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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Wissenschaftliche Evaluation eines Projektes zur Integrierten Versorgung von an Schizophrenie erkrankten Patienten

Meeting Abstract

  • Linda Kerkemeyer - Universität Duisburg-Essen, Essen, Germany
  • Jürgen Wasem - Universität Duisburg-Essen, Düsseldorf, Germany
  • Anja Neumann - Universität Duisburg-Essen, Düsseldorf, Germany
  • Werner Brannath - Universität Bremen, Bremen, Germany
  • Benjamin Mester - Universität Bremen, Bremen, Germany
  • Jürgen Timm - Universität Bremen, Bremen, Germany
  • Thomas Wobrock - Kreis­kli­ni­ken Darm­stadt-Die­burg, Darmstadt, Germany
  • Claudia Bartels - Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen, Germany
  • Peter Falkai - Ludwig-Maximilians-Universität München, München, Germany
  • Janine Biermann - Universität Duisburg-Essen, Duisburg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV114

doi: 10.3205/17dkvf069, urn:nbn:de:0183-17dkvf0699

Published: September 26, 2017

© 2017 Kerkemeyer et al.
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Text

Hintergrund: Internationale Studien konnten bereits positive Effekte verschiedener Versorgungskonzepte für Patienten mit Schizophrenie nachweisen. Die AOK Niedersachsen bietet für Patienten mit Schizophrenie die Teilnahme an einer Integrierten Versorgung (IVS) an, die von ambulanten Fachärzten gesteuert wird.

Fragestellung: Ziel war die Evaluation der IVS im Vergleich zur Regelversorgung hinsichtlich der Effektivität und Kosten-Effektivität.

Methode: Basierend auf den Routinedaten der AOK Niedersachsen für die Jahre 2009-2012 wurden Patienten der IVS mittels Propensity Score mit Patienten der Regelversorgung (Kontrollgruppe, KG) gematcht und verglichen. Primärer Zielparameter war die Anzahl der psychiatrischen Krankenhaustage pro Quartal. Sekundäre Zielparameter waren die Anzahl der schizophreniebedingten Krankenhaustage, die stationäre psychiatrische sowie schizophreniebedingte Wiederaufnahme und die Kosten pro Quartal. Als Sensitivitätsanalysen für die Kosten-Effektivitäts-Analyse wurden ein nicht-parametrisches Bootstrapping, einschließlich der Erstellung einer Kosten-Effektivitäts-Akzeptanzkurve, sowie der Difference-in-Difference-Ansatz durchgeführt.

Ergebnisse: In der Analyse wurden 376 Patienten je Gruppe betrachtet (mittleres Alter IVS: 45,4 Jahre ± 13,5, KG: 44,9 Jahre ± 14,4; weiblich: IVS: 47,6%, KG: 49,5%).

Im Nachbeobachtungszeitraum ergeben sich im Mittel in der IVS 2,3 ± 6,6 und in der KG 2,7 ± 7,6 voll- und teilstationäre psychiatrische Krankenhaustage pro Quartal (p=0,772) sowie in der IVS 1,7 ± 5,0 und in der KG 1,9 ± 6,2 voll- und teilstationäre schizophreniebedingte Krankenhaustage pro Quartal (p=0,352). Des Weiteren zeigen sich in den einzelnen Kostenarten statistisch signifikante Unterschiede zwischen IVS und KG in den Kosten pro Quartal für ambulante ärztliche Versorgung nach Facharztschlüssel 51, 53, 58 (IVS: 74€ ± 42; KG: 53€ ± 48; p<0,001), für die Behandlung in psychiatrischen Institutsambulanzen (IVS: 5€ ± 30; KG: 27€ ± 76; p<0,001), für Arzneimittel (IVS: 472€ ± 493; KG: 429€ ± 533; p=0,015) und für psychiatrische häusliche Krankenpflege (IVS: 4€ ± 24; KG: 13€ ± 58; p=0,045).

Die Analyse der gesamten psychiatrischen Kosten ergibt durchschnittliche Kosten in Höhe von 1117€ ± 1663 (IVS) bzw. 1180€ ± 1948 (KG) pro Quartal (p=0,150).

Es ergibt sich ein inkrementelles Kosten-Effektivitäts-Verhältnis mit Einsparungen in Höhe von 149€ je vermiedenem psychiatrischen Krankenhaustag pro Quartal bzw. von 305€ je vermiedenem schizophreniebedingten Krankenhaustag pro Quartal. Die Implementierungskosten der IVS sind nicht in den Kosten eingeschlossen.

Diskussion: Es erfolgt bei Patienten mit Schizophrenie, die an der IVS teilnehmen, eine Reduktion der voll- und teilstationären psychiatrischen Krankenhaustage wie auch der voll- und teilstationären schizophreniebedingten Krankenhaustage (Verweildauer) im Vergleich zu Patienten unter Standardbehandlung. Beide Ergebnisse sind allerdings statistisch nicht signifikant.

Die IVS ist hinsichtlich beider Kosten-Effektivitäts-Relationen dominant, aber basierend auf statistisch nicht-signifikanten Outcome- und Kosten-Unterschieden. Jedoch unterliegt die Analyse gewissen Limitationen: Es wurden keine Gesamtkosten betrachtet und in den Routinedaten sind nicht alle Kosten, wie z.B. die der in der IVS integrierte psychiatrische häusliche Krankenpflege, aufgeführt. Mögliche Verschiebungen zu anderen Versorgungsbereichen können somit nicht einbezogen werden. Des Weiteren sind die Interventionskosten der IVS nicht bekannt und somit nicht in der Analyse enthalten.

Praktische Implikationen: Der Verbleib der an Schizophrenie erkrankten Patienten, die an der IVS teilnehmen, im ambulanten Setting stellt insbesondere für die Patienten eine positive Entwicklung dar.

Zudem können aus Sicht der Gesetzlichen Krankenversicherung mit der IVS Einsparungen für die Versorgung von Patienten mit Schizophrenie, die an dem Programm teilnehmen, im Hinblick auf die psychiatrischen sowie schizophreniebedingten Krankenhaustage erzielt werden.