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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Morbidität und Mortalität am Herzinfarkt in Berlin und Brandenburg

Meeting Abstract

  • Birga Maier - Berliner Herzinfarktregister an TU Berlin, Berlin, Germany
  • Dagmar Schmidt - AOK Nordost, Berlin, Germany
  • Reinhard Busse - TU Berlin, Berlin, Germany
  • Günther Jonitz - Präsident der Ärztekammer Berlin, Berlin, Germany
  • Steffen Behrens - Vivantes Humboldt-Klinikum, Berlin, Germany
  • Ralph Schoeller - Berliner Herzinfarktregister an TU Berlin, Berlin, Germany
  • Helmut Schühlen - Vivantes Auguste-Viktoria-Klinikum, Berlin, Germany
  • Heinz Theres - MEDICAL PARK BERLIN HUMBOLDTMÜHLE, Berlin, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV010

doi: 10.3205/17dkvf147, urn:nbn:de:0183-17dkvf1478

Published: September 26, 2017

© 2017 Maier et al.
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Text

Hintergrund: Die Sterblichkeit am Herzinfarkt ist nach Todesursachenstatistik in Brandenburg wesentlich höher als im Bundesschnitt und im Vergleich der Bundesländer am zweithöchsten. Die Sterblichkeit am Herzinfarkt im Nachbarland Berlin liegt unter dem Bundesschnitt. Die Ursachen für die erhöhte bzw. erniedrigte Herzinfarktsterblichkeit sind nur in Ansätzen bekannt.

Fragestellung: In unserer Studie wurde deshalb untersucht, ob auf Basis offiziell verfügbarer Datensätze Ursachen für die Sterblichkeitsdifferenzen identifiziert werden können.

Methode: Wir haben die Daten der Krankenhaus- und Todesursachenstatistik analysiert und die Brandenburger mit den bundesweiten und den Berliner Daten verglichen – auch im Hinblick auf Berlin als Stadt- und Brandenburg als Flächenstaat.

Ergebnisse: Nach Krankenhausstatistik gibt es keine wesentlichen Unterschiede in der altersstandardisierten Häufigkeit pro 100.000 EW in der stationären Behandlung und Sterblichkeit von Infarktpatienten zwischen Brandenburg (259 Infarktfälle; 25 stationäre Sterbefälle), Berlin (244 Infarktfälle; 20 stationäre Sterbefälle/100.000 EW altersstandardisiert) und dem Bundesgebiet (256 Infarktfälle; 23 stationäre Sterbefälle). Unterschiede gibt es in Detailanalysen. So werden in Brandenburg vergleichsweise mehr ältere Patienten stationär behandelt als bundesweit, und es gibt regionale Differenzen im Vergleich Berliner Umland und restliches Brandenburg.

Im Gegensatz zur Krankenhausstatistik zeigt die Todesursachenstatistik große Unterschiede mit altersstandardisierten Herzinfarktsterbefällen/100.000 EW von 83,7 in Brandenburg, 56,2 im Bundesgebiet und 46,0 in Berlin. Auch zeigt die Todesursachenstatistik eine altersstandardisiert um 41 Sterbefälle/100.00 EW höhere Gesamtsterblichkeit über alle Todesursachen in Brandenburg im Vergleich zum Bundesschnitt und eine um 42 Sterbefälle/100.00 EW höhere Herz-Kreislauf-Sterblichkeit (I00-99) als bundesweit.

Die Gesamtsterblichkeit in Berlin entspricht dem Bundesschnitt. Abweichungen im Vergleich zum Bund gibt es bei der Sterblichkeit an einer nicht klassifizierten Todesursache (R00-99), die altersstandardisiert um 88 Fälle pro 100.000 EW über dem Bundesschnitt liegt. Würden alle in Berlin nicht klassifizierten Fälle als ischämisch bedingte Herz-Kreislauf-Todesfälle in die Todesursachenstatistik eingehen, dann läge die ischämisch bedingte Herz-Kreislauf Sterblichkeit in Berlin mit 197 Todesfällen pro 100.000 EW über der vergleichbaren ischämisch bedingte Herz-Kreislauf Sterblichkeit in Brandenburg (176).

Diskussion und praktische Implikationen: Die Daten der Todesursachenstatistik zeigen im Gegensatz zur Krankenhausstatistik für beide Geschlechter und über alle Altersgruppen eine wesentlich höhere Sterblichkeit am Infarkt in Brandenburg im Vergleich zum Bundesgebiet und zu Berlin. Wenn wir davon ausgehen, dass die Daten beider Statistiken (Todesursachenstatistik und Krankenhausstatistik) bei großzügiger Fehlertoleranz ein Abbild der Realität darstellen, dann müsste die Krankenhaussterblichkeit in den einzelnen Brandenburger Kliniken große Unterschiede aufweisen, damit sich die Differenzen im Mittelwert wieder ausgleichen, oder die höhere Sterblichkeit in Brandenburg müsste an einer vermehrten Sterblichkeit außerhalb der Kliniken liegen.

Betrachten wir die Gesamttodesursachenstatistik korreliert die Übersterblichkeit von 41 Sterbefällen/100.000 EW in Brandenburg im Vergleich zum Bund zahlenmäßig mit der Herz-Kreislauf-Sterblichkeit, so dass die These geäußert wird, dass die Übersterblichkeit in Brandenburg mit einer Herz-Kreislauf-Übersterblichkeit begründet werden könnte. Einiges spricht dafür, dass die These zutreffen könnte, denn Brandenburg ist vergleichsweise überaltert mit einem Medianalter der Bevölkerung von 48,6 Jahren im Vergleich zu 45,3 Jahre bundesweit (2012), und die Bevölkerung zeigt ein Risikofaktorenprofil, das Herz-Kreislauf-Erkrankungen begünstigt. Auch zu nennen ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Versorgungsmöglichkeiten in Brandenburg eingeschränkt sind. So kamen 2014 in Brandenburg 31.920 Einwohner auf einen vertragsärztlich zugelassenen Kardiologen, in Berlin waren es einer auf 23.132 Einwohner.

Aufgrund der sehr hohen Zahl an nicht klassifizierten Todesfällen in Berlin, sind Analysen mit der Berliner Todesursachenstatistik nur bedingt zuverlässig, da wir nicht wissen, ob sich die Todesursachen bei den fehlenden Totenscheinen gleichmäßig über alle Todesursachen verteilen oder ob zufällig alle fehlenden Totenscheine einer Todesursache, z.B. der ischämischen Herzkrankheit, zugeordnet werden müssten. Hier bräuchte es eine konzertierte Aktion zur Verbesserung der Qualität der Todesursachenstatistik.

In einem 2. Teil des Projekts werden wir uns auf Basis der Analyse von Primärdaten dem Thema und dem Vergleich der Daten zwischen Berlin und Brandenburg nähern.