gms | German Medical Science

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Die Verbesserung der antimikrobiellen Therapie mittels einer multimodalen Intervention bei Patienten mit schwerer Sepsis / septischem Schock: Ergebnisse einer multizentrischen, kontrollierten Vorher-Nachher-Interventionsstudie

Meeting Abstract

  • Daniel Schwarzkopf - Universitätsklinikum Jena, Jena, Germany
  • Claudia Tanja Matthäus-Krämer - Universitätsklinikum Jena, Jena, Germany
  • Hendrik Rüddel - Universitätsklinikum Jena, Jena, Germany
  • Daniel Thomas-Rüddel - Universitätsklinikum Jena, Jena, Germany
  • Konrad Reinhart - Universitätsklinikum Jena, Jena, Germany
  • Frank Bloos - Universitätsklinikum Jena, Jena, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV031

doi: 10.3205/17dkvf138, urn:nbn:de:0183-17dkvf1384

Published: September 26, 2017

© 2017 Schwarzkopf et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund: Sepsis ist eine zentrale Herausforderung für das Gesundheitssystem mit steigender Inzidenz und hoher Letalität [1]. Der frühe Beginn einer antimikrobiellen Therapie (AT) ist zentraler Bestandteil aktueller Leitlinien [2]. Studien mit unkontrolliertem Design konnten Effekte von Qualitätsverbesserungsprogrammen auf eine verbesserte Leitlinienadhärenz, insbesondere den früheren Beginn der AT, sowie eine Reduzierung der Letalität zeigen [2]. Kein substantieller Effekt auf die Zeit bis zur AT konnte hingegen in der bisher einzigen hierzu durchgeführten Studie in einem cluster-randomisiert-kontrollierten Design nachgewiesen werden (MEDUSA Studie) [3].

Fragestellung: Führt eine multimodale Intervention zur Senkung der Zeit bis zur AT und zur Senkung der 28-Tage-Letalität bei krankenhausbehandelter schwerer Sepsis / septischem Schock?

Methode:

Design: Kontrollgruppendesign auf Krankenhausebene (Gruppe A: 19 Krankenhäuser, Gruppe B: 21 Krankenhäuser) mit zwei Phasen (Phase 1: 07.2011-06.2013, Phase 2: 09.2013-05.2015) und Wechsel der Interventionsgruppe zwischen den Phasen; prospektiver Einschluss von Patienten mit schwerer Sepsis / septischem Schock auf Intensivstationen. Bei Phase 1 handelte es sich um die Interventionsphase der o.g. MEDUSA Studie.

Interventionen: Phase 1/Gruppe A: Aufbau lokaler, abteilungsübergreifender Qualitätsverbesserungsteams, Benchmark von Qualitätsindikatoren, Change-Management Beratung (Vor-Ort Besuche durch Studienärzte, alle 4 Monate), Zurverfügungstellung von Weiterbildungsmaterial, halbjährliche Weiterbildungsveranstaltungen vor Ort; Phase 1/Gruppe B: nur Weiterbildungsveranstaltungen; Phase 2/Gruppe A: Benchmark von Qualitätsindikatoren, Weiterbildungsmaterialien, keine weitere aktive Change-Management Unterstützung; Phase 2/Gruppe B: Aufbau von Qualitätsverbesserungsteams, Benchmark von Qualitätsindikatoren, Change-Management Beratung, Weiterbildungsmaterialien.

Analyse: Vergleich zwischen den Gruppen hinsichtlich der Veränderung von Phase 1 nach Phase 2 („differrence-in-differences“) in Generalisierten Hierarchischen Linearen Modellen zur Kontrolle des Clustereffektes. Erwartet wurde Konstanz oder Verschlechterung in Gruppe A, Verbesserung in Gruppe B.

Ergebnisse: In der 1. Phase wurden 4182 Patienten und in der 2. Phase 2394 Patienten eingeschlossen. Das mediane Alter lag bei 70 Jahren, der mediane SAPS-II bei 48 Punkten, die 28-Tage-Letalität bei 32% und die mediane Zeit bis zur AT bei 104 Minuten.

Es zeigte sich keine Veränderung in Gruppe A, jedoch eine Verbesserung in Gruppe B für: den Anteil von Fällen mit Zeit bis zur AT< 1h (Gruppe A: OR [95% CI] = 0,96 [0,82; 1,11] vs. Gruppe B: 1,29 [1,06; 1,56]; difference-in-differences: p=0,016); den Anteil der Fälle mit Deeskalation der AT in den ersten 5 Tagen (1,11 [0,93; 1,34] vs.1,61 [1,29; 2], p=0.012). In beiden Gruppen stieg der Anteil von Abnahmen von mind. 2 Blutkulturen an (1,43 [1,23; 1,66] vs. 1,71 [1,42; 2,04], p = 0,138). Keine Veränderung zeigte sich hinsichtlich der 28-Tage-Letalität (0,95 [0,82; 1,1] vs. 1,08 [0,89; 1,3], p = 0.313).

Diskussion: Dies ist die erste Studie im Kontrollgruppendesign, die Effekte einer multimodalen Intervention auf die Zeit bis zum Beginn der AT aufzeigt. Die fehlende Wirkung der Intervention auf die 28-Tage-Letalität mag sich dadurch erklären, dass der Effekt der Zeit bis zur AT auf die Letalität mit 2% pro Stunde weit geringer ausfiel als angenommen [3]. Die Steigerung des Anteils von mind. 2 Sets abgenommenen Blutkulturen konnte in den teilnehmenden Zentren durch die Bündelung von Blutkultursets erreicht werden. Limitiert werden die Studienergebnisse durch mangelnde Randomisation der Zentren aufgrund eines Randomisierungsfehlers [3], Fehlen einer adäquaten Baseline-Beobachtung für die Zentren der Gruppe A, und systematisches Absinken der Falleinschlüsse über die Studiendauer.

Praktische Implikationen: Aktive Unterstützung mit Methoden des Change-Managements könnte über das Benchmark von Qualitätsindikatoren hinaus ein effektives Instrument zur krankenhausweiten Qualitätsverbesserung sein. Um Wirkung auf die Sterblichkeit bei schwerer Sepsis / septischem Schock zu entfalten, sollten Maßnahmen zur Verbesserung der Versorgung über die AT hinaus auch weitere Bestandteile der Leitlinien einbeziehen. Designs, die die Veränderung über die Zeit betrachten, könnten im Kontext der Untersuchung von Qualitätsverbesserungsprogrammen im Krankenhaus besser geeignet sein als einfache cluster-randomisiert-kontrollierte Trials.


Literatur

1.
Fleischmann, et al. Dtsch Arztebl International. 2016;113: 159-166
2.
Dellinger, et al. Crit Care Med. 2012;41: 580-637
3.
Damiani, et al. PLOS ONE. 2015;10: e0125827
4.
Bloos, et al. Effect of a multifaceted educational intervention for anti-infectious measures on sepsis mortality – a cluster randomized trial. Intensive Care Med. (in press)