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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Shared Decision Making durch Decision Coaches in der Senologie: eine Pilotstudie

Meeting Abstract

  • Birte Berger-Höger - Universität Hamburg, Hamburg, Germany
  • Katrin Liethmann - Universität Hamburg, Hamburg, Germany
  • Ingrid Mühlhauser - Universität Hamburg, Hamburg, Germany
  • Anke Steckelberg - Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV015

doi: 10.3205/17dkvf122, urn:nbn:de:0183-17dkvf1228

Published: September 26, 2017

© 2017 Berger-Höger et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Frauen mit Brustkrebs möchten an medizinischen Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Zur Umsetzung von Shared Decision Making (SDM) in zertifizierten Brustzentren wurde eine interprofessionelle komplexe Intervention in Anlehnung an das Modell des UK Medical Research Councils [1] entwickelt und pilotiert. Die Intervention umfasst eine evidenzbasierte Entscheidungshilfe für Frauen mit einem duktalen Carcinoma in situ (DCIS), ein Decision Coaching durch spezialisierte Pflegefachkräfte (SPF), sowie ein strukturiertes Arztgespräch. In Vorbereitung erhalten die SPF ein dreitägiges Training und die Ärzte einen zweistündigen Workshop.

Fragestellung: Ziel der Pilotstudie war die Überprüfung der Machbarkeit der entwickelten komplexen Intervention mit dem Fokus auf Verständlichkeit, Angemessenheit und Akzeptanz.

Methode: Wir haben zwei Brustzentren mit vier SPF und fünf Ärzten eingeschlossen. Die Schulungen und der Workshop wurden anhand strukturierter Unterrichtsbeobachtungen und Feedbacks der Teilnehmenden anhand von Fragebögen evaluiert.

Im Anschluss haben die Ärztinnen und Ärzte sieben Patientinnen mit DCIS in die Pilotstudie eingeschlossen. Diese erhielten eine evidenzbasierte Entscheidungshilfe, ein Decision Coaching durch die geschulten SPF und ein strukturiertes Arztgespräch. Die Decision Coaching-Gespräche durch die SPF wurden auf Video aufgezeichnet und das Ausmaß der Patientenbeteiligung wurde mit dem MAPPIN`SDM-Beobachtungsinstrument [2] durch sechs unabhängige Rater beurteilt (Skala: 0=Kompetenz wurde nicht beobachtet bis 4 = exzellente Ausführung), die final einen Konsens bildeten.

Von den beteiligten Ärzten, Nurses und Patientinnen wurden Feedbacks mittels Fragebogen erhoben. Die Frauen erhielten zudem einen Wissenstest.

Alle Fragebögen wurden deskriptiv ausgewertet.

Ergebnisse: Die gesamte Intervention (Training der SPF, Ärzteworkshop, Decision Coaching) erwies sich als machbar und wurde von den Beteiligten gut angenommen. Das Decision Coaching dauerte im Mittel 36 Minuten (Range: 23-82min.). Die SPF und Patientinnen erreichten ein Basisniveau im SDM-Verhalten (MAPPIN'SDM-Beobachterdyade = 2,15; Range: 1,73-2,73). Die Patientinnen beantworteten 10-15 von 15 Fragen korrekt. Alle SPF und die meisten Ärzte befürworteten die Umsetzung von inter-professionellem SDM.

Es wurden auch relevante Barrieren identifiziert. Die Ärzte befürchteten, dass einige Frauen aufgrund ihres Alters mit den Informationen überfordert sein könnten und schlossen nicht alle geeigneten Frauen in die Studie ein. Zudem äußerten sie Bedenken, dass die Präferenzen der Frauen nicht mit der Empfehlung des Tumorboards oder den Leitlinien übereinstimmen könnten.

Die SPF äußerten einen Zeitmangel für das Coaching, insbesondere wenn diese für ihre Tätigkeit im Stationsalltag nicht freigestellt waren.

Diskussion: Die Intervention ist machbar. Jedoch stellen strukturelle Gegebenheiten wie die Leitlinien- und Tumorboardempfehlungen und auch die Einstellungen der Professionellen Barrieren dar. Die Intervention wurde entsprechend der Ergebnisse überarbeitet. So wurde z.B. mehr Diskussionszeit für die Behandlungsoptionen im Rahmen des Ärzteworkshops eingeplant.

Die Wirksamkeit der Intervention wird derzeit in einer cluster-randomisiert kontrollierten Studie mit 16 Brustzentren evaluiert [3].

Praktische Implikationen: Decision Coaching durch SPF ist machbar, allerdings müssen langfristig v.a. strukturelle Gegebenheiten angepasst werden.


Literatur

1.
Craig P, et al. Developing and evaluating complex interventions: the new Medical Research Council guidance. BMJ. 2008 DOI: 10.1136/bmj.a1655 External link
2.
Kasper J, et al. MAPPIN’SDM - the multifocal approach to sharing in shared decision making. PLoS One. 2012;7:e34849.
3.
Berger-Höger B, et al. Informed shared decision-making supported by decision coaches for women with ductal carcinoma in situ: study protocol for a cluster randomized controlled trial. Trials. 2015;16:452.