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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, 18. GAA-Jahrestagung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.
Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V.

20.-22.10.2011, Köln

Einbindung der Sozialen Pflegeversicherung in das trägerübergreifende Persönliche Budget – Erfahrungen aus den Niederlanden, Schweden und Finnland

Meeting Abstract

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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. 18. GAA-Jahrestagung. Köln, 20.-22.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dkvf070

doi: 10.3205/11dkvf070, urn:nbn:de:0183-11dkvf0704

Published: October 12, 2011

© 2011 Schwinger et al.
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Hintergrund: Für Menschen mit Behinderung besteht seit 2008 ein rechtsverbindlicher Anspruch, Teilhabeleistungen auch in Form eines Persönlichen Budgets nach § 17 Abs. 2-4 SGB IX beziehen zu können. Kern des Persönlichen Budgets ist es, das Sachleistungsprinzip aufzuheben und damit Sozialleistungen aus der vertraglichen Dreiecksbeziehung (Kostenträger – Leistungserbringer – Leistungsnehmer) herauszulösen und in ein direktes Vertragsverhältnis von Leistungserbringer und -nehmer zu überführen. Faktisch ausgeschlossen vom Persönlichen Budget sind bisher ambulante Sachleistungen der Sozialen Pflegeversicherung.

Vor diesem Hintergrund wurde auf Grundlage eines Beschluss des Deutschen Bundestags Mitte des Jahres 2010 durch den GKV-Spitzenverband ein Modellprojekt gestartet, in welchem eine veränderte Beteiligung der Pflegeversicherung erprobt werden soll. Vor der Feldphase wurden zunächst Erfahrungen aus drei europäischen Referenzländern (Schweden, Niederlande, Finnland) u.a. hinsichtlich der folgenden Fragestellungen erhoben: Wie wird bei Aufhebung des Sachleistungsprinzips (1) die Administration vor und während der Leistungserbringung erfüllt, (2.) die Sicherstellung der pflegerischen Versorgung gewährleistet sowie (3) die Qualität sichergestellt? Gleichzeitig wurden die durch die Inanspruchnahme von „Persönlichen Budgets“ erzielten Wirkungen (4a) aus Sicht der Menschen mit Behinderung und (4b) der Kostenträger analysiert.

Material und Methoden: Mithilfe einer Literaturrecherche sowie 16 qualitativen telefonischen leitfadengestützten Experteninterviews wurden die jeweiligen Systemmerkmale und die Wirkungen von Persönlichen Budgets in den Referenzländern analysiert.

Ergebnisse: In allen drei Referenzländern waren unterschiedliche institutionelle Angebote hinsichtlich der Unterstützung von Budget-/Assistenznehmern etabliert. Die konkrete Ausgestaltung dieser ist durch das Gesamtsystem der Versorgung von Menschen mit Behinderung und Pflegebedürftigkeit beeinflusst. Die Sicherstellung der Versorgung obliegt in den skandinavischen Ländern den Kommunen, d.h. diese haben den Assistenznehmern einen Assistenten zu vermitteln/anzubieten. In den Niederlanden sind die Budgetnehmer für die Sicherstellung ihrer Versorgung selbst verantwortlich. In allen drei Referenzländern liegt die Qualitätssicherung allein in der Verantwortung der Budgetnehmer. Dies wird begründet durch den budgetbedingten Perspektivenwechsel zu Eigenverantwortlichkeit und dem hieraus folgenden subjektiven Qualitätsbegriff.

In allen drei Referenzländern sind sehr hohe Wachstumsraten der Inanspruchnahme zu beobachten. Die Nachfrage unterschiedlicher Gruppen von Menschen mit Behinderung (Art der Behinderung, Alter etc.) unterscheidet sich wiederum systembedingt zwischen den Ländern. Die Zufriedenheit der Budgetnehmer mit der Leistungsform ist hoch. In allen drei Referenzländern sind sehr hohe Wachstumsraten der Ausgaben zu beobachten. Wissenschaftlich fundierte Studien über die Wirtschaftlichkeit der Leistungsform im Vergleich zu alternativen Formen liegen nicht vor.

Schlussfolgerung: Die Ergebnisse machen deutlich, dass Schlussfolgerungen aus den Vergleichsländern nur bedingt auf den deutschen Kontext übertragbar sind. Auch haben die betrachteten Vergleichsländer sehr distinkte Ausrichtungen, die eine Verallgemeinerung von Aussagen erschweren. Gleichwohl konnten die Analysen eine Reihe von Anstößen für die Ausgestaltung der Erprobung einer veränderten Einbindung der Pflegeversicherung in das trägerübergreifende Persönliche Budget liefern.