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47. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 21. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC)

08.09. - 10.09.2016, Kassel

Case Report: Versicherungsbetrug durch Selbstmutilation bei Ärzten

Meeting Abstract

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  • presenting/speaker Barbara Grill - Ernst-von-Bergmann, Potsdam, Plastische Chirurgie, Berlin, Deutschland
  • Thorsten Bund - Ernst-von-Bergmann, Potsdam, Plastische Chirurgie, Berlin, Deutschland
  • Mojtaba Ghods - Ernst-von-Bergmann, Potsdam, Plastische Chirurgie, Berlin, Deutschland

Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen. Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen. 47. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC), 21. Jahrestagung der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC). Kassel, 08.-10.09.2016. Düsseldorf: German Medical Science GMS Publishing House; 2016. Doc162

doi: 10.3205/16dgpraec162, urn:nbn:de:0183-16dgpraec1626

Published: September 27, 2016

© 2016 Grill et al.
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Einleitung: Handchirurgisch tätige Ärzte bekommen nicht selten Eigenverletzungen der Hände mit der Absicht des Versicherungsbetrugs zu Gesicht. In der Notaufnahme steht die Erstversorgung im Vordergrund, wichtige forensische Details werden primär oft übersehen. Gerade unter Kollegen kommen selten Zweifel auf, dass ein Versicherungsbetrug vorliegen könnte. Allerdings fällt die Berufsgruppe der Ärzte durch eine überdurchschnittlich große Häufung des Versicherungsbetrugs durch Selbstmutilation auf, da hier nicht selten eine verbesserte Gliedertaxe vereinbart wurde und bei Verletzung der Hände nicht selten hohe Versicherungssummen fällig werden. Statistisch kann nicht annähernd eingeschätzt werden, wie hoch das Verhältnis von Selbstverstümmelung zu akzidentiellen Verletzungen ist.

Die vorliegende Arbeit stellt anhand eines konkreten Falles einer Autoamputation des linken Zeigefingers bei einem Arzt die typische Merkmale einer Selbstmutilation zum Zweck des Versicherungsbetrugs heraus und gibt erstversorgenden Ärzten anhand der Literatur Handlungsempfehlungen, was im Verdachtsfall zu beachten ist.

Fallbeispiel: Über die Rettungsstelle wurde ein Arzt mit einer kompletten Amputationsverletzung des linken Zeigefingers eingeliefert. Nach eigenen Angaben war er von Fremden überfallen worden, die ihm den Finger abschnitten. Auf die punktförmigen Verletzungen an der Fingerbasis, die nach Injektionsstellen aussahen, angesprochen gab der Kollege an, er habe sich geistesgegenwärtig noch eine lokale Betäubung gesetzt. Das Amputat wurde erfolglos von der Polizei gesucht, so dass eine chirurgische Stumpfbildung vorgenommen wurde.

Der geschilderte Tatablauf sowie das Verletzungsmuster weckten Zweifel. Im Rahmen der Ermittlungen stellte sich heraus, dass der Patient nur Wochen zuvor eine Invaliditätsversicherung mit verbesserter „Gliedertaxe“ abgeschlossen hatte, die ihm beim Verlust eines Fingers eine Entschädigung von 600.000€, bei Raub zusätzlichen 250.000€ einbrächte. Der Fall ging vor das Amtsgericht. Der Arzt wurde zu einer Bewährungsstrafe wegen Versicherungsbetrug verurteilt.

Diskussion: Versicherungen haben wegen der Häufigkeit des Versicherungsbetrugs durch Selbstverstümmelung einen Indizienkatalog zur besseren Beurteilung solcher Fälle entwickelt. Behandelte Ärzte können sich an der von Püschel et al (1998) zusammengetragenen Liste charakteristischer Merkmale orientieren. Unter anderem sollten Verletzungen der Nichtgebrauchshand, Einstichstellen einer lokalen Betäubung, Probierschnitte, fehlende Begleitverletzungen an benachbarten Fingern, verschwundene Gliedmaßen und Unfallgeschehen ohne Zeugen Zweifel wecken. Da bei Handverletzungen häufig Nachfragen von Versicherungen und Gutachtern erfolgen, sollte die Dokumentation besonders sorgfältig durchgeführt und auf spezielle Merkmale wie Unstimmigkeiten geachtet werden.

Schlussfolgerung: Natürlich steht als Erstversorger die adäquate medizinische und chirurgische Versorgung im Vordergrund, dem Patienten sollte nicht mit prinzipieller Skepsis begegnet werden. Trotzdem sollte der behandelte Arzt bei Unstimmigkeiten die oben angeführten Verletzungsmuster und charakteristischen Merkmale erkennen. Gerade die Erstaufnahme und die ausführliche Dokumentation sind für eine mögliche spätere Überführung des Täters wichtig, da eine spätere Rekonstruktion oft schwierig ist.