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Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2012)

23.10. - 26.10.2012, Berlin

Zuverlässigkeit von Fremddiagnosen in der Orthopädisch-Rheumatologischen Begutachtung

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Jürgen Hettfleisch - medexpert, Institut für Muskuloskelettale Begutachtung, Darmstadt-Weiterstadt, Weiterstadt, Germany
  • Laura Hettfleisch - Universitätsklinikum, Hamburg-Eppendorf, Hamburg, Germany

Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie (DKOU 2012). Berlin, 23.-26.10.2012. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2012. DocWI23-107

doi: 10.3205/12dkou083, urn:nbn:de:0183-12dkou0837

Published: October 2, 2012

© 2012 Hettfleisch et al.
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Fragestellung: Nicht selten wird der Leistungsanspruch an eine Privat- oder Sozialversicherung mit einer rheumatischen Gesundheitsstörung begründet. Für dessen Anerkennung muss die Erkrankung in der Regel vollbeweislich zu sichern sein und zudem eine maßgebliche Funktionseinbuße bedingen.

Antinukleäre Antikörper lassen sich selbst bei vollständig gesunden Personen nachweisen (Teubner et al. [1]). Die aktuell gültigen Diagnosekriterien der Internationalen Rheumatologischen Fachgesellschaften (Aletaha et al. [2]) sind unscharf. Allzu häufig werden zudem Anamneseangaben oder Fremdbeobachtungen anstelle harter Fakten für eine Rheumadiagnose verwertet. Streng genommen ist nur der histologische Nachweis einer autoimmunologisch vermittelten Entzündung oder aber eine charakteristische Gelenkdestruktion, die wenigstens einem Larsen-Stadium II entspricht [3] beweisend für eine rheumatische Gesundheitsstörung.

Methodik: Probanden mit einem Fibromyalgiesyndrom wurden in die vorliegende Studie nicht aufgenommen. Bei den im Weiteren aufgearbeiteten, 79 konsekutiv seit 2008 und bis einschließlich 05.01.2011 am Institut des Erstautors untersuchten Gutachtenprobanden war statt dessen zuvor anderen Orts ein organisches Rheumaleiden diagnostiziert worden. Die Fallzahl wird bis zum Abschluss der Studie im 3. Quartal 2012 bei 100 liegen, was deren statistische Aussagekraft verbessert.

Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Am häufigsten war zuvor eine seronegative rheumatoide Arthritis diagnostiziert worden, was sich jedoch nur in 4 von 22 Fällen bekräftigen ließ. Auch die zweithäufigste Diagnose einer Psoriasisarthropathie lag tatsächlich in lediglich sechs von 17 Fällen vor. Von 16 vordiagnostizierten, seropositiven rheumatoiden Arthritiden ließen sich dagegen, bis auf zwei, alle bestätigen. Die Spondylitis ankylosans kam wiederum lediglich auf 1/6 bestätigter Diagnosen. (Tabelle 1 [Tab. 1])

Insgesamt ließ sich die Rheumadiagnose bei 48 der bislang untersuchten 79 Probanden nicht bekräftigen.

Lediglich der Einsatz von Biologicals schien ein Indiz für das tatsächliche Vorliegen eines Rheumaleidens zu sein. Bei zehn Probanden mit bestätigter Rheumadiagnose kamen sie zum Einsatz - allerdings auch in drei Fällen ohne Rheuma. Der Gebrauch von Cortison (17 vs. 12) oder Disease Modifying Antirheumatic Drugs (DMARDs, 24 vs. 22) wurde in nahezu gleicher Häufigkeit sowohl von tatsächlichen Rheumatikern, als auch von Probanden ohne belegbares Rheumaleiden angegeben.

Die gewonnenen Erkenntnisse müssen den Medizinischen Sachverständigen dafür sensibilisieren, jede zuvor gestellte Rheumadiagnose grundsätzlich zu hinterfragen. Die einschlägigen Kriterien der Europäischen und US-amerikanischen Fachgesellschaften (Aletaha et al. [2]) sind in jedem Einzelfall penibel abzuarbeiten. Besonders häufig wird eine seronegative Polyarthritis, eine Psoriasisarthritis oder eine Spondylitis ankylosans von Rheumatherapeuten diagnostiziert, ohne dass sich dies jeweils gutachtlich bestätigen ließe.


Literatur

1.
Teubner A, Tillmann HL, Schuppan D, Gericke G, Manns MP, Stölzel U. Prävalenz von zirkulierenden Autoantikörpern bei gesunden Individuen. Med Klin. 2002;97(11): 645-9.
2.
Aletaha D, et al. 2010 Rheumatoid arthritis classification criteria: an American College of Rheumatology/European League Against Rheumatism collaborative initiative. Ann Rheum Dis. 2010;69:1580-8. DOI: 10.1136/ard.2010.138461. External link
3.
Larsen A. The Value Of Individual Joints For Radiologic Assessment Of Rheumatoid Arthritis. Scand J Rheumatol. 1976;(5):119 ff.