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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, 18. GAA-Jahrestagung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.
Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V.

20.-22.10.2011, Köln

Risikofaktoren für das Ausscheiden aus einem Disease Management Programm – Befunde aus dem DMP Diabetes mellitus Typ 2 in der Region Nordrhein

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Bernd Hagen - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, Köln, Deutschland
  • Lutz Altenhofen - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, Köln, Deutschland
  • Jens Kretschmann - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, Köln, Deutschland
  • Arne Weber - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, Köln, Deutschland
  • Sabine Groos - Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland, Köln, Deutschland

10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. 18. GAA-Jahrestagung. Köln, 20.-22.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dkvf191

doi: 10.3205/11dkvf191, urn:nbn:de:0183-11dkvf1913

Published: October 12, 2011

© 2011 Hagen et al.
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Outline

Text

Hintergrund: In der Literatur wurden widersprüchliche Befunde zu den möglichen Selektionseffekten bei Eintritt in ein DMP für die Indikation Diabetes mellitus Typ 2 (DM 2) berichtet [1], [2], [3]. Nach unserem Kenntnisstand existieren bislang keine systematischen Analysen, inwieweit sich verbleibende DMP-Teilnehmer von jenen unterscheiden, die ihre Beteiligung am DMP nicht fortsetzen. In der Region Nordrhein wurde versucht, die Gruppe der ‚DMP-Aussteiger’ zu quantifizieren und anhand typischer Merkmale dieser Patienten ein statistisches Modell für das Risiko des Ausscheidens aus dem DMP zu formulieren [4].

Material und Methoden: Gegenüber 393.080 bis 2009 im DMP verbliebenen Patienten sind 34.848 Patienten bis Ende 2008 aus dem DMP ausgeschieden. Für etwa die Hälfte der Patienten liegen administrative Sterbefallmeldungen der am DMP beteiligten Kassenverbände vor. Demnach verstarben 5.400 Personen, so dass die Gruppe der ‚DMP-Aussteiger’ 29.448 Patienten umfasste. Aufgrund der hohen Fallzahlen wurden beide Populationen primär deskriptiv-statistisch analysiert, ergänzend hierzu wurde ein logistisches Regressionsmodell für die Risikofaktoren des Ausscheidens formuliert (Odds Ratio OR, 95% Konfidenzintervall CI).

Ergebnisse: Patienten, die 2008 aus dem DMP ausschieden, waren zuvor im Mittel 35,5±20,4 Monate in das Programm eingeschrieben, bei verbliebenen Patienten lag 2008 dieser Zeitraum bei 40,1±21,0 Monaten. In Bezug auf die zuletzt 2008 in beiden Populationen dokumentierten Werte waren die ausgeschiedenen gegenüber den verbliebenen Patienten fast ein Jahr älter (67,4±13,9 vs. 66,5±11,6 Jahre) sowie etwas länger erkrankt (8,7±7,7 vs. 8,4±7,0 Jahre). Es zeigte sich zudem ein geringfügig höherer HbA1c-Wert unter den ausgeschiedenen Patienten (7,2±1,5 vs. 7,0±1,2%). Die Raten pro Quartal der Teilnahme für diabetische Folgeerkrankungen (2,8 vs. 2,3%), für Stoffwechselentgleisungen (0,5 vs. 0,4%) und für das Auftreten eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls, einer pAVK oder KHK (2,6 vs. 2,1%) waren unter den Ausgeschiedenen jeweils höher. Zudem fand sich eine höhere Rate nicht wahrgenommener Schulungen unter den ausgeschiedenen Teilnehmern (3,2 vs. 2,2%). Im multivariaten logistischen Regressionsmodell erwiesen sich ein Alter von über 75 Jahren (gegenüber einem Alter von weniger als 66 Jahren) (OR 1,75, CI 1,64–1,96), eine Erkrankungsdauer über 10 Jahren (gegenüber einer unter 7 Jahren) (OR 1,56, CI 1,46–1,66), ein HbA1c-Wert von 8,5 % oder höher (gegenüber niedrigeren HbA1c-Werten) (OR 1,71, CI 1,60–1,82) sowie eine nicht erfolgte Funduskopie (OR 2,10, CI 2,00–2,22) als die bedeutendsten Prädiktoren für das Ausscheiden aus dem DMP.

Schlussfolgerung: Aus den vorliegenden Befunden ist abzuleiten, dass es sich bei den ‚DMP-Aussteigern’ um ältere, länger erkrankte und schlechter eingestellte Typ 2 Diabetiker handelt. Die Ergebnisse im Hinblick auf die Wahrnehmung von Schulungen sowie die Durchführung einer Netzhautuntersuchung deuten zudem darauf hin, dass auch die Therapieadhärenz in dieser Gruppe geringer ausgeprägt war. Da diese Patienten eigentlich eine wichtige Zielgruppe eines koordinierten Behandlungsprogramms sind, sollte in geeigneten Begleitstudien analysiert werden, welche Gründe im Einzelnen für den Ausstieg aus dem DMP Diabetes mellitus Typ 2 Nordrhein maßgeblich waren. Die Befunde sollten in weiteren Regionen überprüft werden.


Literatur

1.
Dunkelberg S, Zingel D, Noack A, van den Bussche H, Kaduszkiewicz H. Welche Patienten werden (nicht) in das DMP Diabetes eingeschlossen? Gesundheitswesen. 2006;68(5):289-93.
2.
Ullrich, W, Marschall, U, Graf C. Versorgungsmerkmale des Diabetes mellitus in Disease-Management-Programmen. Ein Vergleich von in die DMP eingeschriebenen und nichteingeschriebenen Versicherten mit Diabetes. Diabetes Stoffwechsel Herz. 2007;16(6):407-14.
3.
Graf C, Elkeles T, Kirschner W. Gibt es einen Selektionsbias im DMP Diabetes? Ergebnisse einer Versichertenbefragung von DMP-Teilnehmern und nichtteilnehmenden Diabetikern. Zeit f Allgemeinmed. 2009;85(2):74-81.
4.
Hagen B, Altenhofen L, Blaschy S, Groos S, Kretschmann J, Schmidt A, Nordrheinische Gemeinsame Einrichtung Disease-Management-Programme (Hg). Qualitätssicherungsbericht 2009 Disease-Management-Programme in Nordrhein. Düsseldorf: Nordrheinische Gemeinsame Einrichtung DMP; 2010.