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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Versorgungsforschung in der Krebsfrüherkennung: Inanspruchnahme von Screeningleistungen beim Cervix-Carcinom auf Basis von GKV-Routinedaten

Meeting Abstract

  • Dirk Horenkamp-Sonntag - WINEG, Hamburg, Germany
  • Udo Schneider - WINEG, Hamburg, Germany
  • Susanne Engel - WINEG, Hamburg, Germany
  • Stefan Wirtz - WINEG, Hamburg, Germany
  • Roland Linder - WINEG, Hamburg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV032

doi: 10.3205/17dkvf114, urn:nbn:de:0183-17dkvf1149

Published: September 26, 2017

© 2017 Horenkamp-Sonntag et al.
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Text

Hintergrund/Fragestellung: Bislang wurde beim Cervix-Ca-Screening eine Abstrichuntersuchung (sog. Pap-Test) für Frauen ab dem 20. Lebensjahr einmal jährlich durch die GKV gemäß GBA-Früherkennungsrichtline übernommen. Dieser dient zur Erkennung von Vorstufen eines Gebärmutterhalskrebs, wobei als häufigste Ursache eine Infektion mit bestimmten Typen des humanen Papillomvirus (HPV) gilt. Deshalb wird überlegt, ob und inwiefern der jährliche Pap-Test ggf. durch einen HPV-Test ersetzt werden kann, der in einem größeren zeitlichen Abstand zur Anwendung kommt und evtl. sensitiver ist. Werden durch ein Screening sehr frühe Zeichen einer Zellentartung angezeigt, die ggf. wieder von selbst ausheilen, besteht allerdings die Gefahr einer Überversorgung, indem medizinisch nicht indizierte Maßnahmen vermehrt zur Anwendung kommen.

Momentan wird beim Gemeinsamen Bundesauschuss die Gebärmutterhals-Krebsfrüherkennung weiterentwickelt und teilweise neuorganisiert. Wichtige Elemente sind dabei u.a. die Verbesserung der Qualitätssicherung, die Durchführung eines organisierten Einladungsverfahrens, eine Anpassung des Screeningintervalls und Regelungen zum Follow-up auffälliger Befunde. In diesem Zusammenhang hat der GBA am 16.09.2016 Eckpunkte beschlossen, die vorsehen dass Frauen ab dem Alter von 35 Jahren statt des jährlichen Pap-Tests alle drei Jahre eine Kombinationsuntersuchung – bestehend aus einem Test auf genitale Infektionen mit HPV und einer zytologischen Abstrich-Untersuchung – angeboten werden soll. Frauen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren sollen wie bisher Anspruch auf eine jährliche zytologische Untersuchung haben.

Methodik: Auf der Basis von sektorenübergreifenden TK-Routinedaten (n = 10 Millionen Versicherte) wurde untersucht, ob und inwiefern die bislang geltenden GBA-Vorgaben zur Krebsfrüherkennung beim Cervix-Ca in der Versorgungswirklichkeit regional umgesetzt wurden. Daran anschließend wurde analysiert, inwiefern Korrelationen zu Versorgungsstrukturen und therapeutischen Konsequenzen existieren.

Ergebnisse: Im Zeitraum 2011-2014 ist bei insgesamt 2.961.301 Versicherten mindestens einmal eine Krebsvorsorge (EBM-GOP 01733) erfolgt. Bei 103.049 Versicherten wurde HPV (EBM-GOP 32820) nachgewiesen. Eine Kürettage (OPS 1471.2) erfolgte bei 48.002 Versicherten, eine Abrasio (OPS 1472.0) bei 14.163 und eine Konisation (OPS 5671.0/5671.1) bei 19.461. Die mittlere jährliche Screeninginanspruchnahme beträgt 55,4%, wobei diese in Bremen, Niedersachen und Hamburg mehr als doppelt so hoch ist wie in Brandenburg, Thüringen und Sachsen-Anhalt. In Sachsen kommen auf einen gynäkologischen Vertragsarzt im Mittel 190 TK-Versicherte Frauen > 20 Jahre, in Hamburg durchschnittlich 600. Pro 100.000 Versicherten mit Krebsvorsorge erfolgen im Mittel 123,5 Konisationen, wobei diese in Sachsen und Mecklenburg (n jeweils < 50) deutlich seltener sind als in Hamburg, Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt (n jeweils >200).

Diskussion: Screeningmaßnahmen beim Cervix-Ca lassen sich mit GKV-Routinedaten transparent darstellen. Im Gegensatz zu anderen medizinischen Indikationen (z.B. Colon-Ca) können durch das jährliche Wiederholungsintervall Inanspruchnahmequoten bei anspruchsberechtigten Versicherten exakt ausgewiesen werden. Hinsichtlich der Leistungsinanspruchnahme gibt es eine extreme regionale Streuung, die mit der gynäkologischen Facharztdichte vor Ort und den medizinischen Konsequenzen bei positiven Screeningbefunden korreliert. In weiteren Untersuchungen ist noch zu analysieren, inwiefern die regionale Varianz bei der Krebsfrüherkennung durch Alterspräferenzen auf Patientenseite und Präferenzen für bestimmte Screeningintervalle auf Ärzteseite erklärt werden kann.

Praktische Implikationen: GKV-Routinedatenanalysen sind geeignet, im Rahmen einer Politikfolgenforschung zeitnah Hinweise auf Veränderungen bei der Teilnahme an Krebsfrüherkennungsprogrammen zu geben. Die regionale Variabilität der Inanspruchnahme von Leistungen zur Krebsfrüherkennung sollte bei der Einführung von strukturierten Einladungsprogrammen berücksichtigt werden.