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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Interprofessionelle Zusammenarbeit im Rahmen der Versorgung Sterbender an einer Uniklinik

Meeting Abstract

  • Annika Dangendorf - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Barbara Strohbücker - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Meryem Zandolu - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Vera Lux - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Thomas Montag - Uniklinik Köln, Köln, Germany
  • Raymond Voltz - Uniklinik Köln, Köln, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV190

doi: 10.3205/17dkvf096, urn:nbn:de:0183-17dkvf0965

Published: September 26, 2017

© 2017 Dangendorf et al.
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Outline

Text

Hintergrund: Der Eintritt in die Sterbephase erfordert die Neubestimmung der Therapieziele und Anpassung des Behandlungsplans im Rahmen eines multiprofessionellen Entscheidungsprozesses. Unbekannt ist, inwieweit dies in der Praxis umgesetzt wird. Ziel war es, die Qualität der Sterbebegleitung sowie das Erleben der Mitarbeiter – v. a. in Bezug auf belastende und unterstützende Faktoren – zu erfassen. Die Untersuchung soll Grundlage für die Entwicklung einer klinikspezifischen Handlungsempfehlung sein.

Fragestellung: Das Ziel des Projektes ist die Analyse der Situation sterbender Patienten und der Erfahrungen und des Erlebens der betreuenden Teams an einer Uniklinik. Die Analyse der Ausgangssituation setzt sich aus der Beantwortung der folgenden Teil-Fragestellungen zusammen:

1.
Wie werden Patienten in der Sterbephase betreut (Pflegeinterventionen, diagnostische und therapeutische Maßnahmen, Betreuung Angehöriger)? Welche strukturellen Bedingungen liegen vor (Einbezug der Seelsorge, Räumlichkeiten etc.)
2.
Wie gehen die Mitarbeiter dieser Abteilungen mit den daraus resultierenden Herausforderungen um? Wann empfinden sie Sterbebegleitungen als „gelungen“? Was belastet sie und welche Strategien haben sie entwickelt, um damit umzugehen?

Methode: Für das Projekt wurden vier Stationen mit einer hohen Anzahl von Sterbefällen aus verschiedenen Fachrichtungen ausgewählt (Gelegenheitsstichprobe). In einem Mixed Methods Ansatz wurden 40 Akten verstorbener Patienten analysiert, 10 semi-strukturierte Interviews mit Führungskräften (Oberärzte, Pflegedienst, Patientenservice) und eine Online-Befragung der Mitarbeitenden (n=226) durchgeführt. Für die Aktenanalyse wurde basierend auf den vier Qualitätsindikatoren (QI) der S3-Leitlinie für die Sterbephase (QI 4: Symptomassessment; QI 5: Erfassung von Unruhe; QI 6: Beenden von tumorspezifischen Maßnahmen und QI 7: Beenden von medizinischen Maßnahmen) und weiteren Schlüsselempfehlungen, wie z. B. zu Kommunikation und Betreuungskontinuität, ein Instrument in Form einer Checkliste entwickelt. Auch der Interviewleitfaden und die Online-Befragung orientieren sich an den Empfehlungen der S3-Leitlinie. Die Datenauswertung erfolgte anhand statistischer Methoden und der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring.

Ergebnisse: Während die Mehrheit der Ärztinnen und Ärzte sich an Entscheidungen beteiligen können, waren es bei den Pflegenden nur etwa die Hälfte. Etwa 30% der Pflegenden und 20% der Ärztinnen und Ärzte möchten sich nicht an Entscheidungen beteiligen. Zusätzlich waren Entscheidungen nur für 61,8% der Pflegefachpersonen (Ärzte 83,8%) nachvollziehbar dokumentiert. Diese Zahlen decken sich mit den Berichten der Pflegenden in den Interviews. Dort berichteten sie ihre Frustration über langwierige Entscheidungsprozesse und den Eindruck, dass ihre Stimme nicht gehört werde. Gleichzeitig betonten die Oberärzte und Teamleitungen der Pflege die Bedeutung interdisziplinärer Entscheidungsfindung. Belastungen durch häufige oder schwere Sterbefälle zeigen sich vor allem durch Reizbarkeit und erhöhte Spannungen zwischen den Berufsgruppen. Gleichzeitig schätzen die Befragten die Zusammenarbeit im Team und mit anderen Berufsgruppen als hilfreichsten Faktor zur Bewältigung von Belastungen ein. Eine Struktur zur multidisziplinären Entscheidungsfindung ist aktuell auf einer Station in Form einer Ethikvisite implementiert. Alle drei Berufsgruppen äußerten den Bedarf nach mehr fachlichen Informationen und Handlungsempfehlungen.

Diskussion: Der Zusammenarbeit im Team kommt bei der Begleitung Sterbender eine Schlüsselrolle zu.

Eine gute Zusammenarbeit bei der Versorgung von Sterbenden wurde von allen beteiligten Berufsgruppen als hilfreich und entlastend angesehen – und wird von der S3-Leitlinie Palliativmedizin empfohlen. Andererseits können sich Belastungen auf das multiprofessionelle Team negativ auswirken und die Zusammenarbeit erschweren. Ein systematischer interprofessioneller Entscheidungsprozess ist bisher nur ansatzweise implementiert. Einer weiteren Untersuchung bedarf die Tatsache, dass sich ein Teil der Pflegefachpersonen und Ärztinnen und Ärzte nicht an Entscheidungen beteiligen möchte. Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass einige der Befragten Unklarheiten bezüglich ihrer Rolle in der Begleitung Sterbender haben.

Praktische Implikationen: In einem nächsten Schritt werden Maßnahmen ergriffen, um die Kommunikation zwischen den Berufsgruppen zu stärken und interdisziplinäre Entscheidungsfindung zu fördern. Hierzu gehört unter anderem die Erstellung einer Handlungsanweisung zur Versorgung sterbender Patienten mit der Regelung von Zuständigkeiten. Ergänzend sollen interprofessionelle Fortbildungsangebote und das Angebot von Fallbesprechungen ausgebaut und Maßnahmen zur Förderung des Rollenverständnisses ergriffen werden.