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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Interdisziplinäre Behandlung von Patienten mit urologischen Tumoren – eine mixed-method-Studie zu Kooperationen unter Fachärzten

Meeting Abstract

  • presenting/speaker Christine Holmberg - Berlin School of Public Health, Berlin, Germany
  • Sandra Beermann - Robert-Koch-Institut, Berlin, Germany
  • Denny Chakkalakal - Stiftung Männergesundheit, Berlin, Germany
  • Wiebke Stritter - Berlin School of Public Health, Berlin, Germany
  • Jacqueline Müller-Nordhorn - Berlin School of Public Health, Berlin, Germany
  • Lothar Weißbach - Stiftung Männergesundheit, Berlin, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT4-13-216

doi: 10.3205/13dkvf096, urn:nbn:de:0183-13dkvf0968

Published: October 25, 2013

© 2013 Holmberg et al.
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Text

Hintergrund: Onkologische Patienten sollten heute, um eine optimale Versorgung zu erhalten, inter- und multidisziplinär betreut werden. Um eine solche Versorgung zu gewährleisten, wurde die Versorgungsstrukturen in Kliniken zur Behandlung onkologischer Patienten derart verändert, dass heute organspezifische Fachärzte, Radiologen und Psychologen in Tumorzentren zusammenarbeiten. Auch die Betreuung onkologischer Patienten durch niedergelassene Ärzte und Psychotherapeuten sollte interdisziplinärer ausgerichtet sein. Dafür entwickelten die Kassenärztliche Vereinigung und der Spitzenverband der Bund der Krankenkassen eine Vereinbarung über die qualifizierte ambulante Versorgung krebskranker Patienten (Onkologievereinbarung). Allerdings wissen wir über die ambulante Versorgungssituation onkologischer Patienten nur wenig. In diesem Projekt wurde beispielhaft die ambulante Versorgungssituation von urologischen Tumorpatienten aus Sicht der beteiligten Fachärzte untersucht. Ziel war es, die Zusammenarbeit von niedergelassenen Urologen und Onkologen zu dokumentieren und zu analysieren.

Methodik: Um den gegenwärtigen Stand existierender Kooperationen zwischen niedergelassenen Urologen und Onkologen zu erfassen sowie Barrieren und begünstigende Faktoren existierender Kooperationen zu analysieren, wurde ein mixed-method Studiendesign gewählt. Hierzu wurde ein Survey mit niedergelassenen Urologen in Deutschland (N=1.925) und eine qualitative Interview-Studie mit Urologen (N=23) und Onkologen (N=17), die zum Zeitpunkt der Befragung miteinander kooperierten, durchgeführt. Der Survey wurde vor dem Einsatz in einer Pilotstudie mithilfe eines Pretests und kognitiver Interviews getestet. Die Analyse des Survey erfolgte anhand deskriptiver Statistik und multivariater Analysen. Die Interviews wurden themenspezifisch ausgewertet, um die Versorgungssituation zu beschreiben, und um Barrieren und begünstigende Faktoren von Kooperationen herauszuarbeiten.

Ergebnisse: Die Responserate des Surveys lag bei 40%, davon erachteten 79% interdisziplinäre Kooperationen für notwendig und 60% kooperierten zum Zeitpunkt der Befragung mit einem Onkologen. Mit steigendem Alter der Urologen sank die Wahrscheinlichkeit einer bestehenden Kooperation. Diejenigen, die eine Kooperation hatten, bewerteten diese positiver, wenn sie den Kooperationspartner persönlich kannten.

Qualitative Interviews zeigten, dass zwei Arten von Kooperationen voneinander unterschieden werden müssen: informelle und formelle. Die informellen Kooperationen spiegelten den medizinischen Alltag wieder, in dem Patienten zur Abklärung von Befunden oder zur Mit- und Weiterbehandlung an andere Ärzte überwiesen wurden. Diese wurden im Einzelfall vom behandelnden Arzt initiiert. Die formellen Kooperationen wurden durch gesetzliche und finanzielle Rahmenbedingungen strukturiert. Dabei handelte es sich um Tumorkonferenzen oder Praxisnetzwerke. Aus Sicht mancher Interviewpartner zwangen die strukturellen Veränderungen der Onkologievereinbarung sie in Kooperationen, die nicht als sinnvoll erachtet wurden. Sinnvoll waren Kooperationen, die es den Interviewten ermöglichte, ihr Therapiespektrum zu erweiterten oder einen Fachaustausch über Patienten zu führen. Eine Kooperation in der die Kommunikation zwischen den Partnern als schnell und effizient charakterisiert wurde, galt als gelungen. Formelle und informelle Arten der Kooperation wurden beeinflusst vom Patientenwunsch, der zu behandelnden Krankheit, gesetzlichen Rahmenbedingungen und Kompetenzzuschreibungen.

Diskussion/Schlussfolgerung: Obwohl interdisziplinäre Zusammenarbeit niedergelassener Ärzte als Standard medizinischer Versorgung betrachtet wird, gibt es dazu kaum Untersuchungen. Ebenso ist über die ambulante Versorgung onkologischer Patienten bisher wenig bekannt. In dieser Studie konnten wir zeigen, dass ein ausgewähltes Sample an Urologen, Kooperationen für wichtig erachten. Auch die Interviews zeigten, dass eine Zusammenarbeit von Fachärzten ein wichtiger Bestandteil der Patientenbetreuung darstellt. Gleichzeitig wurde dabei deutlich, dass die gesetzlich verankerten Verpflichtungen Gefahr laufen, interdisziplinären Kooperationen zu behindern. Dies liegt an der Komplexität der Faktoren, die interdisziplinäre Zusammenarbeit bestimmen und daran, dass die Regelungen zunächst eine Konkurrenzsituation geschaffen haben, da sie Ärzte, die ähnliche Versorgungsaufgaben leisteten, in Kooperationen zwingen. Das bedeutet, dass auf Praxisebene ausgehandelt werden muss, wie bestehende Versorgungsaufgaben zuzuordnen sind.