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16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

4. - 6. Oktober 2017, Berlin

Modellhafte Erprobung einer Gesundheitsuntersuchung in Grundschulen

Meeting Abstract

  • Birgit Babitsch - Universität Osnabrück, Osnabrück, Germany
  • Daniel Rosenfeldt - Universität Osnabrück, Osnabrück, Germany
  • Ina Pöche-Guckelberger - Universität Osnabrück, Osnabrück, Germany

16. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung (DKVF). Berlin, 04.-06.10.2017. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2017. DocV118

doi: 10.3205/17dkvf001, urn:nbn:de:0183-17dkvf0012

Published: September 26, 2017

© 2017 Babitsch et al.
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Text

Hintergrund: Das Modellvorhaben ‚Gesundheitsuntersuchung in Grundschulen‘ (‚GrundGesund‘) vertritt einen komplexen Ansatz, der Gesundheitsförderung (Ansatz einer guten, gesunden Schule) und Prävention (schulische Vorsorgeuntersuchung) vereint. Ziel war es, ein Konzept zur Förderung der Gesundheit von Grundschulkindern sowie der schulischen Gesundheitsförderung auszuarbeiten und in seiner Umsetzbarkeit zu prüfen. Wesentliche Elemente waren die Durchführung einer schulärztlichen Untersuchung von Drittklässler/-innen in drei Modellregionen (Kreis Recklinghausen, Stadt Flensburg und Stadt Kassel), die Entwicklung von Schülergesundheitsberichten sowie die Ableitung und Durchführung von Aktivitäten der Gesundheitsförderung in den teilnehmenden Schulen.

Fragestellung: Im Rahmen des Modellvorhabens wurde überprüft, ob die Komponenten einer Gesundheitsuntersuchung realisiert werden können und welchen Beitrag dieses für die individuelle Gesundheit der Schüler/-innen und für die Entwicklung hin zu einer guten, gesunden Schule leisten kann.

Methode: Das Modellvorhaben gliederte sich in drei Phasen. In der Vorbereitungsphase wurden die Rahmenbedingungen in den Modellregionen vor Ort geschaffen und die Gesundheitsuntersuchung vorbereitet. Während der Durchführungsphase wurden mittels einer schulärztlichen Untersuchung durch den Öffentlichen Gesundheitsdienst und einer Befragung der Eltern gesundheits- und schulbezogene Daten erhoben und quantitativ ausgewertet. Neben der individuellen Rückmeldung an die Eltern erhielt jede Schule einen Schulgesundheitsbericht über alle teilgenommenen Drittklässler/-innen. Auf Basis dieser Berichte wurden Steuergruppen in den Schulen gebildet, in denen die Prioritäten zur Förderung der Schülergesundheit festgelegt und gesundheitsförderliche Aktivitäten abgeleitet wurden. Mit den Partner/-innen aus dem Öffentlichen Gesundheitsdienst und der Schulverwaltung bestand ein enger Austausch. Die Abschlussphase beinhaltete die Auswertung des Gesamtprojektes. Grundlage hierfür war eine umfangreiche Prozess- und Ergebnisevaluation. Dazu wurden quantitative und qualitative Befragungen der beteiligten Akteure durchgeführt sowie ein engmaschiges projektbegleitendes Monitoring generiert.

Ergebnisse: Es beteiligten sich 40 Grundschulen in drei Regionen. 1303 Drittklässler/-innen nahmen das Angebot einer schulärztlichen Untersuchung an (Response: 60,8 %). Die Mehrzahl der Kinder verfügte über eine gute Gesundheit. Jedoch bestanden bei einem nicht unerheblichen Teil der Kinder relevante gesundheitliche Risiken und Probleme, insbesondere in den Bereichen Sehen, Gewicht und Motorik. Die gesundheitlichen Risiken bei Kindern mit Eltern mit einem niedrigen Bildungsabschluss waren im Vergleich zu Kindern mit Eltern mit einem hohen Bildungsabschluss, insbesondere bei Übergewicht bzw. die Adipositas und den motorischen Fähigkeiten, zum Teil um das Drei- bis Vierfache erhöht. Auch bei der elterlichen Einschätzung der Bewältigung des schulischen Alltags schnitten die Kinder in Familien mit geringer Bildung im Vergleich zu Kindern in Familien mit hoher Bildung schlechter ab. Der Nutzen der Schulgesundheitsberichte wurde von den Akteuren unterschiedlich bewertet. Beim Aufbau und bei der Darstellung der Ergebnisse wurden Diskrepanzen deutlich. Insgesamt führten 33 Schulen gesundheitsförderliche Projekte durch, deren Schwerpunkte im Bereich Ernährung, Bewegung und psychosoziale Gesundheit lagen. Die Ergebnis- und Prozessevaluation ergaben, dass sich die gesundheitsförderlichen Aktivitäten gut umsetzen ließen und die intendierten Ziele erreicht werden konnten.

Diskussion: Im Rahmen des Modellvorhabens konnte der komplexe Präventionsansatz umgesetzt und Impulse für die Gesundheit der Schüler/-innen vorwiegend im Bereich der Prävention gegeben werden. Es bietet die Chance, gesundheitliche Risiken bei Kindern und ihren Einfluss auf die Schulentwicklung zu minimieren, gesundheitliche Ressourcen zu stärken und damit einen Beitrag zur Erhöhung der Chancengleichheit zu leisten. Die enge und kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen dem Bildungs- und Gesundheitsbereich erwies sich als besonders gewinnbringend. Das Modellvorhaben kann einen wichtigen Beitrag zur Unterstützung der Schulen sowie zur Etablierung einer individuellen, kontinuierlichen und engen Begleitung der Schulen bei der Entwicklung hin zu einer guten, gesunden und inklusiven Schule leisten.

Praktische Implikationen: Eine Bedingung für die nachhaltige Etablierung der Gesundheitsförderung in der Lebenswelt Schule ist ein systemischer Ansatz, der Schulen als Lebenswelt anerkennt und jeweils an die Schule angepasste Impulse einer kontinuierlichen Entwicklung im Bereich Gesundheit gibt. Die Initiierung der Aktivitäten der Gesundheitsförderung an den Grundschulen sollte primär durch interne Prozesse gesteuert und externe Begleitung unterstützt werden.