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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Teamwork und Koordination im stationären Sektor – Deutschland im europäischen Vergleich

Meeting Abstract

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  • Julia Köppen - Technische Universität Berlin, Berlin, Germany
  • Claudia Maier - Technische Universität Berlin, Berlin, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV192

doi: 10.3205/17dkvf098, urn:nbn:de:0183-17dkvf0985

Published: September 26, 2017

© 2017 Köppen et al.
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Hintergrund: Eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit als auch eine gute Koordination innerhalb des Krankenhauses sowie über Sektoren hinweg sind Voraussetzungen für eine hohe Patientensicherheit und Effizienz. Bisher ist jedoch kaum erforscht, wie Teams in Krankenhäusern zusammenarbeiten und wie sie die Koordination der Behandlung bewerten.

Fragestellung: Diese Studie untersucht für den stationären Krankenhaussektor

i) inwieweit sich enges Teamwork innerhalb von 9 europäischen Ländern für die Behandlungspfade Brustkrebs (BK) und Herzinfarkt (HI) unterscheidet,

ii) mit welchen Berufsgruppen in den meisten Patientenfällen zusammengearbeitet wird und

iii) wie die Koordination innerhalb der Organisation und einrichtungsübergreifend aus Perspektive der Leistungserbringer eingeschätzt wird.

Methode: Die Studie basiert auf dem EU-geförderten Projekt MUNROS, welches in 9 europäischen Ländern (England, Deutschland, Italien, Niederlande, Norwegen, Polen, Schottland, Tschechien, Türkei) anhand von Behandlungspfaden den Einsatz neuer Gesundheitsberufe und neuer Rollen an der Versorgung untersuchte. Die Datengrundlage beruht auf einer fragebogenbasierten Querschnittserhebung (2015-2016) bei ärztlichen und nichtärztlichen Fachkräften, die am Behandlungspfad BK (n=802, 76 Krankenhäuser), bzw. am Behandlungspfad HI (n=914, 85 Krankenhäuser) beteiligt waren. Für diese Analyse wird enges Teamwork definiert als die Zusammenarbeit mit ärztlichen (z.B. Fach-, Assistenz-, Allgemeinarzt) und nichtärztlichen Fachkräften (z.B. Pflegekräfte, Apotheker, therapeutische Berufe, Röntgenassistenten) in 75-100% aller Patientenfälle. Die Koordination wurde anhand eines bestehenden Instruments erhoben und als Summenscore zusammengefasst (Cronbachs α > .79 < .91). Anhand deskriptiver Analysen wurden Unterschiede zwischen Deutschland und 8 europäischen Ländern ermittelt.

Ergebnisse: Die Zusammenarbeit von ärztlichem und nichtärztlichem Personal bei mind. 75% der Patienten (= enges Teamwork) liegt über alle 9 Länder zwischen 48% (BK) und 50% (HI), wobei Deutschland (DE) bei BK mit 66% an 2. Stelle nach den Niederlanden (NL) (68%) und bei HI mit 71% an erster Stelle liegt. Im Mittel wird mit 3.8 (BK) bzw. 4.3 (HI) Berufsgruppen kooperiert. Die Fachärzte werden in allen Ländern (HI) bzw. in 8 von 9 Ländern (BK) von mind. 50% der Befragten genannt, die Assistenzärzte sind in dieser Studie in 5 (BK) bzw. 7 (HI) Ländern Teil des engen Teamworks. Spezialisierte Pflegefachkräfte werden in 7 von 9 Ländern bei BK genannt, bei HI jedoch nur in den NL, Polen und Tschechien (CZ), bei HI sind es die Pflegefachkräfte, die in 8 von 9 Ländern genannt werden. In England (ENG) und Schottland (SCO) sind zudem Röntgenassistenten Teil des engen Teamworks bei BK und Krankenpflegehelfer in ENG, SCO und CZ bei HI.

Die Koordination innerhalb des Krankenhauses liegt über alle 9 Länder hinweg bei 3.8 (auf einer Skala von 1 [min.] bis 5 [max.]), der Wert ist etwas geringer (3.6) für den Behandlungspfad HI; DE liegt bei BK im Mittelfeld und bei HI an 8. Stelle. Die Koordination einrichtungsübergreifend erreicht über alle Länder hinweg für BK und HI statistisch signifikant geringere Werte (BK 3.5, HI 3.3, p <.001) als innerhalb des Krankenhauses, der Unterschied ist ebenfalls in 7 (BK) bzw. 6 (HI) Ländern statistisch signifikant.

Diskussion: In Bezug auf Teamwork erreicht DE im Vergleich zu anderen europäischen Ländern gute Werte. Dies trifft jedoch nicht für die Koordination der Versorgung von Patienten mit BK und HI zu, hier besteht ein Verbesserungspotential innerhalb der Krankenhäuser und über Sektoren hinweg, insbesondere beim Behandlungspfad HI. In 7 von 9 Ländern (inkl. DE) ist eine enge Kooperation mit spezialisierten Pflegekräften bei der Versorgung von Patienten mit BK sichtbar, während in die Versorgung von HI-Patienten primär Pflegefachkräfte involviert sind. Dies kann auf spezialisiertere Tätigkeiten innerhalb des Behandlungspfads BK hindeuten. Auffallend ist, dass Länder, in denen neue Gesundheitsberufe bereits vermehrt an der Versorgung beteiligt sind (ENG, NL, SCO), diese Berufe wie z.B. Nurse Practitioner eher bei der Zusammenarbeit bei weniger als 75% der Patientenfälle genannt werden.

Praktische Implikationen: Die Versorgung von Patienten mit BK und HI in Deutschland ist von enger Teamarbeit geprägt, auch im europäischen Vergleich. Die Koordination innerhalb von Krankenhäusern als auch einrichtungsübergreifend zeigt für DE noch Verbesserungspotentiale auf. Verbesserte Strukturen der Koordination und des Case Managements durch spezialisiertes Pflege- oder anderes nichtärztliches Personal könnten dazu beitragen, die Koordinationsprozesse zu verbessern. Die Rolle der Breast Care Nurse oder Patientenlotsen in anderen Ländern hat gezeigt, dass sie die Rolle effektiv übernehmen können und das ärztliche Personal dahingehend entlasten könnten.