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Fraktur der HWS bei Morbus Bechterew: Therapieansätze für eine problematische Verletzung
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Published: | October 19, 2004 |
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Fragestellung
Die HWS des an M. Bechterew erkrankten Patienten ist bereits durch minimale physische Gewalt stark gefährdet. Dies begründet sich aus dem Verlust der Elastizität ("Bambusstabwirbelsäule"), so dass Frakturformen wie an langen Röhrenknochen resultieren. Bereits geringe Traumen (banale Stürze, Ausstieg aus PKW) erzeugen Frakturen, meist sind Myelon und Nervenwurzeln im Sinne neurologischer Ausfälle mit betroffen. Die Erfahrung mit diesen speziellen Verletzungen ist gering und im Nativröntgen sind sie schwer zu erkennen, so dass die Läsionen oft übersehen werden und erst mit sekundären neurologischen Schäden zur Therapie kommen.
Methoden
Von Januar 1990 bis Dezember 2003 wurden 36 Patienten mit HWS-Frakturen und M. Bechterew therapiert. Die Nachuntersuchung erfolgte im Sinne einer retrospektiven Kohortenstudie. Versorgt wurden die Patienten mit ein- und zweizeitigen dorsoventralen Stabilisierungen, nur ventraler oder dorsaler Spondylodese und in einem Fall mit Laminektomie. Verletzungsmuster, Segmenthöhen, prä- und postoperativer Neurostatus (Frankel-Score), Begleiterkrankungen sowie typische Komplikationen wurden analysiert und mit der Literatur verglichen. Der Follow-up betrug 12,5 Monate im Median.
Ergebnisse
Am häufigsten traten Luxationsfrakturen der unteren HWS-Segmente (C 6/7; C7/ T1) auf. Alle 36 Patienten wurden operativ versorgt. Sämtliche Patienten verbesserten sich durch den Eingriff im Neurostatus (Frankel). Zu einer neurologischen Verschlechterung kam es nicht. 3 Patienten (8%) verstarben perioperativ an "Bechterew-typischen" Komplikationen (ARDS und Zerreissen der Aa. vertebrales) Insgesamt kam es bei 12 Patienten (33%) zu Komplikationen, v.a. Materiallockerungen. 5 Patienten (13%) wiesen zusätzlich eine asymptomatische Zweitfraktur der LWS auf. Bei 15 Patienten (41%) war das zugrundeliegende Trauma minimal, so das bei nicht geschädigter HWS keine Fraktur entstanden wäre.13 Patienten (36%) kamen erst nach dem Auftreten sekundärer neurologischer Ausfälle verzögert zur Therapie.
Schlussfolgerungen
Die HWS-Verletzung bei M. Bechterew ist problematisch. Sie wird bei mangelnder Erfahrung leicht übersehen und bagatellisiert, sowie im Nativröntgen aufgrund der morphologisch schwer veränderten Wirbelsäulenanatomie nicht erkannt. Demzufolge kommen viele Patienten erst nach Eintreten von neurologischen Schäden zur Behandlung ("fatale Pause"). Die CT und /oder NMR Diagnostik der gesamten Wirbelsäule ist obligat (klinisch stumme Mehr-Höhen-Verletzungen) Die Therapie ist nahezu ausschliesslich operativ, als Verfahren der Wahl hat sich die dorsoventrale Stabilisierung (ein- oder zweizeitig) durchgesetzt. Die Letalität ist v.a. aufgrund pulmonaler Komplikationen (ARDS) des rigiden Bechterew-Thorax hoch, lag in unserem Kollektiv mit 8% jedoch unter dem Literaturdurchschnitt (30-57%) Andere Komplikationen sind das Auslockern der Implantate v.a. ventral, was meist eine Re-Osteosynthese mit längerer Fusionsstrecke erfordert.