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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Versorgungsqualität in der Intensivmedizin – Ergebnisse aus der DACAPO-Studie

Meeting Abstract

  • Susanne Brandstetter - Universität Regensburg, Regensburg, Germany
  • Frank Dodoo-Schittko - Universität Regensburg, Amberg, Germany
  • Magdalena Brandl - Universität Regensburg, Regensburg, Germany
  • Sebastian Blecha - Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Germany
  • Thomas Bein - Universitätsklinikum Regensburg, Regensburg, Germany
  • Christian Apfelbacher - Universität Regensburg, Regensburg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV078

doi: 10.3205/17dkvf142, urn:nbn:de:0183-17dkvf1425

Published: September 26, 2017

© 2017 Brandstetter et al.
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Text

Hintergrund: Bei Patienten mit akutem Lungenversagen (ARDS) kommen komplexe therapeutische Strategien während der intensivmedizinischen Behandlung zur Anwendung. Bislang ist in Deutschland über die intensivmedizinische Versorgung von Patienten mit ARDS unter Alltagsbedingungen nur wenig bekannt. Ein wichtiger Aspekt ist dabei die Versorgungsqualität der Intensivtherapiestationen (ITS), auf denen Patienten mit ARDS behandelt werden.

Fragestellung: Wie stellt sich die Versorgungsqualität in ITS dar hinsichtlich allgemeiner und für die Behandlung von Patienten mit ARDS spezifischer Merkmale?

Methode: Die Stichprobe dieser querschnittlichen Untersuchung umfasst 62 ITS in Deutschland, in denen Patienten in die DACAPO-Studie (“Surviving ARDS: the influence of quality of care and individual patient characteristics on health-related quality of life”) eingeschlossen wurden. Daten zu allgemeinen Charakteristika der ITS sowie zur Versorgungsqualität wurden mittels eines Fragebogens erfasst, der jeweils an die Leitung der ITS gerichtet war. Versorgungsqualität wurde entsprechend existierender Empfehlungen der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) wie folgt operationalisiert: Generische struktur- und prozessbezogene Merkmale von ITS (z.B. Personalschlüssel, Qualifikation, apparative Ausstattung und Dokumentation) wurden um weitere für die Behandlung von Patienten mit ARDS spezifische prozessbezogene Indikatoren (z.B. die standardmäßige Anwendung relevanter Behandlungspfade) ergänzt. Die Auswertung erfolgte deskriptiv.

Ergebnisse: 48% der ITS sind an Universitätskliniken, 18% an Krankenhäusern der Maximalversorgung angesiedelt; 65% gehören dem ARDS-Netzwerk an. Die Leitung der ITS besitzt in 95% der Fälle die Zusatzweiterbildung „Intensivmedizin“. Die Zahl der Betten pro ärztlicher Vollzeitstelle beträgt im Median 1.5 (IQR 1.2-1.8). Der Anteil der Fachärzte an der Gesamtzahl der Arztstellen variiert zwischen 15% und 100% (Md: 43%, IQR: 33-59%).

Auf jede Pflegevollzeitstelle kommen im Median 0.4 Betten (IQR: 0.3-0.4), der Anteil an Fachpflegenden mit Weiterbildung Anästhesie und Intensivmedizin an allen Pflegenden beträgt zwischen 25% und 81% (Md: 35%, IQR: 34-62%). Alle ITS verfügen über umfangreiche apparative Ausstattung zur Diagnostik.

62% der ITS verfügen über ein elektronisches Patientendatenmanagementsystem. Regelmäßige Visiten mit Pharmakologen bzw. Mikrobiologen werden in 51% bzw. 68% der ITS durchgeführt. Dokumentierte tägliche Patienten-Visiten mit Tageszielfestlegung finden in nahezu allen der ITS (97%) statt, in 76% der ITS werden auch die Angehörigengespräche dokumentiert.

Die meisten der für die Behandlung des ARDS empfohlenen Behandlungskonzepte werden in mehr als 90% der ITS standardmäßig umgesetzt. Eine Ausnahme bilden die täglichen Spontanatmungsversuche unter Anwendung eines Weaning-Protokolls. Diese werden nur in 68% der ITS routinemäßig umgesetzt.

Diskussion: Die Strukturqualität entspricht hinsichtlich der Merkmale zu personeller Ausstattung und Qualifikation in der überwiegenden Mehrheit, aber nicht in allen untersuchten ITS den Empfehlungen der DIVI. Besonders die auf Qualifikation bezogenen Merkmale der Strukturqualität zeigen eine große Variabilität.

In Bezug auf die Prozessqualität ist auffällig, dass in einer erheblichen Anzahl der ITS standardmäßig keine Visiten mit Pharmakologen bzw. Mikrobiologen durchgeführt, keine Angehörigengespräche dokumentiert und keine Weaning-Protokolle eingesetzt werden.

Praktische Implikationen: Die vorliegende Analyse verdeutlicht, dass in der deutschen Intensivmedizin Potenziale zur Verbesserung der Strukturqualität und der generischen wie ARDS-spezifischen Prozessqualität bestehen.