gms | German Medical Science

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Regionales Netzwerk für Versorgungsforschung in der Notfall- und Akutmedizin

Meeting Abstract

  • Martin Möckel - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Martina Schmiedhofer - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Verena Krobisch - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Liane Schenk - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Johannes Deutschbein - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Andrea Figura - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Christoph Heintze - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Felix Holzinger - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Tobias Inhoff - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Thomas Keil - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Ursula Müller-Werdan - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Sarah Oslislo - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Thomas Reinhold - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Dorothee Riedlinger - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Matthias Rose - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Anna Slagman - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany
  • Adelheid Kuhlmey - Charité - Universitätsmedizin Berlin, Berlin, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocP248

doi: 10.3205/17dkvf169, urn:nbn:de:0183-17dkvf1698

Published: September 26, 2017

© 2017 Möckel et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund: Die Beanspruchung von Notaufnahmen und die Aufenthaltsdauer in der Notaufnahme bis zur Rückkehr in die Häuslichkeit oder bis zu einer stationären Aufnahme steigen seit Jahren kontinuierlich an. Dazu trägt der Anteil der Patientinnen und Patienten die einen akut-, aber nicht notfallmedizinischen Behandlungsbedarf haben, maßgeblich bei. Der Anreiz des jederzeitigen, niedrigschwelligen Zugangs und/oder des Versorgungsangebotes auf Krankenhausniveau ist für diese Patienten so groß, dass sie lange Wartezeiten und den Kontakt mit unbekannten Ärztinnen und Ärzten der Konsultation bei niedergelassenen Haus- oder Spezialärzten vorziehen. Mit dem demografischen Wandel steigt die Bevölkerungsgruppe alter und multimorbider Menschen an, von denen viele mit komplexen medizinischen und psychosozialen Problematiken ebenfalls Notaufnahmen als Erstanlaufstelle ihres medizinischen Versorgungsbedarfs nutzen.

Das aus beiden Nutzungstendenzen resultierende Crowding ist ein Symptom für Versorgungslücken im primären, sekundären und tertiären Versorgungssektor einschließlich Pflegeheimen.

Fragestellung: Erforscht werden sollen exemplarisch die Versorgungsverläufe von Patientinnen und Patienten, die Notaufnahmen mit den folgenden Erkrankungsmustern aufsuchen: a) ambulant versorgte Patienten mit akuten und chronischen Atemwegserkrankungen, b) geriatrische Patienten mit Oberschenkelhalsbruch und c) kardial erkrankte Patienten mit möglichen psychischen Begleiterkrankungen. Diese drei Gruppen decken sowohl Patienten ab, die a) allgemeinärztlich versorgt werden könnten, b) eine komplexe Herausforderung der Versorgung nach der Entlassung darstellen und c) in der Komplexität ihrer Erkrankung unterdiagnostiziert sind. Ihre Versorgungs-, und Krankheitsverläufe werden auf Defizite ambulanter Versorgungsstrukturen (Ambulant Sensitive Erkrankungen) untersucht.

Methode: Ein Netzwerk aus allen acht Notaufnahmen einer Kommune mit ca. 350.000 Einwohnerinnen und Einwohnern wurde gegründet. In allen Notaufnahmen sollen etwa 1.700 Patientinnen und Patienten mit o.g. Krankheitsmustern zu ihrer Erkrankungsgeschichte, ihrem Nutzungsverhalten des Gesundheitssystems sowie zu psychosozialen Faktoren befragt werden. Mit einer Untergruppe werden ergänzend ausführliche qualitative Interviews geführt, die die subjektiven Gründe zur Inanspruchnahme der Notaufnahme sowie zur Nutzung der anderen Anbieter des Gesundheitswesens vertieft erheben. Fokusgruppeninterviews mit pflegerischem und ärztlichem Personal werden durchgeführt, um die Erkenntnisse aus den Patienteninterviews um die Expertenperspektiven zu erweitern.

Neben der Primärdatenerhebung ist eine Sekundärdatenanalyse aller geschätzt etwa 30.000 Patienten eines Jahres mit den entsprechenden Erkrankungen geplant, die anhand ihrer ICD-Codes identifiziert werden. Zusätzlich sollen Routinedaten von den ca. 11.000 AOK versicherten Patientinnen und Patienten vor und nach dem Indexaufenthalt in einer der Notaufnahmen mit Daten der stationären und krankenhausgebundenen ambulanten Notfallversorgung verknüpft werden.

Mit diesen Daten werden Informationen über die Nutzungsstrukturen erhoben, die aufzeigen, wie häufig und mit welchem zeitlichen Zusammenhang niedergelassene Praxen oder Notaufnahmen konsultiert werden und inwieweit Einrichtungen der ambulanten oder stationären Kranken- und Gesundheitsversorgung (u.a. Pflegeeinrichtungen, Sozialdienste oder Physiotherapie) beansprucht werden.

Ergebnisse und Diskussion: Zum Zeitpunkt der Einreichung des Abstracts ist das Netzwerk der Notaufnahmen gegründet und die Strukturen einer auf Dauer angelegten Zusammenarbeit sind aufgebaut.

Die Patientenbefragungen beginnen im Juni 2017. Erste Ergebnisse zum Rekrutierungsprozess (Teilnahmebereitschaft, Anzahl befragter Notaufnahmepatienten, Soziodemographie, aktuellen Beschwerden und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen vor Besuch der Notaufnahme der rekrutierten Patienten) werden präsentiert.

Der Strukturaufbau eines auf Dauer angelegten Netzwerkes aus Notaufnahmen heterogener Trägerschaften (freigemeinnützig, konfessionell, Bundesträgerschaft, universitär) mit unterschiedlichen Versorgungsgraden wird präsentiert und diskutiert.

Praktische Implikationen: Die Forschungsergebnisse werden Patientenbedarfe derzeitigen Versorgungsangeboten des Gesundheitswesens gegenüber stellen. Damit werden in einer Netzwerksstruktur Informationen für ein Forschungsthema gewonnen, zu dem in Deutschland erst wenige Daten vorliegen. Auf Grundlage dieser Ergebnisse sollen Interventionen geplant und durchgeführt werden, die eine patientenorientierte Anpassung und Optimierung des Ressourceneinsatzes des Gesundheitswesens ermöglichen. Langfristiges Ziel ist eine sektorenübergreifende, am tatsächlichen Bedarf der Patienten orientierte Anpassung der Versorgungsstrukturen an die Herausforderungen des demografischen Wandels, der tatsächlichen Verfügbarkeit ambulanter Angebote und der gesellschaftlichen Entwicklung.