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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Illness representations as predictors of patient reported outcomes in patients with multiple sclerosis

Meeting Abstract

  • Manuela Glattacker - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Germany
  • Katharina Klindtworth - Universitätsklinikum Freiburg, Medizinische Fakultät, Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, Freiburg, Germany
  • Angelika Nebe - Deutsche Rentenversicherung Bund, Berlin, Germany
  • Jürgen M. Giesler - Universitätsklinikum Freiburg, Freiburg, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV071

doi: 10.3205/17dkvf023, urn:nbn:de:0183-17dkvf0236

Published: September 26, 2017

© 2017 Glattacker et al.
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Text

Hintergrund: Multiple Sklerose ist für die Betroffenen mit einem intra- und interindividuell variablen Symptomkomplex sowie erheblichen Einschränkungen der Aktivität und Teilhabe verbunden [1], was hohe Kompetenzen im Hinblick auf die Krankheitsanpassung erforderlich macht. Es gibt einige Studien zu der Frage, welche – durch psychologische Interventionen veränderbare – psychologischen Merkmale die individuelle Krankheitsanpassung vorhersagen. Allerdings weisen viele dieser Studien Limitationen auf (a-theoretisch, geringe Stichproben, keine Kontrolle medizinischer Charakteristika) [2]. Ein Konstrukt, dessen Relevanz bzgl. patientenbezogener Outcomes in anderen Indikationen in Übereinstimmung mit den Annahmen des Common Sense-Selbstregulationsmodells gut belegt [3], in der Indikation MS aber überraschend unterrepräsentiert ist, sind die subjektiven Krankheitskonzepte, d.h. die patientenseitigen Annahmen zu den Krankheitssymptomen, den Ursachen, dem Zeitverlauf, der Kontrollierbarkeit/Behandelbarkeit und den Konsequenzen der Erkrankung.

Fragestellung: Ziel des vorliegenden Beitrags ist es, zu analysieren, ob subjektive Krankheitskonzepte in der Indikationsgruppe MS Prädiktoren zweier zentraler patientenseitiger Outcomes – Fatigue und Einschränkungen im Alltag – sind.

Methode: Die Datenerhebung erfolgte im Rahmen einer bundesweiten Online-Befragung. Zur Operationalisierung des subjektiven Krankheitskonzepts wurde der Brief-Illness Perception Questionnaire (B-IPQ) eingesetzt [4]. Mit 8 Items, die auf 11-stufigen Skalen zu beantworten sind, misst der B-IPQ den wahrgenommenen „Krankheitsverlauf“ (aufgrund der schiefen Verteilung in MS-Studien hier ausgeschlossen), „Konsequenzen“, „Persönliche Kontrolle“, „Behandlungskontrolle“, „Identität“ (Symptomlast), „Sorgen“, „Kohärenz“ und die „Emotionale Belastung“ durch die MS. Als Outcomes wurden erhoben, inwieweit die Betroffenen in den letzten 7 Tagen unter Fatigue litten (4-stufige Skala: gar nicht – sehr) und wie stark sie sich durch die MS in ihrem Alltag eingeschränkt fühlten (8-stufige Skala: gar nicht – sehr). Als potenzielle Confounder wurden soziodemographische (Alter, Geschlecht, Schulabschluss, Partnerschaft) und krankheitsbezogene (Diagnose/Verlaufsform, Zeit seit dem letzten Schub, Zeitspanne seit den ersten Symptomen und seit der Diagnose) Variablen berücksichtigt. Mittels linearer Regressionsanalysen wurde nach Adjustierung derjenigen soziodemographischen und krankheitsbezogenen Variablen, die bivariat signifikant mit dem jeweiligen Outcome korrelierten, die Vorhersagekraft der subjektiven Krankheitskonzepte bzgl. Fatigue und Einschränkungen im Alltag ermittelt.

Die Stichprobe umfasste N=590 Betroffene mit MS. 72% der Stichprobe waren Frauen, das Durchschnittsalter lag bei 45,6 Jahren. 52% der Befragten litten an einer vorherrschend schubförmig verlaufenden MS. Durchschnittlich bestanden die Symptome seit 17 Jahren, die Diagnose wurde im Schnitt vor 11 Jahren gestellt.

Ergebnisse: Im Hinblick auf Fatigue wurden unter Einschluss der soziodemographischen Variablen 5%, unter zusätzlichem Einschluss der krankheitsbezogenen Variablen 10% und unter zusätzlichem Einschluss der subjektiven Krankheitskonzepte 21,2% Varianz aufgeklärt. Drei Variablen erwiesen sich im finalen Modell als signifikante Prädiktoren: Fatigue war mit der Verlaufsform (p<.001), einer hohen Symptomlast (p<.001) und einer starken emotionalen Belastung durch die MS (p<.001) assoziiert. Bzgl. Einschränkungen im Alltag wurden durch die soziodemographischen Variablen 5,2%, unter zusätzlichem Einschluss der krankheitsbezogenen Variablen 13,4% und unter zusätzlichem Einschluss der subjektiven Krankheitskonzepte 76,5% der Varianz aufgeklärt. Fünf Variablen waren signifikante Prädiktoren der Alltagsbeeinträchtigung: Verlaufsform (p=.002), eine starke Konsequenzwahrnehmung (p<.001), eine hohe Symptomlast (p<.001), Sorgen (p=.009) sowie eine starke emotionale Belastung durch die MS (p=.013).

Diskussion: Wenngleich bei der Interpretation der Befunde einige Limitationen zu berücksichtigen sind (Querschnittsdesign, patientenseitige Erfassung sämtlicher Variablen), deuten die Ergebnisse – konsistent mit Befunden aus der Literatur – darauf hin, dass subjektive Krankheitskonzepte auch bei Kontrolle soziodemographischer und krankheitsbezogener Variablen Prädiktoren patientenbezogener Outcomes bei MS sind. Weitere Studien zu diesem potenziell durch Interventionen veränderbaren Konstrukt scheinen lohnenswert.

Praktische Implikationen: Interventionen, die die subjektiven Krankheitskonzepte der Patienten adressieren, sind in anderen Indikationen erprobt und mit Erfolg evaluiert worden. Die Entwicklung und Evaluation entsprechender Interventionen für Patienten mit MS wäre nach dem Stand bisheriger Forschung ein möglicher Ansatzpunkt zur Verbesserung differenzieller patientenseitiger Outcomes.

Dank: Das Projekt “Einstellungen zur Medizinischen Rehabilitation bei Patientinnen und Patienten mit Multipler Sklerose” wurde im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung Bund durchgeführt. Wir danken der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) für die Unterstützung bei dem Projekt sowie den an der Befragung teilnehmenden Patientinnen und Patienten.


Literatur

1.
Multiple Sclerosis International Federation. Atlas of MS 2013 – Mapping Multiple Sclerosis around the word. London: Multiple Sclerosis International Federation; 2013.
2.
Dennison L, Moss-Morris R, Chalder T. A review of psychological correlates of adjustment in patients with multiple sclerosis. Clinical Psychology Review. 2009;29:141-153.
3.
Hagger M, Orbell S. A meta-analytic review of the Common Sense Model of Illness Representation. Psychology and Health. 2003; 18:141-184.
4.
Broadbent E, Petrie KJ, Main J, Weinman J. The brief illness perception questionnaire. Journal of Psychosomatic Research. 2006;60(6):631-637.