michel Wensing - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Mechthild Hartmann - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany
  • Wolfgang Herzog - Universitätsklinikum Heidelberg, Heidelberg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP250

doi: 10.3205/17dkvf171, urn:nbn:de:0183-17dkvf1712

Published: September 26, 2017

© 2017 Haun et al.
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Text

Hintergrund: Die große Mehrzahl der Menschen, die unter einer psychischen Störung leiden, wird ausschließlich in der Hausarztpraxis behandelt. Die im Rahmen des Aktionsplans Versorgungsforschung geförderte BMBF-Nachwuchsgruppe PROVIDE hat daher zum Ziel, die psychosoziale Versorgung von Patienten mit depressiven und/oder Angststörungen in der Hausarztpraxis zu verbessern. Angesichts der steigenden Zahl an multimorbiden Menschen mit psychischen Störungen, die keine adäquate Behandlung bekommen, sind innovative Versorgungsformen vonnöten. Unter dem Begriff integrated behavioral health in primary care hat sich die Behandlung von psychischen Störungen durch Psychotherapeuten in der Hausarztpraxis (im Sinne eines Konsildienst-Modells) als eine effektive Form der Breitenversorgung erwiesen. Allerdings ist dieses Versorgungsmodell in kleinen und ländlichen Praxen ressourcenbedingt oft schwer zu verwirklichen. In PROVIDE sollen daher psychotherapeutische Videokonsultationen in der Hausarztpraxis eingeführt werden. Diese Konsultationen beinhalten hauptsächlich Diagnostik, Behandlungsplanung und Krisenintervention oder Kurzzeitpsychotherapie.

Fragestellungen:

  • In Phase 1: Welche Voraussetzungen werden an ein auf psychotherapeutische Videokonsultationen basiertes Versorgungsmodell für Patienten mit psychischen Störungen in der Hausarztpraxis gestellt?
  • In Phase 2: Inwieweit lassen sich psychotherapeutische Videokonsultationen bei der Versorgung von Patienten mit psychischen Störungen in die Hausarztpraxis im Rahmen einer Machbarkeitsstudie implementieren?
  • In Phase 3: Steigert die Behandlung von psychischen Störungen durch psychotherapeutische Videokonsultationen in der Hausarztpraxis eine leitlinienkonforme Diagnostik und Therapie im Vergleich zur Routineversorgung?

Methodik: PROVIDE umfasst drei Studienabschnitte: eine Bedarfsanalyse, eine Pilotstudie und eine große Implementierungsstudie. Im ersten Studienabschnitt erfolgt über eine Sekundärdatenanalyse die Charakterisierung von unterversorgten Patienten als Zielgruppe. Zusätzlich werden Patienten und alle an der Versorgung beteiligten Akteure (Patienten, Hausärzte, Medizinische Fachangestellte, Psychotherapeuten, gesundheitspolitische Entscheidungsträger) zu Hindernissen, förderlichen Faktoren sowie Kernbestandteilen einer auf Videokonsultationen basierten Intervention befragt. Im zweiten Studienabschnitt wird auf Basis der Bedarfsanalyse die PROVIDE-Intervention maßgeschneidert spezifiziert. Diese Intervention wird dann in einigen Hausarztpraxen pilotiert und bzgl. Machbarkeit evaluiert. Im dritten Studienabschnitt wird das weiter optimierte Interventionsmodell in einer cluster-randomisierten Studie regional in insgesamt 19 Praxen implementiert und evaluiert. Primärer Zielparameter bei der Implementierung ist der Umfang, in dem eine adäquate psychosoziale Versorgung in der Routine stattfindet.

Ergebnisse: Erste Ergebnisse zur Bedarfsanalyse in Phase 1 werden für Herbst 2017 erwartet. Im Einzelnen soll dann eine Charakterisierung der Zielgruppe vorliegen sowie Erkenntnisse zu

  • Current practice: aktueller Versorgungsalltag von Patienten mit psychischen Störungen in der Hausarztpraxis im Alltag (insb. im Hinblick auf Unter-/Überversorgung)
  • Acceptability: Bedarf an niederschwelliger fachärztlich-psychotherapeutischer Versorgung und Bereitschaft zur Implementierung (Problembewusstsein und readiness for change)
  • Appropriateness: Umsetzungspotential, Kompatibilität sowie notwendige Adaptionen und Kernelemente des vorgeschlagenen PROVIDE-Behandlungsmodells
  • Feasibility: mögliche Barrieren und förderliche Faktoren für die Implementierung

vorliegen, die auf per mixed methods bei den Akteursgruppen erhobenen Daten basieren. Der Beginn der interventionellen Pilot-Studie ist dann für Frühjahr 2018 geplant.

Praktische Implikationen: Die Nachwuchsgruppe wird zum einen belastbare Ergebnisse zu Ausgangs- und Rahmenbedingungen für die Implementierung von Videokonsultationen zwischen Patienten mit depressiven und/oder Angststörungen und Versorgern in der Hausarztpraxis auf der einen und Psychotherapeuten auf der anderen Seite liefern. Zum anderen wird sie ein entsprechendes Versorgungsmodell auf Basis der Prä-Implementierungsphase spezifizieren und anschließend in wenigen Praxen pilotieren. Schließlich wird eine regional großflächig angelegte konfirmatorische Studie realisiert, die primär Implementierbarkeit des maßgeschneiderten Versorgungsmodells und sekundär dessen therapeutische Effektivität prüft. Während des gesamten Projektes wird eine systematische Disseminationsstrategie zur breiten und praxisnahen Bekanntmachung der Ergebnisse verfolgt.