gms | German Medical Science

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

(Psychosoziale) Versorgung von BrustkrebspatientInnen mit Behinderung

Meeting Abstract

  • Sophie E. Groß - Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Lena Ansmann - Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Nadine Scholten - Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Holger Pfaff - Humanwissenschaftliche Fakultät und Medizinische Fakultät der Universität zu Köln, Köln, Germany
  • Anke Groß-Kunkel - Universität zu Köln, Köln, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV146

doi: 10.3205/17dkvf133, urn:nbn:de:0183-17dkvf1336

Published: September 26, 2017

© 2017 Groß et al.
This is an Open Access article distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 License. See license information at http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/.


Outline

Text

Hintergrund: Durch die hohe Prävalenz von Brustkrebs in Deutschland und die wachsende Lebenserwartung von Menschen mit Behinderung sind diese beiden Bereiche in Kombination ein Thema, welches es differenzierter zu untersuchen gilt. Insbesondere da es nachgewiesene Unterschiede in der Prävention, Früherkennung und Behandlungen der Krebspatienten und Krebspatientinnen (nachfolgend Patientinnen) mit Behinderung gibt.

Fragestellung: Können Unterschiede in der klinischen Versorgung sowie Unterschiede hinsichtlich der Informationsbedarfe und der psychosozialen Versorgung von Brustkrebspatientinnen mit Behinderung in den Brustzentren Nordrhein-Westfalens aufgezeigt werden?

Methode: Im Rahmen einer zur Zeit noch laufenden multizentrischen Querschnittsstudie werden im Jahr 2017 Patientinnen mit primärem Mammakarzinom (N=575, Stand 12.04.17), die zwischen Februar und Juli jeden Jahres in einem von der Ärztekammer Westfalen-Lippe zertifizierten nordrhein-westfälischen Brustzentrum operiert worden sind, mit dem Kölner Patientenfragebogen für Brustkrebs (KPF-BK 3.0) zu Teilbereichen der Versorgung im Krankenhaus und zu Patient-Reported Outcomes befragt. Hierbei werden auch Daten zur Behinderung der Patientinnen sowie zur Barrierefreiheit im Krankenhaus erhoben.

Ergebnisse: Erste deskriptive Ergebnisse zeigen, dass Patientinnen mit Behinderung im Durchschnitt 6 Jahre älter sind als Patientinnen ohne Behinderung (Median 66 Jahre vs. 60 Jahre).

Von den bisher insgesamt N=575 befragten Patientinnen geben n=119 an eine Behinderung zu haben. Eine körperliche Behinderung geben n=77 der Patientinnen an, n=16 Patientinnen geben an psychisch behindert zu sein, n=2 Patientinnen geben an lernbehindert zu sein und n=2 Patientinnen geben an geistig behindert zu sein. Eine sprachliche Behinderung geben n=5 der Patientinnen an und n=25 eine Hörbehinderung (gehörlos). Eine Sehbehinderung (blind) geben n=11 der Patientinnen an und n=15 geben eine andere Art der Behinderung an. Mehrfachnennungen waren möglich.

Bei 34,5% (n=153) der Patientinnen ohne Behinderung wurde die Brustkrebserkrankung im Rahmen des Mammographie-Screening Programmes erkannt. Bei Patientinnen mit Behinderung war dies im Vergleich nur bei 25% (n=28) der Fall. Durch Symptome hingegen wurde die Diagnose bei 7,1% (n=8) der Patientinnen mit Behinderung gestellt; bei Patientinnen ohne Behinderung war dies nur bei 4,1% (n=18) der Fall.

Brustkrebspatientinnen mit Behinderung erhalten signifikant häufiger eine Mastektomie ohne Rekonstruktion (16,1% vs. 26,7%) und signifikant seltener eine brusterhaltende Therapie (74,9% vs. 66,4%). Ob dies auf den Wunsch der Patientin zurückzuführen ist, ist aus den Daten nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der Barrierefreiheit geben die meisten Patientinnen an, dass die Zimmer, Badezimmer, Behandlungsräume und medizinischen Geräte barrierefrei nutzbar waren (ca. 95%). Ca. 12% der Befragten geben allerdings an, dass es im Zimmer nicht genügend Bewegungsfreiheit für einen Rollstuhl gab.

Weiter zeigen erste deskriptive Ergebnisse, dass sich Patientinnen mit Behinderung im Vergleich zu Patientinnen ohne Behinderung mehr Informationen hinsichtlich anderer Behandlungsmöglichkeiten, Maßnahmen zur Verringerung von Begleiterscheinungen, Ernährung, körperliche und psychische Belastungen im Alltag sowie über Hilfe und Betreuung zu Hause gewünscht hätten.

Vergleicht man die psychosoziale Situation der Brustkrebspatientinnen mit und ohne Behinderung, wird ersichtlich, dass Patientinnen mit Behinderung im Mittel eine signifikant höhere Progredienzangst aufweisen.

Diskussion: Die bisher gewonnen Erkenntnisse scheinen auf ein Versorgungsdefizit in der Sekundärprävention von an Brustkrebs erkrankten Menschen mit Behinderung hinzudeuten. Des Weiteren legen die bisher gewonnen Erkenntnisse eine intensivere Betreuung, Behandlung und Aufklärung von Brustkrebspatientinnen mit Behinderung nahe.

Praktische Implikationen: Aufbauend auf den aufgezeigten Bedarfen plant die Universität zu Köln in einer Kooperation zwischen der Humanwissenschaftlichen Fakultät, Department Heilpädagogik und Rehabilitation und dem Institut für Medizinsoziologie, Versorgungsforschung und Rehabilitationswissenschaft (IMVR) die Versorgungssituation von Krebspatientinnen mit Behinderung näher zu untersuchen.