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Das schwere stumpfe Trauma beim Suizidversuch – eine Untersuchung an 30.603 Patienten aus dem Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie
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Published: | October 21, 2010 |
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Fragestellung: Der traumatische Suizidversuch stellt nach wie vor eine bedeutende Ursache für schwere Verletzungen in Deutschland dar. Ziel der vorliegenden Studie war es anhand von Daten aus dem Traumaregister der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie relevante Informationen zu diesem Patientengut zu erhalten.
Methodik: In einem Kollektiv von 30.603 Patienten mit einem ISS >9 wurden epidemiologische und klinische Unterschiede von Patienten mit Suizidversuch (SUIZID) gegenüber verunfallten Patienten (UNFALL) verglichen. Um Verletzungsmuster, klinischen Verlauf, Outcome und entstandene Kosten besser vergleichen zu können wurde besonderes Augenmerk auf zwei Patientengruppen mit ähnlichem Unfallmechanismus (Sturz/Sprung aus großer Höhe; >3 m) gerichtet.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen: 1.642 Patienten der 30.603 Traumaregister-Patienten haben einen gesicherten Suizidversuch unternommen. Im Vergleich der Gruppen der SUIZID- und der UNFALL-Patienten fanden sich Unterschiede in Geschlecht (männlich: 60,2% vs. 73,4%), Drogenmissbrauch (15,7% vs. 6,6%) und Mortalität (24,2% vs. 15,3%). In beiden Gruppen fand sich ein Häufigkeitsgipfel bei Patienten in der Altersgruppe von 20–29 Jahren. (SUIZID: n=1.376, UNFALL: n=4.627). Der häufigste Verletzungsmechanismus in der SUIZID-Gruppe war der Sprung aus großer Höhe (>3 m) mit 1.071 Patienten, gefolgt von sonstigen Unfällen (n=475) und Verkehrsunfällen (n=96). Im Subgruppenvergleich der Patienten nach Sturz/Sprung aus großer Höhe wurden die Daten von 3.682 UNFALL-Patienten den 1.071 SUIZID-Patienten gegenübergestellt. Bei der Geschlechterverteilung fand sich hierbei ein deutliches Überwiegen des männlichen Geschlechts bei den UNFALL-Patienten (84,9% vs. 52,2%). In Bezug auf die Verletzungsschwere zeigte sich, dass die SUIZID-Patienten deutlich schwerer verletzt waren (ISS: 31,8 vs. 26,4). Beim Verletzungsmuster fanden sich signifikante (p<0,001) Unterschiede zugunsten der SUIZID-Patienten für schwere (AIS>2) Verletzungen des Thorax (61,8% vs. 53,2%), des Abdomens (40,0% vs. 20,4%) und der Extremitäten (62,5% vs. 33,1%). Lediglich beim schweren SHT fanden sich höhere Raten bei den UNFALL-Patienten (51,1% vs. 36,6%). Mortalitätsraten (SUIZID: 21,4% vs. UNFALL: 14,2%), Krankenhausaufenthalt (SUIZID: 29,5 Tage vs. UNFALL 26,5 Tage) und verursachte Kosten (SUIZID: € 34.833 vs. UNFALL: € 24.701 ) lagen in der SUIZID-Gruppe jeweils deutlich höher. Gleichzeitig konnte unter der Berücksichtigung von vorhergesagter (RISC-Score) und tatsächlicher Letalität in beiden Gruppen kein signifikanter Unterschied festgestellt werden (Standardisierte Mortalitätsrate: SUIZID: 0,95 vs. UNFALL: 0,89).
Die Tatsache, ob einem Sturz aus großer Höhe ein Suizidversuch zu Grunde lag, hat erheblichen Einfluss auf das Verletzungsmuster und die Verletzungsschwere und sollte sowohl bei der Erstversorgung als auch im späteren klinischen Verlauf stets bedacht werden. Gleichzeitig zeigt sich jedoch unter Berücksichtigung der Verletzungsschwere kein Unterschied in der Prognose der Patienten.