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12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.

23. - 25. Oktober 2013, Berlin

Transparenz unerwünschter Arzneimittelwirkungen

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Tobias Krahn - OFFIS e.V., Oldenburg, Germany
  • David Saß - Universität Oldenburg, Oldenburg, Germany
  • Hans-Jürgen Appelrath - Universität Oldenburg, Oldenburg, Germany

12. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. Berlin, 23.-25.10.2013. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2013. DocT3-13-46

doi: 10.3205/13dkvf088, urn:nbn:de:0183-13dkvf0889

Published: October 25, 2013

© 2013 Krahn et al.
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Hintergrund: Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) sind ein Problem, das das deutsche Gesundheitssystem nach vorsichtigen Schätzungen mit ca. 400 Mio. Euro belastet [1]. Konkrete Fallzahlen von UAW sind hingegen nicht bekannt. Insbesondere aus Perspektive der Versorgungsforschung wird bemängelt, dass keine systematischen Studien zur Häufigkeit von UAW vorliegen.

Aus informationstechnischer Sicht ist hingegen zu beobachten, dass Diagnosen, Medikationen und weitere klinische Daten zunehmend elektronisch erfasst werden. Daher stellt sich die Forschungsfrage, inwiefern diese Datensammlungen zur automatisierten Identifikation von UAW genutzt werden können.

Methodik: Zur Beantwortung der Forschungsfrage werden UAW im Folgenden nach zwei Klassen differenziert betrachtet:

Detektion bekannter UAW: Zur Detektion bekannter UAW wird eine Datenbank erstellt, in denen die in den Fachinformationen eines Medikaments veröffentlichten UAW enthalten sind. Daten zu bereits bekannten UAW sind öffentlich verfügbar und liegen in strukturierter Form vor, wobei zur eindeutigen Identifikation auf standardisierte medizinische Klassifikationssysteme zurückgegriffen wird.

Detektion unbekannter UAW: Liegt keine bekannte UAW vor, wird in dem gesamten Datenbestand mittels statistischem Data Mining nach unbekannten, verdächtigen Medikament/Ereignis-Kombinationen gesucht. Dazu wird zunächst der Zusammenhang zwischen der Verschreibung eines Medikaments x und einem medizinischen Ereignis y als Logarithmus des Verhältnisses von Beobachtet-zu-Erwartet zum Zeitpunkt t betrachtet:

IC = log2(nt xy+0,5 / Et xy+0,5)

Ist IC positiv, liegen mehr medizinische Ereignisse vor als erwartet; ist IC hingegen negativ, liegen weniger medizinische Ereignisse vor als erwartet. Hierauf basierend werden nun Zeiträume vor und nach der Verschreibung einer verdächtigen Medikament/Diagnose-Kombination betrachtet und verglichen. Anschließend lässt sich überprüfen, wie weit die beobachtete Anzahl an Patienten, die Medikament x eingenommen haben und UAW y aufweisen, von ihrem empirischen Erwartungswert abweichen. Überschreitet diese Abweichung ein zuvor definiertes Signifikanzniveau, deutet dies auf eine mögliche UAW hin [2]. Wird ein verdächtiges Ereignis gefunden und anschließend von einer medizinischen Fachkraft als mögliche UAW bestätigt, werden mittels eines selbstlernenden Algorithmus die zugrundeliegenden Rahmenbedingungen der betroffenen Patienten (z.B. Alter, Vorerkrankungen) extrahiert und als neu generiertes Wissen abgespeichert.

Darüber hinaus können UAW bspw. anhand von Laborwertparametern erkannt werden, selbst wenn keine Diagnose vorliegt. Es existieren einige Studien (siehe z.B. [3]), die zahlreiche Detektionsregeln dieser Art für UAW ergeben haben. Diese wurden in ein integriertes Repositorium überführt, welches neben den oben beschriebenen Datenquellen ebenfalls zur Detektion von UAW genutzt wird.

Ergebnisse: Ein erster Prototyp auf Basis von Testdaten ist im Rahmen des EU-Projekts SALUS [4] implementiert, der in der Lage ist, bereits bekannte UAW zu detektieren. Hierbei wurden Datenbanken angebunden, die insgesamt Daten zu über 200.000 bekannten UAW, klassifiziert nach dem MedDRA-Kodierungssystem, vorhalten. Dazu werden die Diagnosen als ICD-Codes auf MedDRA-Codes abgebildet und die Medikamente durch ATC-Codes angefragt, sodass UAW und Medikamente eindeutig identifiziert werden können.

Diskussion/Schlussfolgerung: Obwohl einige Arbeiten existieren, die sich ähnlichen Problemstellungen zur Detektion von UAW widmen, bleibt das Thema im Kontext der Versorgungsforschung nahezu unberücksichtigt. Grundsätzlich ist jedoch anzumerken, dass im Rahmen des vorgestellten Forschungsansatzes ausschließlich Verdachtsfälle erhoben werden und dass ein kausaler Zusammenhang zwischen einem Medikament und einem Ereignis nicht immer vorliegen muss. Dennoch unterstreicht ein Blick auf die veröffentlichten Statistiken für 2011 die Relevanz des Themas: Trotz der geringen Anzahl an bekannt gewordenen Fällen ist die Anzahl an kausalen Todesfällen infolge von UAW z.B. höher als die Anzahl an Todesopfern im Straßenverkehr [5].

The research leading to these results has received funding from the European Communitys Seventh Framework Programme (FP7/2007-2013) under grant agreement no ICT-287800.


Literatur

1.
Carter RS, Stoller R, Russmann S. Arzneimittelsicherheit. In: Kullak-Ublick GA, Siepmann T, Kirch W. Arzneimitteltherapie - Wirksamkeit - Sicherheit - Praktische Anwendung. 2012. p. 27-52.
2.
Norén GN, et al. Temporal pattern discovery in longitudinal electronic patient records. Data Mining and Knowledge Discovery. 2010;20:361-87.
3.
Chazard E. Automated detection of adverse drug events by data mining of electronic health records. Université Lille Nord de France; 2011.
4.
SALUS Project. Scalable, Standard based Interoperability Framework for Sustainable Proactive Post Market Safety Studies. 2013. http://www.salusproject.eu/ External link
5.
Statistisches Bundesamt Deutschland. Verkehrsunfälle. 2013. https://www.destatis.de. External link