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Abbruch der Schockraumdiagnostik und Notfalloperation beim schwerverletzten Patienten: Eine Herausforderung für den Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie? Eine Auswertung des TraumaRegisters der DGU
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Published: | October 15, 2009 |
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Fragestellung: Die Unterbrechung der Schockraumdiagnostik bei schwerverletzten Patienten aufgrund von vital bedrohlichen Zuständen mit der Notwendigkeit notfallmäßiger operativer Eingriffe stellen eine außerordentliche interdisziplinäre Herausforderung für das gesamte Schockraumteam dar. Bei welchen Patienten und in welcher Häufigkeit solche Situationen auftreten, wurde durch eine Auswertung des TraumaRegisters der DGU auch unter dem Aspekt des neuen Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie analysiert.
Methodik: Die Daten von 12.971 Patienten des TraumaRegisters der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie (DGU, 2002 bis 2007) wurden ausgewertet. Eingeschlossen wurden alle primär aufgenommenen Patienten mit einem ISS ≥16. Unterschieden wurde zwischen Patienten, bei denen die Schockraumdiagnostik vorzeitig abgebrochen und eine Notoperation durchgeführt wurde (NOT-OP; n=713; 5,5%) und Patienten, bei denen nach vollständiger und regulär beendeter Schockraumdiagnostik die frühzeitige operative Versorgung erfolgte (Früh-OP; n=5.515; 42,5%).
Ergebnisse und Schlussfolgerungen: Patienten der Not-OP-Gruppe hatten einen ISS von 39,7±15,8, die der Früh-OP-Gruppe von 31,0±12,0. Bei Aufnahme in der Klinik war bei den Patienten der Not-OP- (44%) deutlich häufiger einen Schock als in der Früh-OP-Gruppe (15%) nachweisbar. Dies spiegelte sich in signifikanten Unterschieden für den systolischen Blutdruck bei Aufnahme (NOT-OP: 96,9±37,1 mmHg; Früh-OP: 119,7±28 mmHg), den präklinischen Volumenbedarf (NOT-OP: 1807±1325 ml; Früh-OP: 1461±1062 ml), dem BE (NOT-OP: -7,3±6,0 mmol/l; Früh-OP: -3,7±4,6 mmol/l) und der Anzahl an Erythrozytenkonzentrat-Gaben in der Initialphase (NOT-OP: 10,2±12,2; Früh-OP: 3,4±6,8) wieder (p<0,05). Die Mortalität der Not-OP-Gruppe war mit 46% gegenüber der Früh-OP-Gruppe mit 13% sehr hoch, wobei in der NOT-OP-Gruppe innerhalb der ersten 24 Stunden nach Aufnahme bereits 35% starben. Der Anteil an schweren Verletzungen (AIS≥4) des Thorax, Abdomens und der Extremitäten, nicht jedoch des Schädels waren in der NOT-OP- deutlich höher als in der Früh-OP-Gruppe. In der NOT-OP-Gruppe wurde in 53,2 % der Fälle eine Laparatomie (n=379), 25,5% eine Kraniotomie (n=182), in 11,8% eine Thorakotomie (n=84) und 10,9% eine Operation am Becken (n=78) durchgeführt. Falls die Notoperation überlebt wurde war die Zahl der Folgeeingriffe mit im Mittel 6,9 Operationen in der NOT-OP-Gruppe signifikant höher als in der Früh-OP-Gruppe mit 4,8 Operationen.
Notoperationen beim Polytrauma sind seltene Ereignisse, weisen jedoch eine extrem hohe Mortalität und komplexen Verlauf auf. Insbesondere mit Einführung des neuen Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie sind zur Qualitätssicherung der Unfallversorgung die Abläufe und Entscheidungsfindungen in diesen kritischen Situationen zu trainieren und in standardisierte Algorithmen einzupassen.