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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Externe Validität von Arbeitsunfähigkeitsangaben in GKV-Routinedaten

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Dirk Horenkamp-Sonntag - Charité Berlin – Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Berlin, Germany
  • Stefan Willich - Charité Berlin – Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Berlin, Germany
  • Bernd Brüggenjürgen - Charité Berlin – Institut für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie, Berlin, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocPO3-1-06-291

doi: 10.3205/13dkvf226, urn:nbn:de:0183-13dkvf2266

Published: October 25, 2013

© 2013 Horenkamp-Sonntag et al.
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Text

Hintergrund: In deutschen Krankenhäusern wurden nach Angaben des statistischen Bundesamtes in 2011 knapp 1,9 Mio. ambulante Operationen durchgeführt. Die Zahl hat sich damit in den letzten zehn Jahren mehr als verdreifacht. Insgesamt führten 61% der 2.045 Krankenhäuser in Deutschland ambulante OPs durch. Zusätzlich gibt es noch ambulante OPs, die von Belegärzten im Krankenhaus oder von Vertragsärzten außerhalb von Krankenhäusern erbracht werden.

Bei ambulanten OPs wird oftmals eine schnellere postoperative Mobilität erreicht. Aus diesem Grund wird sowohl für Fragestellungen der Versorgungsforschung als auch für gesundheitsökonomische Analysen die postoperative Arbeitsunfähigkeit (AU) als Qualitäts-Indikator herangezogen. Um diesen quantifizieren zu können, wird in der Regel auf die bei gesetzlichen Krankenversicherungen vorhanden AU-Daten zurückgegriffen, da diese als Sekundärdaten vorliegen und im Gegensatz zu Primärdaten nicht aufwendig erhoben werden müssen.

Methodik: Da GKV-Routinedaten primär zur Leistungsabrechnung erhoben werden, stellt sich die Frage, inwieweit diese zur Beantwortung ausgewählter Forschungsfragen über externe Validität verfügen.

Im Rahmen eines Forschungsprojektes mit gleichzeitiger Verfügbarkeit von Patienten- und Kranken-versicherungsdaten wird für den Parameter Arbeitsunfähigkeit mit deskriptiven statistischen Verfahren untersucht, inwieweit sich die bei gesetzlichen Krankenkassen vorhandenen (Sekundär-) Daten über Krankheitsverlauf und -umfang ihrer Versicherten im Vergleich zu den Primärdaten-Angaben (Patienten) unterscheiden.

Ergebnisse: Bei einem Ausgangsuntersuchungskollektiv von 363 Patienten stehen Angaben im zeitlichen Verlauf (0-12 Monate) nach kardialer Stentimplantation zur Verfügung. Dabei liegt nach eigenen Angaben der Patienten bei 118 eine Erwerbstätigkeit vor, die mit 2.250 AU-Tagen assoziiert ist. Diese dauert zum Untersuchungszeitpunkt FU1 (0-3- Monate nach Stentimplantation) im Mittel 28,5 Tage ± 22 SD, FU2 (4-6 Monate) 17,5 ± 25 SD und FU3 (7-12 Monate) 25,6 ± 45 SD. In den korrelierenden Krankenkassendaten sind von den 363 Patienten bei 132 in den Leistungsdaten insgesamt 9.130 AU-Tage doku-mentiert, wobei der Versichertenstatus bei 4% mit Ehemann und bei 96% mit Mitglied angegeben ist.

Eine punktgenaue Übereinstimmung liegt aus Krankenkassenperspektive zum Zeitpunkt FU1 bei 62,1% (FU2 81,9% und FU3 81,0%) vor. Der größte Anteil für die Übereinstimmung (> 95%) geht auf gesunde Versicherte zurück, bei denen keine AU-Tage dokumentiert sind. Nur ein kleiner Anteil (<5%) geht auf eine Übereinstimmung bei kranken Versicherten zurück, bei denen sowohl in den Kassendaten als auch in den Patientenangaben dieselbe AU-Dauer dokumentiert ist. Fokussiert man sich nur auf Versicherte, bei denen im Leistungsverlauf AU-Tage dokumentiert sind, beträgt die Übereinstim-mung zum Zeitpunkt FU1 0% (n = 132 Versicherte) und im zeitlichen Verlauf 10% (FU2 mit n = 60 Versicherte) bzw. 4,9% (FU3 mit n = 61). Dabei ist der Grund für die Nicht-Übereinstimmung weniger durch eine unterschiedliche AU-Dauer bedingt als vielmehr dadurch, dass in den Patientenangaben überhaupt keine AU-Tage dokumentiert sind.

Aus Patienten-Perspektive liegt bei 112 erwerbstätigen Patienten zum Zeitpunkt FU1 in 8,9% der Fälle (FU2 53,4% und FU3 49,5%) eine punktgenaue Übereinstimmung der dokumentierten AU-Angaben vor. Bei Fokussierung auf erwerbstätige Patienten, bei denen nach eigenen Angaben eine Arbeitsunfähigkeit vorlag, beträgt die Übereinstimmung zum Untersuchungszeitpunkt FU1 (n = 35) 0%, bei FU2 (n = 32) 18,8% und FU3 (n = 27) 11,1%.

Diskussion/Schlussfolgerung: Das Ausmaß der Übereinstimmung zwischen den Datenquellen Patient und Krankenversicherung fällt in Abhängigkeit von der Länge des Nachbeobachtungszeitraum und der jeweiligen Perspektive different aus. Globale Aussagen zur Validität der GKV-Datenbasis sind nicht möglich, da beiden Datenquellen individuelle Limitationen aufweisen, die bei der Interpretation der Ergebnisse berücksichtigt werden müssen. Hierzu zählt z.B. dass kurze Phasen (< 4 Tage) systembedingt nicht in Krankenkassendaten eingehen, sofern der Patient keinen Arzt zur Ausstellung einer AU-Bescheinigung aufsucht. Weiterhin unterscheidet sich die Datenerhebung: in Kassendaten ist Beginn und Ende jeder einzelnen AU mittels Datum dokumentiert, während die Patienten eine Gesamt-AU-Dauer für einen längeren Zeitraum (3- oder 6-Monate) retrospektiv angeben mussten, bei der arbeitsfreie Tage wie Wochenende und Feiertage unberücksichtigt blieben. Zusätzlich existieren Unschärfen bei der Definition bzw. Operationalisierung von Erwerbstätigkeit, da bei Patienten, die nach eigenen Angaben nicht erwerbstätig waren, in GKV-Routinedaten AU-Tage von nicht geringem Ausmaß vorhanden sind.

Bei der Nutzung von GKV-Routinedaten muss die Variabilität einzelner Sekundärdatenparameter berücksichtigt werden. Zur Abschätzung von Art und Umfang der Unterschiede sollten begleitende Eva-luationsuntersuchungen zu den jeweils verwendeten Sekundärparametern durchgeführt werden.