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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Re-Konfiguration von Gesundheit und Krankheit. Die budgetären Auswirkungen der genetischen Testung auf BRCA1/2-Mutationen für die Gesetzliche Krankenversicherung

Meeting Abstract

  • Silke Neusser - Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Janine Biermann - Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Jürgen Wasem - Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Rita Schmutzler - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Kerstin E. Rhiem - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Anja Neumann - Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV034

doi: 10.3205/17dkvf116, urn:nbn:de:0183-17dkvf1162

Published: September 26, 2017

© 2017 Neusser et al.
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Text

Hintergrund: Derzeit werden Potenziale sowie mögliche Konsequenzen der genetischen Risikoklassifikation gesunder Menschen diskutiert. Unklar ist, inwieweit eine zunehmende Nachfrage nach genetischer Testung zu Mehrbelastungen und/oder Verschiebungen im Budget der GKV führen können. Ziel dieser Arbeit ist die Ermittlung der budgetären Auswirkungen der Risikoklassifikation am Beispiel des hereditären Mammakarzinoms. Hierbei wird die prädiktive genetische Testung gesunder weibliche Angehöriger erkrankter Mutationsträgerinnen auf BRCA1/2-Mutationen betrachtet. Für diese Gruppe existiert die Möglichkeit einer prädiktiven Testung über das Deutschen Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs sowie einer intensivierten Früherkennung und/oder prophylaktischer Operationen (Mastektomie/Ovarektomie) als Interventionsmaßnahmen für Mutationsträgerinnen.

Methodik: Basierend auf der Methodik einer Budget Impact Analyse wurde ein Markovmodell als Kohortensimulation entwickelt, dass die folgenden Szenarien abbildet: A gleichbleibende Nachfrage des gentischen Screenings sowie der Interventionsmöglichkeiten, B Nachfrage aller gesunden weiblichen Angehörigen erkrankter Mutationsträgerinnen. Inputparameter zur Nutzung der prädiktiven Testung und der Interventionsmaßnahmen basieren auf Daten des Deutschen Konsortiums Familiärer Brust- und Eierstockkrebs, fehlende Daten wurden über systematische Literaturrechen ermittelt. Die Anzahl gesunder Frauen, die Angehörige bereits erkrankter Mutationsträgerinnen sind und somit eine prädiktive genetische Testung nachfragen könnten, wird anhand einer Prävalenzabschätzung auf Basis von Daten des Konsortiums sowie Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister in Deutschland ermittelt. Das Modell startet 2015, die dargestellte Laufzeit beträgt 5 Jahre. Die Preise werden für das Studienbasisjahr 2015 aus GKV-Perspektive erhoben. Dargestellt werden die Ergebnisse ohne Halbzyklus-Korrektur.

Ergebnisse: Das Modell startet im Jahr 2015 mit Mutationsträgerinnen, die bereits im Rahmen des Programms betreut wurden. Jährlich könnten nach der Prävalenzabschätzung 4.515 gesunde Angehörige im Alter zwischen 25 und 69 Jahren in die genetische Beratung kommen, die die Voraussetzungen zur prädiktiven Testung erfüllen. Erhalten alle die Möglichkeit zur prädiktiven Testung entstehen im ersten Jahr Kosten von 3.840.317€ bei einer Diskontierungsrate von 3% summieren sich die Kosten nach dem fünften Jahr auf 32.458.291€. Werden die Kosten der Genanalyse bei der erkrankten Mutationsträgerin berücksichtigt liegen die Kosten mit 14.198.848€ bereits im ersten Jahr deutlich höher. Damit entstehen durch die Ausweitung der Inanspruchnahme der prädiktiven genetischen Testung im Vergleich zur einem Szenario gleichbleibender Inanspruchnahme über den Zeitraum von fünf Jahren Mehrkosten in Höhe von 64.907.062€. Dabei stellt die Genanalyse der bereits erkrankten Mutationsträgerinnen den Hauptkostentreiber dar. Demgegenüber deuten sich bei den Ausgaben für die Behandlung und Nachsorge von Mamma- und Ovarialkarzinomen Einsparungen an.

Diskussion: In Anbetracht der bisherigen Ungewissheit hinsichtlich der budgetären Auswirkungen genetischer Risikoklassifikationen trägt die detaillierte Simulation dazu bei, diese Wissenslücke zu schließen. Insgesamt zeigt sich, dass insbesondere die Durchführung der Genanalyse bei den erkrankten Angehörigen einen wesentlichen Kostentreiber darstellt. Mit zunehmender Laufzeit des Modells zeichnen sich erste Hinweise auf das Einsparpotential durch die Verringerung von Behandlungskosten für entstandene Karzinome an.