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10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung, 18. GAA-Jahrestagung

Deutsches Netzwerk Versorgungsforschung e. V.
Gesellschaft für Arzneimittelanwendungsforschung und Arzneimittelepidemiologie e. V.

20.-22.10.2011, Köln

ADHS: Analyse der Auswirkungen des GBA-Beschlusses vom 16.09.2010 zur Einschränkung der Verordnungsfähigkeit von ADHS-Arzneimitteln

Meeting Abstract

  • corresponding author presenting/speaker Dirk Horenkamp-Sonntag - WINEG, Hamburg, Deutschland
  • Roland Linder - WINEG, Hamburg, Deutschland
  • Susanne Ahrens - WINEG, Hamburg, Deutschland
  • Peter Düker - Techniker Krankenkasse, Hamburg, Deutschland
  • Claudia Junkmanns - Techniker Krankenkasse, Hamburg, Deutschland
  • Frank Verheyen - WINEG, Hamburg, Deutschland

10. Deutscher Kongress für Versorgungsforschung. 18. GAA-Jahrestagung. Köln, 20.-22.10.2011. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2011. Doc11dkvf003

doi: 10.3205/11dkvf003, urn:nbn:de:0183-11dkvf0031

Published: October 12, 2011

© 2011 Horenkamp-Sonntag et al.
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Text

Hintergrund: Es ist bekannt, dass das Verordnungsvolumen für Methylphenidat in den letzten zehn Jahren in Deutschland erheblich zugenommen hat. Hierzu existieren bereits Publikationen, die den Arzneimittelverbrauch im Zusammenhang mit der Prävalenzentwicklung beim Aufmerksamkeitsdefizit / Hyperaktivitätsstörung (ADS/ADHS) untersucht haben. Eine Neuerung ist, dass durch eine Richtlinienänderung des Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eine Einschränkung der Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln zur ADHS-Therapie in die vertragsärztliche Versorgung eingeführt wurde.

Der G-BA setzte mit Beschluss vom 16.09.2010 Änderungen der Fach- und Gebrauchsinformationen von Methylphenidat-haltigen Arzneimitteln als Ergebnis eines europäischen Risikobewertungsverfahrens in der Arzneimittel-Richtlinie um. Somit dürfen seit 01.12.2010 diese Arzneimittel nur noch angewendet werden, wenn die Diagnose umfassender als bisher gestellt wird. Dementsprechend dürfen die Arzneimittel nur von einem Spezialisten für Verhaltensstörungen bei Kindern und/oder Jugendlichen verordnet werden und unter dessen Aufsicht angewendet werden. Bei einer Dauertherapie über zwölf Monate sollte die Therapie mindestens einmal jährlich unterbrochen werden, wobei die Beurteilung der behandlungsfreien Zeitabschnitte besonders zu dokumentieren ist.

Material und Methoden: Im TK-Versichertenkollektiv wird die Inanspruchnahme von Methylphenidat-haltigen Arzneimitteln (operationalisiert mit ATC-Code N06BA04) im Zeitverlauf untersucht. Durch einen Vorher-Nachher-Vergleich auf Basis von GKV-Routinedaten wird analysiert, inwiefern sich Art und Umfang der Arzneimittelinanspruchnahme durch die G-BA-Richtlinie seit dem 01.12.2010 bei TK-Versicherten mit ADS / ADHS geändert haben.

Ergebnisse: Von Jan 2009 bis Feb 2010 (Zeitraum 1) wurden von TK-Versicherten Methylphenidat-Verordnungen mit einer Gesamtmenge von 7.341.561 DDD in Anspruch genommen, von Jan 2010 bis Feb 2011 (Zeitraum 2) insgesamt 7.452.843 DDD (+1,5%). Monatlich waren dies durchschnittlich 11.500 Versicherte, wobei von Zeitraum 1 zu 2 die Versichertenzahl um 0,3% und die Methylphenidatkosten um 13,1% rückläufig waren.

Inwieweit sich diese Entwicklung (Stand 20.05.2011) im Verlauf von 2011 fortsetzt, wird bis zum Kongress am 20.-22.10.2011 durch Ergänzung aktueller Zahlen (weitere Quartalsergebnisse aus 2011) detailliert dargestellt werden. Dabei wird auch auf regionale sowie arztgruppenspezifische Besonderheiten im Zeitverlauf eingegangen sowie detailliert analysiert werden, inwiefern bei den Versicherten Verhaltensveränderungen (z.B. Art und Umfang von Arztkontakten) im Zeitverlauf eingetreten sind.

Schlussfolgerung: Drei Monate nach In-Kraft-Treten der GBA-Richtlinie sind unmittelbare Auswirkungen auf die Verordnungshäufigkeit von ADHS-Arzneimitteln im TK-Versichertenkollektiv nicht bzw. noch nicht erkennbar. Für vorbestehende ADHS-Fälle könnte somit die Umsetzung einer umfassenden ADHS-Diagnostik und-Therapie unabhängig von der GBA-Richtlinie angenommen werden. Inwieweit dies auch für neu diagnostizierte ADHS-Fälle zutrifft, ist durch Subgruppenanalysen separat zu untersuchen.

Trotz vorhandener methodischer Limitationen von GKV-Routinedaten können mit adäquaten Indikatoren aktuelle Verhaltensveränderungen von Versicherten und Leistungserbringern im Zusammenhang mit der Arzneimitteltherapie beim Krankheitsbild ADS/ADHS erfasst werden. GKV-Routinedatenanalysen sind geeignet, im Rahmen einer Politikfolgenforschung zeitnah Hinweise auf die Auswirkungen der Versorgung von GKV-Patienten zu geben.


Literatur

1.
Schubert, et al. Prävalenzentwicklung von hyperkinetischen Störungen und Methylphenidatverordnungen, Analyse der Versichertenstichprobe AOK Hessen/KV Hessen zwischen 2000 und 2007. Deutsches Ärzteblatt. 2010; 107(36): 615–21. DOI: 10.3238/arztebl.2010.0615 External link
2.
Braun, et al. Cost of Attention Deficit/Hyperactivity Disorder in Germany. ISPOR Prague 2010, 13th Annual European Congress, Prague, 06-09.11.2010 (Abstract und Poster)
3.
Zeidler, et al. Die Berechnung indikationsspezifischer Kosten bei Routinedatenanalysen am Beispiel von ADHS - ein Methodenvergleich. Jahreskonferenz 2011 der Deutschen Gesellschaft für Gesundheitsökonomie e.V. (DGGÖ), 21.-22.03.2011 in Bayreuth (Abstract und Vortrag)
4.
Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss vom 16.09.2010 zur Änderung der Anlage III der Richtlinie über die Verordnung von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Arzneimittel-Richtlinie) in der Fassung vom 18. Dezember 2008/ 22. Januar 2009 (BAnz. Nr. 49a vom 31. März 2009), zuletzt geändert am 19. August 2010 (BAnz. S. 3478)