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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Ambulante Flüchtlingsversorgung mobil gestalten – Erfahrungen aus dem Projekt „Rollende Arztpraxis“

Meeting Abstract

  • Katja Götz - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Luebeck, Lübeck, Germany
  • Karolin Hahn - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Luebeck, Lübeck, Germany
  • Markus Knöfler - Praxisnetz Herzogtum Lauenburg e.V., Mölln, Germany
  • Christina Möllmann - Praxisnetz Herzogtum Lauenburg e.V., Mölln, Germany
  • Jost Steinhäuser - Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Luebeck, Lübeck, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV155

doi: 10.3205/17dkvf035, urn:nbn:de:0183-17dkvf0354

Published: September 26, 2017

© 2017 Götz et al.
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Text

Hintergrund: Nach Unterbringung in Erstaufnahmeeinrichtungen werden Geflüchtete in Gemeinden untergebracht. Die besonderen infrastrukturellen Gegebenheiten der jeweiligen Gemeinde können dabei nicht immer berücksichtigt werden. Geflüchtete können sich im Rahmen der freien Arztwahl den Arzt, den sie bei Beschwerden aufsuchen, frei aussuchen, dennoch sind Sprachbarrieren häufig. Um eine auf Verständigung beruhende kontinuierliche Versorgung mit einem ärztlichen Ansprechpartner zu gewährleisten, kann eine mobile ambulante Versorgung möglicherweise hilfreich sein. Dieses mobile Versorgungskonzept wurde unter dem Namen „Rollende Arztpraxis“ in einem Landkreis implementiert und evaluiert.

Fragestellung: Welche Erfahrungen wurden bisher mit der „Rollenden Arztpraxis“ in der ambulanten Versorgung von Geflüchteten gemacht?

Methode: Um die Erfahrungen mit der „Rollenden Arztpraxis“ abzubilden, wurde ein qualitatives Studiendesign gewählt. Hierzu wurden Fokusgruppen und Interviews mit direkten Beteiligten (Geflüchtete, Gesundheitspersonal, Einrichtungsleitern und Fahrern) sowie indirekten Beteiligten (Verwaltungsangestellte, Gemeindevertretern, Organisatoren des Projekts) durchgeführt. Die Gespräche fanden von Juli 2016 bis März 2017 statt, wurden aufgezeichnet, transkribiert und inhaltsanalytisch ausgewertet.

Ergebnisse: Die Implementierung der „Rollenden Arztpraxis“ war mit verschiedenen Hürden verbunden, die vor allem die Ausgestaltung des Vertragswesens in der ambulanten Versorgung durch die Kassenärztliche Vereinigung betraf. Seit Juni 2016 ist die „Rollende Arztpraxis“ in drei verschiedenen Gemeinden im Einsatz und versorgt in Gemeinschaftsunterkünften einmal pro Woche ca. 100 Geflüchtete. Die Gemeinden sind eher ländlich geprägt mit einer Einwohnergröße von 406 bis 5633 Einwohnern. Die Geflüchteten sahen in der Inanspruchnahme dieses mobilen Versorgungskonzeptes vor allem die Reduzierung der Wegstrecken aber auch die Möglichkeit der sprachlichen Verständigung als Vorteile an. Zudem wurde die vereinfachte Terminvergabe als weiterer Vorteil gesehen. Das Gesundheitspersonal äußerte, dass die Aufrechterhaltung einer kontinuierlichen Versorgung sowie die sprachliche Verständigung durch einen Sprachmittler mittels dieses mobilen Konzeptes sehr gut funktionieren. Allerdings wurde auch geäußert, dass aufgrund der Unkenntnis des deutschen Gesundheitswesens und das was an medizinischen Leistungen als notwendig erachtet wird zu Erklärungsnöten führt, die die allgemeine zur Verfügung stehende Behandlungszeit bei weitem übersteigt. Indirekt an der Versorgung Beteiligte, sahen in diesem Angebot einen zusätzlichen Mehrwert für die gesundheitliche Versorgung. So wurde geäußerte: „Es ist schon von Vorteil, dass jemand zu dem Patienten kommt und nicht der Patient zu dem Arzt.“

Diskussion: Der Einsatz der „Rollenden Arztpraxis“ zeigt, dass verschiedene an der Gesundheitsversorgung Beteiligte unter den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten ein und dasselbe Ziel verfolgen müssen. Die Etablierung von einheitlichen Standards in der Versorgung von Geflüchteten, die unter anderem auch die Gewährung eines Sprachmittlers beinhalten sollte, bedarf noch einer intensiveren Ausgestaltung.

Praktische Implikationen: In Anbetracht der rückläufigen Entwicklung der Arztzahlen sind die Erfahrungen mit der mobilen ambulante Versorgung von Geflüchteten ein Hinweis, dass eine Rollende Praxis ein Versorgungskonzept in ländlichen Regionen für die Allgemeinbevölkerung darstellen könnte. Allerdings müsste in der Ausgestaltung des Vertragswesens vereinfachte bürokratische Strukturen geschaffen werden.