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Critical Illness Myopathie (CIM) und Polytrauma: Eine unterschätzte Entität
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Published: | October 21, 2010 |
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Fragestellung: Die CIM ist eine klinisch bedeutsame Komorbidität beim kritisch Kranken. Das klinische Bild ist gekennzeichnet durch Paresen der quergestreiften Muskulatur einhergehend mit Muskelatrophie, muskulärer Schwäche und Erschöpfbarkeit. Die Entwicklung einer CIM wurde bei Patienten mit Polytrauma bislang nicht untersucht. Ziel dieser Untersuchung ist es den Zusammenhang zwischen den evaluierten Polytrauma-Scores und der Entwicklung einer CIM zu untersuchen.
Methodik: Es wurden 30 Schwerstverletzte im Rahmen einer prospektiven Observationsstudie untersucht. Einschlusskriterien waren ≥18 Lebensjahre, ein Injury Severity Score (ISS) ≥9 und ein SAPS II Score ≥20 an 3 aufeinanderfolgenden Tagen innerhalb der ersten 8 Tage nach Trauma.
Der Nachweis einer CIM erfolgte nach standardisiertem elektrophysiologischen Protokoll einschließlich der Messung der Muskelmembranerregbarkeit [Weber-Carstens et al. CCM 2009].
Die Verletzungsschwere wurde mittels ISS (AIS Manual 2005, AAAM) und Hannoveraner Polytrauma Schlüssel (PTS) erfasst.
Die statistische Auswertung erfolgte mittels nonparametrischer Tests und ROC Analyse (SPSS 18,0). Die Ergebnisse sind als Mediane mit 25/75 Perzentilen angegeben.
Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Von 30 Schwerstverletzten waren 24 Männer und 6 Frauen. Der Median des ISS betrug 41,0 (34/42), der Median des PTS 49,0 (34/67). Die Letalität während Intensivtherapie lag bei 10% (n=3). 15 Patienten entwickelten eine elektrophysiologisch nachgewiesene CIM. Patienten mit CIM [46,5 (22/54)] waren signifikant älter als Patienten ohne CIM [33,5(21,9/44)] (p=0,033). Der SAPS-II bei Aufnahme betrug 37,5 (32,75/45) bei CIM- und 26 (24/39) bei Nicht-CIM Patienten (p=0,049).
Mit einer Sensitivität von 80% und einer Spezifität von 67% wurde hinsichtlich der Entwicklung einer CIM mittels ROC-Analyse ein Schwellenwert ≥44 für den PTS ermittelt. Patienten mit PTS-Werten ≥44 (12 von 18) entwickelten signifikant häufiger (p=0,010) eine CIM als Patienten mit niedrigeren PTS-Werten (3 von 12). Für den ISS ließ sich keine entsprechende Relation ermitteln.
Die Lokalisation (Schädel, Thorax, Abdomen, Becken) der führenden Verletzung im AIS zeigte keine signifikanten Unterschiede.
Die CIM stellt eine relevante Erkrankung beim Polytrauma dar. Bei unseren Patienten ist ein PTS≥ 44 mit der Entwicklung einer CIM assoziiert. Dies könnte im Vergleich zum ISS neben der Anzahl der Einzelverletzung und somit der Gesamtverletzungsschwere an der Berücksichtigung des Alters im PTS begründet sein. Der beobachtete Zusammenhang zwischen PTS und CIM Entwicklung sollte anhand eines größeren Polytrauma-Kollektivs validiert werden.