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Inzidenz der frühen traumatischen Gerinnungsstörung und Massentransfusionsbedürftigkeit bei Beckenfrakturen unterschiedlichen Schweregrades: Eine retrospektive Untersuchung anhand von Daten aus dem Beckenregister und dem Traumregister der DGU
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Published: | October 18, 2011 |
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Fragestellung: Blutungen im Rahmen von Beckenfrakturen können aufgrund der reichen Durchblutung des spongiösen Beckenknochens und der engen anatomischen Lagebeziehung von Knochen und Gefäßen oft ein erhebliches Ausmaß annehmen und werden durch die sich parallel entwickelnde akute traumatische Gerinnungsstörung (ATG) häufig dramatisch verstärkt. Genaue Zahlen zur klinischen Häufigkeit von ATG und zur Massentransfusionsbedürftigkeit von Patienten mit Beckenfrakturen unterschiedlichen Schweregrades fehlen jedoch bislang.
Methodik: In der vorliegenden Untersuchung wurden Datensätze von Patienten mit Beckenfrakturen (Typ A, Typ B/C sowie Komplexverletzungen unter Einschluss weitere relevanter Verletzungen in anderen Körperregionen) aus dem Beckenregister und dem TraumaRegister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU) zusammengeführt. Im nächsten Schritt wurden diese Datensätze hinsichtlich i.) Inzidenz von ATG zum Zeitpunkt der Aufnahme über den Schockraum, ii.) Bedarf an Massentransfusionen (Eks ≥10), und iii.) Outcome (24h und Krankenhaus-Mortalität) retrospektiv ausgewertet.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Insgesamt konnten 359 Patienten mit Dokumentation in beiden Registern und Typ A oder Typ B/C-Frakturen ausgewertet werden (davon 20 % mit Komplextrauma). 45% (n=163) Patienten hatten bereits zum Zeitpunkt der Schockraumaufnahme eine manifeste Gerinnungsstörung (ATG). Die Frequenz der Gerinnungsstörung stieg mit dem Schweregrad der Beckenverletzung an: 36% der Patienten mit Typ A-Verletzung, 50% mit Typ B/C-Verletzung, und 63% mit Komplexverletzung wiesen bei Schockraumausnahme eine Gerinnungsstörung auf. In Übereinstimmung stieg auch die Massentransfusionsbedürftigkeit mit zunehmender Verletzungsschwere an. 26% der Patienten mit Typ B/C-Verletzungen und 42% der Patienten mit Komplexverletzungen waren im Rahmen der Schockraum- und OP-Phase massentransfusionspflichtig. Die Gesamtmortalität betrug für die einzelnen Verletzungsgruppen 7%, 10% und 17%. War die Fraktur gleichzeitig mit einer akuten Gerinnungsstörung und einer Massentransfusionsbedürftigkeit vergesellschaftet, so stieg die Mortalität dramatisch auf 33% bei Typ B/C und 65% bei Komplexverletzungen an, welches p-Werten von 0,061 bzw. 0,005 entspricht. Zusammenfassend liegt bei ca. 45% aller Patienten mit Beckenfraktur bereits zum Zeitpunkt der Schockraumaufnahme eine manifeste Gerinnungsstörung vor, die mit zunehmender Verletzungsschwere in ihrer Häufigkeit ansteigt. Die Frequenz ihres Auftretens sowie die Bedürftigkeit für eine Massentransfusion sind mit hoher Mortalität assoziiert.