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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, 18. GAA-Jahrestagung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.
Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V.

20.-22.10.2011, Köln

Kontinuität und Adhärenz bei der medikamentösen ADHS-Therapie

Meeting Abstract

10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. 18. GAA-Jahrestagung. Köln, 20.-22.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dkvf138

doi: 10.3205/11dkvf138, urn:nbn:de:0183-11dkvf1384

Published: October 12, 2011

© 2011 Egen-Lappe et al.
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Hintergrund: Der Arzneimittelreport 2010 weist steigende Verordnungszahlen bei den Psychostimulantien aus, die überwiegend zur Therapie des AufmerksamkeitsDefizit/HyperaktivitätsSyndroms (ADHS) eingesetzt werden [1]. Die vorliegende Studie untersucht an drei 2-Jahres-Kohorten von Kindern und Jugendlichen mit jeweils neu beginnender ADHS Medikation, ob sich die Therapieadhärenz im ersten Behandlungsjahr bzw. die Kontinuität der Therapie über zwei Jahre verändert. Die medikamentöse ADHS-Therapie wird somit vom Medikationsbeginn der ersten Kohorte in den Jahren 2000/2001 bis einschließlich der Nachbeobachtung von Kohorte 3 in 2006/2007 untersucht.

Material und Methoden: Datenbasis: Versichertenstichprobe AOK Hessen/KV Hessen. Grundgesamtheit: Kinder und Jugendliche 4–17 Jahre, Kohorte 1 (2000/1): N=37.966, Kohorte 2 (2002/3): N=37.299, Kohorte 3 (2004/5): N=35.380. Durchschnittsalter K1: 10,6 Jahre, K2: 10,8 Jahre, K3: 10,9 Jahre. Studienpopulation: Kinder und Jugendliche mit neu beginnender Verordnung von Methlyphenidat/Atomoxetin, d.h. keine ADHS-Medikation im Zeitraum von zwei Jahre davor: K1: n=259, K2: n=249, K3: n=228. Nachbeobachtung über acht Quartale à 90 Tage. Eine 80%ige Adhärenz wurde erreicht, wenn 150 DDD Methlyphenidat/Atomoxetin im Jahr verordnet wurden. Hierbei wurde von einer Therapie mit einer DDD pro Tag und Therapiepausen in den Schulferien und an Wochenenden/Feiertagen ausgegangen. Die Adhärenzauswertung beschränkt sich auf Patienten mit mindestens einer zweiten Verordnung, um Therapieversuche auszuschließen.

Ergebnisse: Die Auswertungen ergaben, dass in Kohorte 3 im Vergleich zu den Vorkohorten die Medikation über einen längeren Zeitraum fortgeführt wurde und die Anzahl der durchschnittlich verordneten Tagesdosen höher lag: So erhielten in Kohorte 1 37% der Kinder und Jugendlichen im ersten Therapiejahr zwischen 150 bis 365 Tagesdosen (DDD); in Kohorte 2 lag dieser Anteil bei 36%, in Kohorte 3 bei 46%. Der Anteil der Patienten mit weniger als 150 DDD im ersten Jahr ist seit 2000 rückläufig (K1: 61%, K2: 56%, K3: 46%), der Anteil mit über 365 DDD stieg seit 2000 deutlich an (K1: 2%, K2: 8%, K3: 8%). Die Adhärenz im Sinne der Definition nahm von Kohorte zu Kohorte zu: Mindestens 150 DDD erhielten 54% der Patienten in Kohorte 3 im Vergleich zu 44% bei K2 und 39% bei K1. Betrachtet man acht Quartale ab Medikationsbeginn, so erhielt in Kohorte 3 mit 29% ein deutlich höherer Anteil der Patienten in jedem der acht Quartale eine Verordnung im Vergleich zu 23% in Kohorte 2 und 21% in Kohorte 1. In Kohorte 1 brachen 24% nach dem ersten Quartal die Therapie ab im Vergleich zu 22% in Kohorte 2 und 21% in Kohorte 3. Mit Unterbrechung(en) von maximal einem Quartal setzten 30% (K1), 34% (K2) und 43% (K3) der Medikationsempfänger die Therapie bis zum achten Quartal fort.

Schlussfolgerung: Die Untersuchung zeigt, dass in den vergangenen Jahren die Kontinuität der medikamentösen ADHS-Therapie im Sinne einer längeren Fortführung ab Medikationsbeginn sowie die Menge der im ersten Therapiejahr verordneten Tagesdosen (DDD) zugenommen haben. Die Therapieadhärenz ist von Kohorte 1 zu Kohorte 3 deutlich (15%) angestiegen. Über die Angemessenheit der Indikationsstellung und individuelles Ansprechen auf die Medikation kann die Studie keine Aussage treffen. Die Untersuchung bildet die Versorgungsrealität über einen längeren Zeitraum ab und macht dadurch Veränderungen im Versorgungsgeschehen sichtbar.


Literatur

1.
Schwabe U, Paffrath D. Arzneiverordnungs-Report 2010. Heidelberg: Springer; 2010. p. 828-831.