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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Delegation ärztlicher Aufgaben an nichtärztliche Gesundheitsberufe in der pädiatrischen Versorgung – Ergebnisse einer standardisierten Befragung von Eltern und Angehörigen von Gesundheitsberufen

Meeting Abstract

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  • Angelika Beyer - Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
  • Neeltje van den Berg - Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany
  • Wolfgang Hoffmann - Universitätsmedizin Greifswald, Greifswald, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV157

doi: 10.3205/17dkvf037, urn:nbn:de:0183-17dkvf0378

Published: September 26, 2017

© 2017 Beyer et al.
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Hintergrund: Die gesetzliche ambulante Bedarfsplanung stellt in der Pädiatrie für weite Teile Deutschlands eine Überversorgung fest. Dem steht gegenüber, dass insbesondere in ländlichen Regionen durch die geringe Kinderzahl eine wohnortnahe Versorgung nicht immer sichergestellt werden kann.

Die Sicherstellung der flächendeckenden pädiatrischen Versorgung in ländlichen und peripheren Regionen stellt deswegen zunehmend eine Herausforderung dar.

Innovative Versorgungskonzepte (z.B. berufsgruppen- und sektorübergreifende Delegationsleistungen, telemedizinische Konzepte, regionale kooperative Behandlungspfade) können genutzt werden, um die Leistungserbringer in den ländlichen Regionen bei der Sicherstellung der Versorgung zu unterstützen und zu entlasten.

In der hier vorgestellten Untersuchung wurde ermittelt, ob im pädiatrischen Bereich Delegationsfunktionalitäten eine Möglichkeit sein können, die Versorgung in ländlichen Regionen zu unterstützen und damit einen Beitrag zur flächendecken pädiatrischen Versorgung zu leisten.

Fragestellung: Können sich Leistungsanbieter bzw. Eltern vorstellen, dass definierte ärztliche Aufgaben bei entsprechender Qualifizierung von Angehörigen nichtärztlicher Gesundheitsberufe übernommen werden? Welche Tätigkeitsbereiche und welche nichtärztlichen Gesundheitsberufe kommen dafür in Frage? Unterscheidet sich die Akzeptanz in Bezug auf verschiedene Altersgruppen der zu behandelnden Kinder und Jugendlichen?

Methode: Es wurden zwei modular aufgebaute Fragebögen für die Gesundheitsberufe und für Eltern entwickelt. Inhaltliche Kernpunkte waren die Vorstellbarkeit der Übernahme ausgewählter Delegationsaufgaben, teilweise für definierte Altersgruppen von Patienten und die Frage welche Gesundheitsberufe Delegationstätigkeiten übernehmen können. Es wurde auch gefragt, ob aus Sicht der Befragten Probleme in der pädiatrischen Versorgung bestehen.

Insgesamt wurden 1.189 Fragebögen an Angehörige von Gesundheitsberufen in Mecklenburg-Vorpommern verschickt. Zu den Adressaten gehörten alle niedergelassenen Pädiater und Hausärzte mit pädiatrischer Qualifikation und ihre Mitarbeiter, Mitarbeiter von stationären Kinderabteilungen, Reha-Einrichtungen, Intensivpflegediensten, Nachsorgeteams nach SGB V §43c, das Team zur ambulanten Palliativversorgung von Kindern, Familienhebammen, die SPZ-Leiter, Mitarbeiter des öffentlichen Gesundheitsdienstes und weitere Akteure. Die Eltern-Fragebögen wurden über 28 Kitas verteilt. Diese lagen zur Hälfte in Gebieten mit mehr als 20 km Entfernung zur nächsten pädiatrischen Versorgungsmöglichkeit (n=1.040 Eltern) und zur Hälfte in der Nähe einer pädiatrischen Einrichtung (n=1.265 Eltern). Zusätzlich wurden Fragebögen an Sprecher von Selbsthilfegruppen und -vereinen verteilt (n=40).

Ergebnisse: 617 Fragebögen wurden beantwortet, mit nahezu gleicher Response durch Gesundheitsberufe (n=206, 17,3%) und Eltern (n=411, 17,5%). Teilnehmende waren zu 87% weiblich und im Durchschnitt 38 Jahre alt. 47% gaben als höchsten Schulabschluss Abitur oder Fachhochschulreife, 6% einen Hauptschulabschluss oder weniger an. Mehr als die Hälfte der Befragten (58%) bestätigten Probleme in der pädiatrischen Versorgung und benannten diese auch in einem Freitext. Für die Aufgabe „Beratung im Bereich der Gesundheitsvorsorge und Prävention“ war der Anteil mit 68% (n=415) am höchsten, gefolgt von der „Begleitung bei der Transition eines chronisch kranken Kindes“ mit 67% (n=411). Am niedrigsten war mit 36% (n=225) der Anteil derer, die sich die Übernahme von Impfungen vorstellen konnten. Der Anteil der Ärzte, die sich eine Aufgabendelegation vorstellen können, ist bei 4 von 6 Aufgaben höher als der Anteil der Angehörigen nichtärztlicher Gesundheitsberufe. Als geeignete Professionen wurden am häufigsten Pflegefachkräfte und Medizinische Fachangestellte angegeben. Auf der Basis der Ergebnisse wurde ein Konzept erstellt, welche Berufsgruppe welche Tätigkeiten innerhalb und außerhalb der Kinderarztpraxis übernehmen kann.

Diskussion: Unter den Befragungsteilnehmern besteht eine hohe Akzeptanz für die Delegation von Aufgaben im pädiatrischen Bereich. Es scheint gerechtfertigt, in Regionen mit problematischen Versorgungsstrukturen erste Modellprojekte zu implementieren. Dies wird bestätigt durch die hohe Akzeptanz und Nachfrage von Delegation, die seit einigen Jahren in die hausärztliche Regelversorgung von Erwachsenen implementiert wird.

Praktische Implikationen: Es müssen jetzt in Kooperation mit den Leistungserbringern vor Ort Modellprojekte im Bereich Delegation in der Pädiatrie entwickelt, implementiert und evaluiert werden. Erste Modellprojekte für Mecklenburg-Vorpommern sind für 2017 bereits geplant.