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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Anschlussrehabilitation nach einer orthopädischen Operation – ambulant oder stationär?

Meeting Abstract

  • Silke Jankowiak - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Germany
  • Sabrina Ritter - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Germany
  • Julia Dannenmaier - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Germany
  • Rainer Kaluscha - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Germany
  • Gert Krischak - Institut für Rehabilitationsmedizinische Forschung an der Universität Ulm, Bad Buchau, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV004

doi: 10.3205/17dkvf107, urn:nbn:de:0183-17dkvf1078

Published: September 26, 2017

© 2017 Jankowiak et al.
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Text

Hintergrund: Eine Anschlussrehabilitation (AR) dient nach einem Akutaufenthalt dazu, verloren gegangene Funktionen oder Fähigkeiten wiederzuerlangen oder auszugleichen sowie den Patienten wieder an die Belastungen des Alltags und des Berufslebens heranzuführen. Je nach Erkrankungsschwere erfolgt eine AR stationär, teilstationär oder ambulant. Laut „Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung“ (2009) [1] ist für die Teilnahme an einer ambulanten Rehabilitation eine ausreichende Belastbarkeit und Mobilität der Patienten erforderlich. Gegen die Durchführung der Rehabilitation im ambulanten Setting sprechen die Notwendigkeit von ständiger ärztlicher und pflegerischer Betreuung sowie eine ausgeprägte Multimorbidität. Dabei ist bisher unklar, welche Bedeutung die Fallschwere beim Zugang zu einer bestimmten Rehabilitationsform (stationär oder ambulant) tatsächlich hat.

Fragestellung: Die Untersuchung ging der Frage nach, welche Faktoren die Inanspruchnahme einer ambulanten bzw. stationären AR beeinflussen.

Methode: Datengrundlage waren Routinedaten der AOK Baden-Württemberg, der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg und der Deutschen Rentenversicherung Bund. Für die Auswertungen wurden Patienten im erwerbsfähigen Alter ausgewählt, bei denen zwischen 2005 und 2010 eine Totalendoprothese (TEP) an Hüfte oder Kniegelenk implantiert oder eine Operation an der Bandscheibe (BS) vorgenommen wurde. Für jede der drei Operationsgruppen wurde mittels logistischer Regression die Wahrscheinlichkeit modelliert, eine stationäre AR in Anspruch zu nehmen. Dabei wurden sowohl Patientenmerkmale (z.B. Alter, Geschlecht, Staatsangehörigkeit, Komorbiditäten) als auch präoperative und akutstationäre Behandlungsmerkmale sowie der Behandlungspfad (Direktverlegung vs. AR nach häuslicher Übergangszeit) hinsichtlich ihrer prognostischen Relevanz für die Rehabilitationsform überprüft.

Ergebnisse: Bei allen drei Operationsgruppen führten Patienten, die unmittelbar nach dem Akutaufenthalt zur AR kamen, eher eine stationäre Maßnahme durch, als Patienten, die nach einer häuslichen Übergangszeit zur Rehabilitation kamen (Hüft-TEP: OR=4,4; Knie-TEP: OR=4,1, BS-OP: OR=4,0). Mit zunehmendem Alter stieg die Wahrscheinlichkeit, eine stationäre AR in Anspruch zu nehmen (pro 5 Jahre: Hüft-TEP: OR=1,2; Knie-TEP: OR=1,3, BS-OP: OR=1,2).

Bei TEP-Patienten führten Rentenbezieher 12,6mal (Hüft-TEP) bzw. 8,4mal (Knie-TEP) häufiger die Rehabilitation stationär durch als beschäftigte Patienten. Eine höhere Wahrscheinlichkeit, die AR im stationären Setting durchzuführen, hatten Hüft-TEP-Patienten mit einem Schenkelhalsbruch (OR=2,5) bzw. mit Adipositas (OR=1,4) sowie Knie-TEP-Patienten mit einem Schlaganfall (OR=1,4). Bei den BS-Patienten nahmen ebenso Patienten mit Adipositas häufiger eine stationäre AR in Anspruch (OR=1,2). Dagegen führten Männer nach einer BS-Operation die AR seltener stationär durch (OR=0,75).

Zwischen 2005 und 2009 reduzierte sich die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an einer AR im stationären Setting bei den Hüft-TEP-Patienten von 7,8 auf 2,1 und bei den Knie-TEP-Patienten von 7,2 auf 1,7. Bei den BS-patienten verringerte sich diese von 3,5 auf 1,2.

Diskussion: Der Anteil der Rehabilitanden, die eine ambulante AR in Anspruch nahmen, stieg parallel zum Ausbau ambulanter Rehabilitationsstrukturen an.

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Patienten mit einem höheren Betreuungsbedarf eher eine stationäre AR in Anspruch nehmen. So führten u.a. ältere Patienten sowie Patienten mit Komorbiditäten häufiger eine AR im stationären Setting durch. Bei älteren und adipösen Patienten könnte die für eine ambulante AR erforderliche Mobilität nicht gegeben sein. Ferner ist bei Patienten höheren Alters anzunehmen, dass sie über die Entlassung aus dem Akutkrankenhaus hinaus, einen höheren Versorgungsbedarf bspw. aufgrund einer verlangsamten Wundheilung haben. Da diese eher allein leben, ist denkbar, dass die erforderliche Betreuung im häuslichen Umfeld nicht sichergestellt ist, so dass eine stationäre AR erforderlich ist. Jüngere Patienten bevorzugen das ambulante Setting vermutlich aufgrund der Wohnortnähe, der Aufrechterhaltung des Kontakts zum sozialen Umfeld (Kinderbetreuung, etc.) und der Vereinbarkeit mit der beruflichen Tätigkeit.

Praktische Implikationen: Gemäß dem Rahmenkonzept beeinflusst die Fallschwere die Inanspruchnahme einer ambulanten bzw. stationären AR. Neben dieser scheinen aber auch Kontextfaktoren, wie die familiären und beruflichen Bedingungen, für das Setting der AR eine Rolle zu spielen. Diese sollten bei der Zugangssteuerung zu einer bestimmten Rehabilitationsform Berücksichtigung finden.


Literatur

1.
Deutsche Rentenversicherung Bund. Rahmenkonzept zur medizinischen Rehabilitation in der gesetzlichen Rentenversicherung. 2009. URL: http://www.deutsche-rentenversicherung.de/cae/servlet/contentblob/207036/publicationFile/2127/rahmenkonzept_medizinische_reha.pdf, Abruf: 09.10.2016. External link