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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Der Landarzt-Abgrenzungsalgorithmus (La-Abal)

Meeting Abstract

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  • Christian Marschner - Bielefeld, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV001

doi: 10.3205/17dkvf104, urn:nbn:de:0183-17dkvf1041

Published: September 26, 2017

© 2017 Marschner.
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Hintergrund: Demografische Veränderungen und steigende Lebenserwartungen der Bevölkerung machen es erforderlich, die gegenwärtige und zukünftige medizinische Versorgung - insbesondere in ländlichen, zumeist strukturschwachen Regionen Deutschlands zu planen, zu koordinieren und somit letztlich sicherzustellen. In diesem Kontext ist der Begriff »Landarzt« ein häufig verwendeter Terminus. Allerdings mangelte es in der Literatur bis dato an einer konkreten und zugleich unabhängig übergreifend anwendbaren Definition des Landarztbegriffes. Das entwickelte Modell des Landarzt-Abgrenzungsalgorithmus (La-Abal) ist der Versuch, diesem Defizit zu begegnen. Mit dem La-Abal wird erstmals eine einheitliche Vorgehensweise aufgezeigt, anhand dessen sich Ärzte strukturiert und nachvollziehbar in Landärzte und stätisch/urban tätige Ärzte differenzieren lassen.

Fragestellung: Die folgenden Fragestellungen standen im Mittelpunkt der Untersuchungen:

1.
Lässt sich der entwickelte La-Abal auf Gesamtdeutschland adaptiv anwenden?
2.
In welchen Regionen sind Landärzte per Definition angesiedelt?
3.
Inwieweit korrespondieren die als Landarztbereiche deklarierten Gebiete mit hausärztlich unterversorgten Regionen auf Basis der Bedarfsplanungsrichtlinie (BPL-RL) bzw. des Sachverständigenrates zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen Gutachten 2014 (SVR-Gutachten 2014)?

Methode: Das auf Erkenntnissen des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) basierende Prinzip des hier konzipierten La-Abals ist die aufeinander aufbauende Abgrenzungssystematik unter Verwendung der drei Abgrenzungsparameter: »Grundzentrum«, »Ländliche Besiedelung« und »Räumliche Lage«. Bundesweite wissenschaftliche Aktivitäten des BBSR finden i.d.R. auf der Aggregationsebene von Einheitsgemeinden und Gemeindeverbänden statt. Das La-Abal-Modell beruht ebenfalls auf dieser Analyseebene. Grundsätzlich werden durch den La-Abal eindeutige Bedingungen formuliert, die erfüllt sein müssen, um Einheitsgemeinden bzw. Gemeindeverbände als Landarztbereiche definieren zu können. Bei den beiden erstgenannten Abgrenzungsparametern handelt es sich um modellseitig festgesetzte Größen. Der dritte Abgrenzungsparameter »Räumliche Lage« dient in diesem Kontext der Feinjustierung und lässt sich, je nach Bedarf/Interesse, flexibel anpassen. Detaillierte Erläuterungen zum Inhalt der Abgrenzungsparameter sowie zum konzeptionellen Aufbau des La-Abals finden sich bei Marschner et al. 2015 »Abgrenzungskonzeption zur Definition Landarzt«.

Ergebnisse: Die Anwendung des La-Abal zeigte eine konsistente Übertragbarkeit auf das gesamte Bundesgebiet. Die einzelnen vorgenommenen Abgrenzungsszenarien auf Basis des dritten Abgrenzungsparameters zur „Räumlichen Lage“, verwies zudem darauf, dass es völlig unabhängig ist, wie „engmaschig“ der La-Abal eingestellt wird, es existierten in jedem Szenario Landarztbereiche. Lediglich die Anzahl der vorhandenen Landarztbereiche und die damit jeweils einhergehende Bevölkerungsanzahl und Flächenanteile veränderten sich. Darüber hinaus korrespondieren die identifizierten Landarztbereiche mit denen als hausärztlich unterversorgt geltenden Regionen sowohl gemäß den Erkenntnissen aus der BPL-RL als auch nach den Erkenntnissen aus dem SVR-Gutachten 2014. Die Analysen zeigten jedoch auch, dass städtisch/urban geprägte Einheitsgemeinden bzw. Gemeindeverbände existieren, die ebenfalls als unterversorgt gelten jedoch weder im Rahmen der BPL-RL noch im Rahmen des SVR-Gutachtens 2014 als solche identifiziert werden.

Diskussion: In erster Linie ist der La-Abal ein im „top down“-Verfahren konzipierter Ansatz der es ermöglichen soll, ein einheitliches Landarztverständnis zu etablieren. Dies ist notwendig, um die mit den gesellschaftlichen und räumlichen Veränderungen einhergehenden Forderungen nach Lösungen zur Sicherstellung (regionaler) Gesundheitsversorgung, gezielter angehen zu können. Aktuell bestehende Lösungsansätze zur Aufrechterhaltung der ambulanten medizinischen Versorgung wie etwa in Form von Gesundheitszentren, Telemedizin, Gemeindeschwestern, Nachwuchsförderungsprogrammen usw. ließen sich vor dem Hintergrund der Ergebnisse durch den La-Abal ebenfalls auf ihre Wirksamkeit und ihren Nutzen hin beurteilen. Die bisher durchgeführten Untersuchungen zum La-Abal zeigen, dass dieser sich bundesweit anwenden lässt und eine ausreichende situations- und interessenbezogene Anwendungsflexibilität aufweist. Darauf aufbauend können Analysen nach dem notwendigen, dem tatsächlichen Bedarf an ambulant medizinischer Versorgung diskutiert werden. Hierdurch lässt sich der La-Abal durchaus als ergebnisorientiertes, praktikables und standardisiertes Modell zur Identifizierung von Land(arzt)bereichen bezeichnen.

Praktische Implikationen: Der La-Abal ist ein Ansatz, eine im Rahmen der Versorgungsforschung unter zeitlichen und finanziellen Aspekten realisierbare Vorgehensweise zur deutschlandweiten Differenzierung zwischen Land- und städtisch/urban tätigen Ärzten anzubieten.